Die Serie „Day of the Jackal“, nach Frederick Forsyths Roman | ABC-Z

Wenn sich Menschen mit vielen schönen oder zumindest „wertigen“ – wie sich leise Marktschreier dieser Tage gern ausdrücken – Dingen umgeben, dann meist auch, um damit die eine oder andere Lebenslüge zu übertünchen. Nur kein Neid: Killer beispielsweise müssen sich ja mit Schönheit beschäftigen, weil sie ihr Brot mit Hässlichkeiten verdienen. Oder gibt es den schönen respektive eleganten Mord etwa?
Im Film, sicher: Die erste Folge der Serie „The Day of the Jackal“ (nach dem gleichnamigen Klassiker von Frederick Forsyth) lässt ihre Zuschauer hinsichtlich dieser Frage mit der gleichen Wonne in die Falle tappen, wie es schon Fred Zinnemanns Verfilmung im Jahr 1973 gelang, deren Sequenzen Regisseur Brian Kirk zum Teil exakt nachstellt. Dem stets phantastisch gekleideten Killer, dargeboten von Eddie Redmayne („Phantastische Tierwesen und wo sie zu finden sind“, 2016), gelingt mit seiner Wunderwaffe der unmögliche Schuss. Über eine Distanz von mehr als 3500 Metern.
Die Bewunderung für Kälte und Präzision schlägt Moral
Manfred Fest (Burghart Klaußner), Kanzlerkandidat der deutschen Partei KNV, der laut Wahlplakat „Deutschland den Deutschen zurückgeben“ will, steigt just aus der schwarzen Limousine, da feuert der Schakal den Schuss ab. Fests Sicherheitsmänner hatten geplant, ihren Schutzbefohlenen in zehn Sekunden von Auto- zu Drehtür zu bugsieren. Das gelingt auch. Man sieht Fest durch die Drehtür gehen, eine weitere Sekunde verstreicht, die rotierenden Glasscheiben reflektieren das Geschehen draußen, dann streckt die Kugel den Politiker drinnen doch noch nieder.
„Wunderschön ausgeführt“, wird ein britischer Geheimdienstler später sagen. Die Bewunderung für Kälte und Präzision schlägt Moral eben – um Längen. Zumal hier der geheimste Wunsch selbst eingefleischter Pazifisten bedient wird. Solche, die offen jeden Akt der Gewalt mit Verweis auf die Integrität der Demokratie verdammen, sich aber insgeheim fragen, warum dieser oder jener Autokrat nicht schon längst „ausgeknipst“ wurde.
Die Serie macht es dem Zuschauer mit diesem Zwiespalt zunächst leicht. Die meisten Figuren sind von Ehrgeiz, Geld, Status oder dem eigenen Ego zerfressene Persönlichkeiten. Darunter auch die, die sich, weil der BND alle Bündnispartner um Hilfe bittet, in Großbritannien auf die Spur des Killers setzen. Die MI6-Agentin Bianca (Lashana Lynch) ist eine Waffennärrin, die viel Wert darauf legt, dass ihre Expertise gehört und ernst genommen wird. Sie weiß genau, wann sie recht hat, und wenn es einmal nicht so ist, weiß sie es zu bekommen. Genau wie ihre Kollegen. Menschenleben nimmt sie billigend in Kauf, auch als ihre Familie bedroht wird.
Ihr Gegenspieler, der Schakal, macht es ähnlich. Seine Frau Nuria (Úrsula Corberó) und Söhnchen Carlito sind samt Schwiegermutter und Bruder auf einem ebenso stattlichen wie küstennahen Anwesen im spanischen Cádiz untergebracht. Beide sind erst mal nur Statisten im Leben des Killers. Doch bald sind nicht nur die europäischen Geheimdienste hinter ihm her, sondern auch Nuria, die sich fragt, welcher Beruf sie da eigentlich um ihren Mann und Vater ihres Sohnes bringt.
