Warum die SPD gegen mehr Platz auf Gehwegen ist – und was sie stattdessen vorschlägt | ABC-Z

München – Neben jeder Freischankfläche und Warenauslage 20 Zentimeter mehr Platz und generell eine Mindestbreite von 1,80 Meter für Gehwege – für diesen Vorschlag hatte KVR-Chefin Hanna Sammüller-Gradl im November viel Kritik geerntet (AZ berichtete). Vor allem, weil dies Einschränkungen für viele Freischankflächen und Läden bedeute, wie es damals aus Rathaus-CSU und SPD hieß.
177 Freischankflächen wären betroffen
Die Mindestbreite der Gehwege für Fußgänger von 1,60 Meter auf 1,80 Meter zu erhöhen, würde für 177 Freischankflächen bedeuten, dass sie dann nicht mehr genug Platz hätten und nicht mehr geöffnet werden könnten oder verkleinert werden müssten. Auch Geschäfte, die vor ihren Türen Bücher, Gemüse, Blumen oder sonstige Waren auslegten, könnten betroffen sein, hieß es. Eine Mehrheit für den Vorschlag war also nicht in Sicht.
Und: Für ihre ablehnende Haltung, kassierte die SPD ihrerseits scharfe Kritik, und zwar vom Behindertenbeauftragten der Stadt, Oswald Utz, der sich zum Jahresende aus seinem Amt verabschiedet hat. „Wir kämpfen seit Jahren für die Regelung. Kein Wirt oder Händler braucht Pleite zu gehen. Es würde doch Ausnahmeregelungen geben“, sagte Utz im November zur AZ. Und, die SPD sei im Vorfeld des Vorschlags eingebunden gewesen, hätte keine Kritik geäußert.
Die SPD holt das Thema jetzt wieder hervor
Die SPD-Fraktion bringt das Streitthema nun wieder auf den Tisch und hat einen Antrag dazu eingereicht. Statt der geplanten Erhöhung der Mindestgehwegbreite auf 1,80 Meter soll eine Sensibilisierungskampagne ins Leben gerufen werden. Das Wirtschaftsreferat solle, mit dem Behinderten- und Seniorenbeirat, Citypartner, dem Dehoga München und den Münchner Innenstadtwirten eine Kampagne für mehr gegenseitige Rücksichtnahme starten, so die Forderung.
Zugleich soll ein Monitoring zur Barrierefreiheit durchgeführt werden, um Problemstellen zu identifizieren. „Wo es Probleme gibt, ist die SPD für Einzelfalllösungen, nicht für starre Regelungen“, heißt es. Dehoga, Citypartner und Innenstadtwirte hätten bereits signalisiert, sich an einer solchen Kampagne auch finanziell zu beteiligen. Mit diesem Ansatz wolle man „das Münchner Lebensgefühl“ bewahren und gleichzeitig die Inklusion weiter stärken, heißt es.
„München lebt von seinem Flair, seiner Vielfalt und dem respektvollen Miteinander“, sagt Stadtrat Christian Vorländer dazu. Seiner Fraktion sei es wichtig, dass sowohl mobilitätseingeschränkte Menschen als auch Gewerbetreibende, Gastronomen und alle Bürgerinnen und Bürger die Stadt gut nutzen könnten. „Statt immer neuer Verbote setzen wir auf Rücksichtnahme und pragmatische Lösungen. Eine motivierende Kampagne trägt viel mehr zu einem guten Miteinander bei als immer mehr Regeln.”
Keine Freischankfläche muss deshalb verschwinden
Die Grünen wiederum verteidigen den Vorstoß aus dem KVR: Das Referat habe gute und plausible Vorschläge erarbeitet und sie bei einem interfraktionellen Austausch im Juli vorgestellt und diskutiert, erinnert Stadträtin Gudrun Lux, die mobilitätspolitische Sprecherin der Fraktion ist, am Donnerstag. Die Bedenken bezüglich der Freischankflächen teilt man nicht. Würde die Regelung kommen, die das KVR erarbeitet hat, würden 177 Freischankflächen ein oder zwei Tische verlieren, keine würde komplett verschwinden, heißt es aus der Fraktion. Insgesamt habe München knapp 2600 Freischankflächen.
Am Münchner Lebensgefühl sollen alle teilhaben können
Lux erklärt stattdessen: „Ich finde es bedenklich, diesen umsichtig ausgehandelten Kompromiss nun einfach wegzuwischen.“ Sie habe „nichts gegen eine Kampagne und einen generellen Appell für ein besseres Miteinander – klare Regeln ersetzt das aber nicht!“ Dieses Verständnis von ‚Leben und leben lassen’ bedeutet in der Konsequenz, dass das Recht des Stärkeren gilt und die Schwächeren auf deren Wohlwollen angewiesen sind. Wir brauchen nicht nur Absichtserklärungen, sondern eben auch klare Regeln, um die Schwächeren zu schützen.“
Beim Stichwort Lebensgefühl verweisen sie darauf, dass sie dafür gesorgt hätten, dass es in der Stadt die Schanigärten gibt. Zum Münchner Lebensgefühl gehöre aber auch, dass alle Menschen frei und sicher unterwegs sein können. Dies gelte auch für die Mutter mit dem Zwillingskinderwagen, für den Rollstuhlfahrer, für eine Seniorin mit Rollator oder für einen Sehbehinderten, der sich mit dem Blindenstock orientiert. „Wir als Politik sind hier seit Jahren zusammen mit der Verwaltung an Lösungen dran, die die verschiedenen Interessen und Bedürfnisse miteinander in Einklang zu bringen“, so Lux.