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Wie steht es gerade um den Suchmaschinenkonzern, Herr Justus? | ABC-Z

Neue Künstliche Intelligenz, neue Konkurrenz, Zerschlagungsideen – wie läuft es denn für Google in Deutschland gerade, Herr Justus?

Es läuft sehr gut für Google in Deutschland. Wir haben uns gefreut, dass wir in den zurückliegenden 18 Monaten unseren CEO Sundar Pichai gleich zweimal zu Besuch hatten. Er war vergangenes Jahr hier, als wir die Unterstützung der Fußballnationalmannschaft der Frauen bekannt gegeben haben. Pichai ist ein großer Fußballfan, insofern war er da natürlich in Berlin. Und dieses Jahr im Frühjahr war er dann noch einmal in Deutschland, in München. Sie sehen daran vielleicht, dass Deutschland wichtig für uns bleibt. Zur Erinnerung: Deutschland ist für Google seit mehr als 20 Jahren ein wichtiges Land, hier entstand das erste Büro in Europa, das zweite außerhalb der Vereinigten Staaten. Mittlerweile haben wir mehr als zweieinhalbtausend Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hierzulande, beispielsweise in unserem Google Safety Engineering Center in München, wo wir Tools für Datenschutz und Sicherheit entwickeln, die auf der ganzen Welt genutzt werden.

Und Sie stellen weiter ein, die Geschäfte wachsen?

Die Geschäfte wachsen weiter. Wir stellen auch weiter ein, wenn auch nicht mehr ganz so schnell wie noch vor einigen Jahren. Aber wir sind insgesamt ­zufrieden mit unserem Geschäft in Deutschland, und wir haben auch sehr wichtige Partnerschaften geschlossen. Wir arbeiten mit Unternehmen aller Größenordnungen in Deutschland zusammen, mit Mittelständlern, Start-ups oder Dax-Konzernen. Wir entwickeln mit Mercedes, Volkswagen und BMW die nächste Generation der Entertainment-Systeme in deren Fahrzeugen. Wir kooperieren mit der Commerzbank, der Deutschen Bank und den Sparkassen darin, wie diese Künstliche Intelligenz nutzen können.

Wir sprechen nachher noch ausführlicher über KI und welche neuen Wettbewerber Google infolgedessen schon bekommen hat oder noch bekommt. Gegenwärtig droht Ihnen aber noch eine andere Gefahr: In der Regierung in Washington denken sie offenkundig darüber nach, Google zu zerschlagen, weil das Unternehmen zu mächtig ist. Haben Sie Angst, dass es wirklich so kommt?

Wir sind inzwischen ein sehr großes Unternehmen, insofern gibt es mehr Fragen, die uns gestellt werden. Und auch Untersuchungen, ob wir uns richtig verhalten. Wir haben eine andere Meinung als das amerikanische Justizministerium zu den Vorwürfen, die dort im Raum stehen. Und wir werden unsere Meinung auch sehr deutlich in den nächsten Jahren artikulieren.

Google ist nach wie vor die dominierende Suchmaschine, Chrome der dominierende Browser und Android das dominierende Betriebssystem für Smartphones, daran hat sich nichts geändert. Alles stammt aus dem Hause Alphabet. Die Dominanz des Konzerns ist eigentlich allen klar.

Was Sie beschreiben, ist der Umstand, dass wir sehr erfolgreiche Produkte haben, oder? Wir haben die Suche, die Menschen sehr gerne mögen und vielfach nutzen. Wir bieten Chrome an, Android als Betriebssystem, Youtube als Videoplattform. Für mich ist der Erfolg der jeweiligen Plattform oder des jeweiligen Produkts Ausdruck davon, dass wir offenbar Dinge anbieten, die viele Menschen gerne nutzen. Es gibt zu all diesen Produkten Alternativen, Wettbewerber, auch hervorragende Wettbewerber – und der nächste Wettbewerber ist immer nur einen Klick um die Ecke irgendwo im Netz.

In der Theorie stimmt das. In der Praxis ist er de facto weiter entfernt, weil Google zum Beispiel vorinstalliert und als Standard eingestellt ist auf Mobiltele­fonen – wofür der Konzern enorme Summen ausgibt. Sie erschweren den „einen Klick zum nächsten Wettbewerber“ doch nicht ohne Grund.

