Wie Radsport-Talent Fietzke um einen Platz bei den Profis kämpft | ABC-Z

Das Reisen, sagt Paul Fietzke, habe ihn nie wirklich gestört. Schule aus, Tasche packen, auf zum nächsten Rennen: Wer Radprofi werden will, kommt früh herum. „Ich genieße das, wenn ich alle zwei bis drei Wochen mal woanders bin“, sagt Fietzke. In den vergangenen beiden Saisons ist der 19 Jahre alte Schüler kaum Rennen in Deutschland gefahren.
2024 startete er nur bei den Deutschen U-19-Meisterschaften und der Salus Radsportnacht, einem Kriterium in Bruckmühl. Die besten seiner Altersklasse messen sich in der Regel im Ausland. Frankreich, Belgien, Italien: So sieht der Alltag aus, wenn Fietzke nicht gerade an der Sportschule Cottbus fürs Abitur lernt. Doch in diesem Jahr, in dem er erstmals in der U 23 an den Start geht, steht auch wieder ein größeres Rennen in Deutschland auf dem Programm: Eschborn-Frankfurt.
Seltene Gelegenheit im Taunus
Die Hatz durch den Taunus ist das einzige deutsche U-23-Rennen, das den höchsten Status des Weltverbandes UCI besitzt, also in einer Reihe steht mit klangvollen Namen wie Paris-Roubaix oder der Lombardei-Rundfahrt. Deshalb schicken internationale Nachwuchsteams am 1. Mai ihre Fahrer in die Mainmetropole. Und auch für die Talente der unterklassigen deutschen Rennställe, die eine Startberechtigung erhalten, ist es eine seltene Gelegenheit, sich zu zeigen.
Wer sehen will, was die Zukunft bereithält, kann also in den Taunus schauen. Ein Sieg beim U-23-Rennen des Radklassikers garantiert keine große Karriere. Doch viele, die bei der Hatz über den Feldberg siegreich waren, zählen heute zu den besten ihres Sports: 2014 gewann Mads Pedersen, der fünf Jahre später Weltmeister wurde. 2017 siegte Fabio Jakobsen, der sich heute Tour-de-France-Etappensieger nennen kann.
Die Deutschen Nils Politt und Jonas Rutsch landeten einst auf dem zweiten Platz. Inzwischen mischen sie kräftig in der WorldTour mit. Und die nächste deutsche Klassikerwelle schwappt schon in den Radsport: U-23-Weltmeister Niklas Behrens (21 Jahre), Tim Torn Teutenberg (22) und Emil Herzog (20) haben bereits an WorldTour-Rennen teilgenommen. Paul Fietzke, der in der U 19 bei den WM-Straßenrennen der Junioren einmal Zweiter (2023) und einmal Vierter (2024) wurde, gilt ebenfalls als Mann der Zukunft.
„Deutschland ist in den nächsten zehn Jahren auf jeden Fall ganz gut aufgestellt“, sagt Fietzke mit Blick auf die junge Generation an Fahrern, denen die Eintagesrennen am besten liegen. Zu ihnen zählt sich auch Fietzke, der für die Red Bull-Bora-hansgrohe Rookies fährt und über sich selbst sagt, dass aus ihm kein reiner Bergfahrer und keiner für die dreiwöchigen Rundfahrten mehr wird: „Mir liegen die extrem schweren Eintagesklassiker wie Lüttich-Bastogne-Lüttich, wo es viele kleine Anstiege gibt und von Anfang bis Ende Vollgas gefahren wird.“
Mit den Profis auf Mallorca
Im Taunus ist es zwar nicht wie in den Ardennen, und der Mammolshainer Stich fehlt mit seiner giftigen Steigung im Rennen der U 23 auch, doch mit der zweimaligen Feldbergüberquerung ist die U-23-Edition von Eschborn-Frankfurt auch bei den jungen Fahrern offener denn je. „Es hängt immer davon ab, wie das Rennen gefahren wird. Vom Solo-Sieg über eine kleine Gruppe bis zu einer großen ist alles möglich“, sagt Fietzke: „Wenn der Berg Vollgas gefahren wird, könnte es schwer genug für mich sein.“
Wie der Rennverlauf sein wird, lässt sich kaum prognostizieren. In den Nachwuchsbereichen gibt es selten Teams, die ein Rennen kontrollieren können. Jeder will sich zeigen. Das führt zu vielen Angriffen und mehr Chaos, das bei den Profis meist von den stärksten Teams unterbunden wird. Wie das ganz oben abläuft, hat Fietzke Ende Januar auf Mallorca erlebt, als er zum ersten Mal bei den Profis am Start gewesen ist. „Diese Rennen sind wichtig, um die ganzen Strukturen kennenzulernen und zu verstehen, wie bei den Profis gefahren wird“, sagt Fietzke: „Aber ansonsten ist es wichtiger, sich mit Gleichaltrigen zu messen.“
Die Suche nach dem neuen Pogačar
Um die eigenen Talente besser fördern zu können, hat sich der WorldTour-Rennstall Red Bull-Bora-hansgrohe ein Rookie-Team aufgebaut, das seit dieser Saison an den Start geht. Es soll den Übergang vom Juniorenteam Grenke-Auto Eder, in dem auch Fietzke zuvor fuhr, in den Profibereich erleichtern. Red Bull ist nicht der einzige Rennstall, der das so angeht. Der Trend geht längst zum sogenannten „Developement-Team“, um sich die Dienste junger Fahrer möglichst früh zu sichern. Die Arbeit mit Talenten wird immer wichtiger.
Alle suchen nach dem neuen Tadej Pogačar. Denn ist der erstmal langfristig an einen anderen Rennstall gebunden, wird es schwer, wie der Blick auf den alten Pogačar zeigt, der gerade alles in Grund und Boden fährt und kaum Spielraum für Sieger neben ihm lässt. Wer Nachwuchskräfte früh an sich bindet, hat Zugang zu Leistungsdaten, kann Fahrer formen. Fietzke ist in einem Alter, in dem er noch schnell Fortschritte macht. „Man wird von Jahr zu Jahr immer ein bisschen stärker. Irgendwann wird die Kurve natürlich abflachen, aber da bin ich noch nicht dicht dran“, sagt er: „Da steckt noch viel im Körper.“
Der soll in diesem Jahr weiter an das, was in der WorldTour geleistet wird, herangeführt werden. Nach Eschborn-Frankfurt geht es für Fietzke zum nächsten Profirennen bei Rund um Köln. Doch zwischen all den Reisen, die mit den beiden Starts im Mai diesmal gar nicht so weit sind, steht noch etwas anderes Wichtiges an: die letzten Abitur-Prüfungen.
Eine davon absolviert Fietzke im Fach Sport, wo er sich neben Basketball auch für eine Prüfung auf dem Rennrad entscheiden konnte. Ein Geschicklichkeitsfahrtest, wie er bei den Junioren üblich ist, muss absolviert werden. Und es geht voraussichtlich für zehn Kilometer auf die Bahn. Was muss man da leisten für die Höchstpunktzahl? „Ich glaube, für zehn Kilometer sind es 40 km/h im Schnitt“, sagt Fietzke: „Also relativ entspannt.“ Treten müsse er dafür vielleicht 300 Watt. Am Feldberg, so viel scheint sicher, wird es deutlich härter für ihn.