Der Auftragskiller, dessen wahren Namen und Vergangenheit die Serie erst nach und nach preisgibt, ist indes mit dem „goldenen“ Job konfrontiert, der ihm den Ausstieg aus seinem Metier ermöglichen soll. 100 Millionen Dollar, 20 davon allein bei Zusage. Sein Codename ist der jenes Wildhundes von wolfsähnlicher Gestalt, dessen Gesicht schon das Haupt des ägyptischen Totenrichters Anubis geziert haben soll. Der Codename seines Ziels: Rodin. Dessen eigentlicher Name wiederum, Ulle Dag Charles (Khalid Abdalla), ist selbst für seine Anhänger zu lang, weshalb sie ihn medientauglich UCD abkürzen. Ein Gott qua eigenem Techkonzern mit Inselreich (in Kroatien), dessen Produkte die Informationstechnik vieler Staaten stützen. Allerdings mit dem angenehmen Twist, dass seine letzte Erfindung der Welt der globalen Hochfinanz so richtig die Hosen runterziehen will.
Das alte und schmutzige Geld ist unangenehm berührt
Eine Software namens „River“ soll internationale Finanzflüsse transparent machen und nachzeichnen, wie all das Geld stetig in die „Taschen der Superreichen“ fließt, während es vielen anderen zum Leben fehlt. Davon fühlt sich nun das alte und schmutzige Geld, vertreten durch den robusten Timothy Winthorp (Charles Dance, Tywin Lannister aus „Game of Thrones“) und seine Mitverdiener, unangenehm berührt. UCD muss weg, der Schakal soll es und ihn richten.
Das zwar nicht Neue, aber doch immer wieder Perfide an dieser über zehn Folgen ausgebreiteten Erzählung ist, dass man als Zuschauer den Killer bald anfeuert bei seiner Mission, den Erlöser zu töten. Trotz aller Kaltblütigkeiten und all der Leichen, die die Wege aller Beteiligten pflastern. Anders als in manch vergleichbarer Erzählung nimmt sich „The Day of the Jakal“ jedoch Zeit für die Konsequenzen. Die Tränen im versteinerten Gesicht von Biancas nordirischem Kontakt Alison (Kate Dickie) über den Verlust ihrer Tochter in Polizeigewahrsam nehmen das Leid, das am Ende alle einholt, eindrücklich vorweg.
Mit Sollbruchstellen in Sachen Sinn geht die Serie selbstbewusst um. Warum guckt Person X in diesem oder jenem Moment gerade nicht in diese oder jene Richtung? Warum sieht niemand den verdächtigen Chatverlauf, der in dicken grellgrünen Lettern auf dem Bildschirm des Internetcafés zu lesen ist? All dies sind fast schon klassisch nachempfundene Filmkennzeichen, die es auch als Erinnerungsstütze dafür braucht, dass man Zeuge eines gelungenen Scharfschützen- oder Agenten-Pornos ist. Wechselnde Einblendungen von Ortsnamen, Verfolgungsjagden, Liebschaften und technische Spielereien lassen jedoch noch genug Platz für eindrückliche Dialoge und politische Aktualität: Europa ist in Sachen Geld, Verbrechen und Sicherheit auf sich gestellt. Die Amerikaner haben Order, ihre Informationen nicht mehr zu teilen. Und die Russen? „Jahrzehnte nach dem Kommunismus sind Russen immer noch faule, unfähige, korrupte Bauern. Nationale Charaktereigenschaften überleben jeden Regimewechsel“, sagt Winthorp, als dessen russische Ersatzkiller einen Nebenjob vermasseln.
Als Zuschauer ist man trotz manch unnötiger Längen und Abschweifungen gleichermaßen unterhalten und mitgenommen: Zu oft löst sich die Spannung in ersehnter und doch zwiespältiger Katharsis.
The Day of the Jackal ist bei Sky zu sehen.