Nein, wir wollen es im Gegenteil unseren Nutzerinnen und Nutzern so einfach wie möglich machen, unsere Produkte zu finden und zu nutzen. Alle anderen Technologieunternehmen bewerben ihre Produkte doch auch und wollen zeigen, was sie können. Was wir nicht tun, ist, unsere Kunden an ein Produkt zu binden. Wir geben ihnen immer Auswahlmöglichkeiten, auf Smartphones wie auf Desktops. Uns ist wichtig, dass sie eine Auswahl haben. Und die Frage der Größe, die können Sie natürlich aus zwei Seiten betrachten: Ist Größe an sich ein Problem oder ist Größe ein Ausdruck von Kundenbegeisterung?

Ich glaube, wir befinden uns in einem sehr wettbewerbsintensiven Umfeld. Wir stehen in Konkurrenz zu vielen großen Technologieunternehmen, aber auch zu vielen Start-ups. Was die Technologiebranche auszeichnet, das ist der Wettbewerb um die besten Ideen. Und der hat in den vergangenen Jahren nicht abgenommen, sondern eher zugenommen.

Das liegt nicht zuletzt am Fortschritt in der Künstlichen Intelligenz. Seitdem OpenAI mittels ChatGPT popularisiert hat, was die großen Sprachmodelle können, ist sogar eine Diskussion darüber entbrannt, ob sich die Suchmaschine in ihrer bisherigen Form deutlich verändern muss oder sogar verschwindet – weil die Menschen vielleicht lieber einen Chatbot fragen, als etwas in ein Suchfeld zu schreiben.

Google gibt es mit der Suche seit dem Jahr 1998. Seit diesem Zeitpunkt entwickelt sich unsere Suchmaschine pausenlos weiter. Die sieht heute nicht mehr so aus wie im Jahr 1998, sie sieht auch nicht mehr so aus wie im Jahr 2008 oder im Jahr 2018. Wir versuchen permanent, besser zu verstehen, was die Menschen interessiert, und dann bessere Antworten in der Suchmaschine zu geben. Und auch die Technologie hat sich ständig weiterentwickelt. Denken Sie etwa an den Übergang von der Desktopwelt in die mobile Welt oder an den Übergang davon, ausschließlich per Texteingabe zu suchen, zu einem vielseitigeren Modell – ich suche heute mit meiner Stimme oder auch visuell.

Nutzerinnen und Nutzer sollen mit immer mehr verschiedenen Arten und Weisen ihre Suchbegriffe oder Suchabsichten deutlich machen können. Und wir wollen, dass die gelieferten Ergebnisse immer relevanter werden. Das ist für uns eigentlich die Grundfrage seit der Gründung Googles: Wie können wir immer bessere Suchergebnisse in allen Lebenslagen geben? Und wir fühlen uns da ganz gut aufgestellt.

Sie bieten inzwischen auf eine Suchanfrage deutlich mehr dazu passenden Inhalt direkt auf der Suchergebnis-Seite. Die Nutzer sollen länger auf Ihrer Seite bleiben und haben weniger Anreize, auf einen der angezeigten Links zu klicken oder ersparen sich das vielleicht irgendwann ganz. Das wäre schon ein fundamentaler Wandel.

Wir versuchen, möglichst schnell möglichst gute Antworten zu geben. Die Suchergebnis-Seite hat sich schon sehr verändert, es sind nicht mehr nur zehn blaue Links, die zu Webseiten führen. Manchmal gibt es eine unmittelbare Antwort oder eine Information, manchmal gibt es eine Zusammenfassung von Wikipedia. Wenn ich nach dem Wetter suche, dann finde ich vielleicht die Wetterdaten direkt eingeblendet für Frankfurt oder Berlin oder München. An ganz vielen Stellen versuchen wir, die Antwort möglichst umfassend und möglichst schnell zu geben. Das führt interessanterweise aber nicht dazu, dass die Menschen weniger suchen oder dass sie weniger zu anderen Webseiten gehen.

Wir haben festgestellt, dass die Neugier der Menschen unbegrenzt ist und dass eigentlich jedes Mal, wenn wir eine Frage beantworten, sich wieder neue Fragen ergeben. Das ist auch im Zeitalter der generativen KI so. Wir haben in einigen Ländern für Suchen zu komplexen Themen KI-Übersichten eingeführt. Ein Beispiel: Ich möchte meinetwegen meinen Urlaub an der Nordsee verbringen, und ich wüsste gerne, wie ich dahin komme und wo ich vielleicht ein Hotel buchen kann. Das ist eine eher komplexe Anfrage. Noch nicht in Deutschland, aber schon in einigen anderen Ländern bieten wir für so etwas durch KI generierte Übersichten, die einen Teil der Antwort geben können. Wir sehen, dass die Nutzer damit erstens zufriedener sind, aber zweitens noch mehr suchen als vorher, nicht weniger. Das heißt, in Summe nimmt das Suchvolumen zu, und es nimmt damit dann auch wiederum der Traffic zu anderen Webseiten zu.

Immer noch bewegen wir uns aber immer in der gängigen Suchmaschinen-Umgebung und haben irgendwie einen Bildschirm vor Augen auf dem Laptop oder Smartphone. Nutzer tippen oder sprechen Suchbegriffe oder Fragen in eine weiße Zeile. Was aber, wenn wir das irgendwann nicht mehr wollen? Wenn wir lieber einen KI-Assistenten haben möchten, dem wir Fragen stellen oder Aufgaben übertragen, und auf eine Ergebnisseite ganz verzichten können?

Es gibt viele Arten, die eigenen Suchbegriffe zu äußern. Sie können Text eintippen, Sie können mit ihrem Smartphone sprechen – gerade in der Generation der 18- bis 29-Jährigen nimmt die Spracheingabe explosionsartig zu. Meine Kinder sprechen mehr mit ihrem Smartphone, als dass sie etwas eintippen. Und schließlich nimmt das zu, was wir als Google Lens entwickelt haben, die visuelle Suche mit der Kamera. Sie halten Ihre Kamera etwa auf einen Rucksack, den Sie besonders hübsch finden, und fragen sich, was ist das eigentlich für ein Rucksack? Dafür müssen Sie nichts eintippen. Suche ist eben nicht nur das Eingeben von Suchbegriffen. Auch die präferierten Antworten sehen unterschiedlich aus: Manche Nutzerinnen und Nutzer möchten einen Antworttext haben, andere einen Link, wieder andere einfach etwas erledigt haben. Aus unserer Sicht gibt es auch künftig viele unterschiedliche Suchsituationen und dann auch Antwortmöglichkeiten.

Ist Google in der Künstlichen Intelligenz zuletzt etwas zu zögerlich gewesen? Ehemalige oder aktive Google-Mitarbeiter sind gerade mit dem Nobelpreis für Physik und Chemie ausgezeichnet worden – in der Forschung scheint Google stark, kommerziell haben eher andere gerade die Nase vorn.

Ich habe nicht das Gefühl, dass es so ist, wie Sie beschreiben. Wir sind seit dem Jahr 2016 eine „AI-First-Company“. Und ehrlich gesagt, im Jahr 2016 war das nicht das Thema gewesen, über das die ganze Welt gesprochen hatte und wovon die ganze Industrie gesagt hätte, die Reise geht in diese Richtung. Wir waren sehr früh dran. Seit mehr als zehn Jahren erzielen wir bahnbrechende ­Forschungsergebnisse, denken Sie an AlphaGo oder eben AlphaFold, das Projekt, für das unsere Kollegen den Chemie-Nobelpreis bekommen haben. Und auch in unseren Produkten verbessern wir das ständig, das ist häufig nur nicht so offensichtlich, weil die KI sozusagen unter der Haube läuft, also quasi im Motor von Google. Das Ranking in der ­Suche entsteht zum Beispiel mittels KI – das sieht der Nutzer nicht unmittelbar, weil er eben das Suchergebnis direkt angezeigt bekommt.

Die großen Sprachmodelle hat OpenAI breit bekannt gemacht mit dem Dialogsystem ChatGPT. Das wird seither ­häufig als Maßstab hergenommen – und nicht Google.

Ich würde sagen, wir haben einen sehr gut überlegten Start hingelegt. Klar ist doch: Wenn jemand die Google-Suche nutzt, erwartet er oder sie Zuverlässigkeit und Richtigkeit. Wir wollten unbedingt sicherstellen, dass wir diesen Ansprüchen gerecht werden, die unsere Nutzerinnen und Nutzer an uns haben und die wir auch selbst an uns haben.

In dem Zustand, in dem ChatGPT ­damals gewesen war, wäre Google ­damit also nicht rausgegangen an die breite Masse?

Bezogen auf Google würde ich sagen, wir haben unsere Innovationen Schritt für Schritt eingefügt – immer dann, wenn wir uns sicher gewesen sind, dass die Produkte unseren Erwartungen entsprechen. Wir befinden uns in einem wettbewerbsintensiven Umfeld. Ich glaube, das spornt uns insgesamt an, auch in unserer eigenen Geschwindigkeit zuzulegen.

Wo punktet Google mit KI gerade?

Wir verzeichnen inzwischen 20 Milliarden visuelle Suchen mit Google Lens, also über die Bildschirmkamera von Smartphones – jeden Monat. Das ist gigantisch. KI ermöglicht Bilderkennung in Echtzeit, übersetzt dies in eine Suche, die dann sinnvolle Antworten gibt. Ich wüsste kein zweites Unternehmen, das eine solche Bildsuche bisher entwickelt hätte. Oder nehmen Sie die Übersetzungsfunktion Google Translate – wir haben vor einigen Monaten 100 weitere Sprachen dort eingeführt, das geht eben mit unseren KI-Modellen.

Wie weit sind wir denn noch von einem KI-Assistenten entfernt, den ich bitten kann, einen Urlaub zu buchen – und er erledigt dann, nachdem er mich vielleicht noch nach einem bestimmten Hotel gefragt hat, alle Schritte von der Auswahl bis zur Buchung?

Dieser ganze Bereich der künstlichen Assistenten ist das nächste große Feld, in dem wir KI-Fortschritte sehen werden, davon bin ich überzeugt. Wenn Sie eine Reise buchen möchten mit einem Hotel und vielleicht einer komplexen Serie von Zug und Flug und Bus, dann kann ich diese ganze Abfolge Stand heute noch nicht über eine KI organisieren und buchen lassen. Aber dahin werden wir uns entwickeln. Wir müssen hier noch mehr Partner integrieren und Prozesse, die es im Web gibt. Ich kann mir gut vorstellen, dass wir, wenn wir dieses Gespräch in drei oder vier Jahren führen, schon umfassende Möglichkeiten haben, durch unsere Assistenten auch solch komplexe Aufgaben erledigen zu lassen.

Von sogenannter Allgemeiner Künstlicher Intelligenz sind wir aber nach wie vor weit entfernt, oder?

Ich bin selbst kein Fachmann für Allgemeine KI, aber alle unsere Forscher sagen mir, dass wir da noch nicht sind. Sie sagen aber auch, dass der Begriff selbst ein Problem ist: Das beginnt schon damit, dass nicht präzise definiert ist, was Allgemeine Künstliche Intelligenz ist. Wir haben deshalb für uns ein anderes Navigationssystem entwickelt, das uns Orientierung bietet. Wir wollen mithilfe von KI möglichst viele Anwendungen entwickeln, die möglichst vielen Menschen helfen – und wir wollen dies in einer verantwortungsvollen Art und Weise tun, das ist sozusagen unser „Nordstern“.

Nach einer neuen Umfrage des Digitalverbands Bitkom setzen sich mittlerweile 57 Prozent der befragten Unternehmen mit KI auseinander. Das sind mehr als im Jahr zuvor. Sind es genug?

Das Interesse an KI in Deutschland ist groß, die tatsächliche Anwendung ist noch zu klein. Wir brauchen in Deutschland mehr Geschwindigkeit, auch seitens der Unternehmen, aus Ideen echte Anwendungen zu machen.

Schreiben und beantworten Sie Ihre Mails eigentlich noch selbst oder macht das inzwischen eine KI?

Unsere Google-KI Gemini hilft mir tatsächlich dabei, die nutze ich in Gmail sehr intensiv. Ich lasse mir eine Antwort vorschlagen oder, wenn ich noch einige Stichworte ergänzt habe, eine Mail entwickeln. Aber ich bin insofern vielleicht konservativ, als ich am Ende persönlich draufschaue, bevor ich sie abschicke.

Sind die von der KI vorgeschlagenen Antworten höflicher als Ihre?

Das hängt davon ab, wie ich sie einstelle, ob ich eine direkte Antwort oder eine ausführliche Antwort vorgeschlagen haben möchte.

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