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Vor allem Frauen fehlt Finanzbildung | ABC-Z

Die Wetterau tendiert bei Bundestagswahlen traditionell zur CDU. Vor vier Jahren stach aber Natalie Pawlik (SPD) ihren Konkurrenten von der Union knapp aus. Nun will der Banker Thomas Pauls, Fachmann für private Finanzen, den Wahlkreis zurückerobern. Er ist verheiratet und werdender Vater.

Herr Pauls, in der Wetterau lächeln Sie auch sich selbst von Wahlplakaten entgegen. Welche Gefühle verbinden Sie mit solchen Ansichten?

Das ist ein ganz aufregendes Gefühl. Der Vorlauf war ja nicht so lange nach meiner Nominierung durch den Parteitag im November. Anfangs dachten wir, es werde im März gewählt. Nun ist schon in zwei Wochen die Wahl, und überall hängen die Plakate. Ich mache jeden Tag zwei bis drei Termine, besuche Mittelständler und bekomme Einblicke, die ich sonst nicht hätte. Das ist schon krass – auch, wer mich nun alles kennenlernen möchte.

Welche Einblicke Sie nach der Nominierung gewinnen werden, konnten Sie vorher nicht wissen. Weshalb wollen Sie überhaupt in den Bundestag?

Ich war schon immer politisch interessiert. Ich habe in Köln studiert, dann in Maastricht und in Gießen und war viel unterwegs. In dieser Zeit habe ich versucht, Kontakt zu meiner Heimat Herzogenrath zu halten und auch politisch mitzuarbeiten. Dort ging in der CDU einiges digital und ich war als Sachkundiger Bürger engagiert, aber das ist etwas anderes, als am Ort zu sein. Nach unserem Umzug 2021 in die Wetterau habe ich mich gefragt: Steige ich hier in den Handball ein, was ich lange gespielt habe, oder in die Politik.

Sie haben sich für die Politik entschieden.

Genau. Die CDU Friedberg hat mich super aufgenommen. Ich habe dann meine Forschungsthemen rund um Altersvorsorge, Finanzen und private Haushalte in Veranstaltungen zum Grundsatzprogramm eingebracht. Ich arbeite im Kreisvorstand mit. Nachdem klar gewesen war, dass Armin Häuser nicht noch einmal kandidieren wird, kam ich mit unserem Kreisvorsitzenden Michael Hahn und anderen ins Gespräch, ob ich mir eine Kandidatur vorstellen könnte. Ich dachte nicht, so schnell eine so tolle Chance zu bekommen. Aber nun möchte ich sie wahrnehmen.

Politik als Beruf ist eine Zeitfressmaschine. Was reizt Sie daran, zumal Sie bald Vater werden und Ihr Kind absehbar nicht jeden Abend in den Schlaf werden wiegen können?

Darüber habe ich lange mit meiner Frau gesprochen. Nun kommt beides zusammen. Sie hat gesagt: ,Thomas, probier’s. Das passt zur dir, das musst du machen.‘ Wenn wir überlegen, wo wir vor vier Jahren standen – da ist so viel passiert in unserem Leben. Nun gehen wir das neue Abenteuer ein.

Ihr Wahlkreis tendiert traditionell eher zur CDU, Natalie Pawlik hat ihn 2021 gegen Armin Häuser für die SPD geholt. Nun läuft der bundespolitische Trend gegen die Sozialdemokraten. Betrachten Sie sich angesichts dessen als schon so gut wie gewählt?

Nein, das nicht. Klar, als wir zum Fotoshooting im Konrad-Adenauer-Haus in Berlin und danach im Reichstag waren, habe ich mich schon gefragt, wie es wohl ist, dem Bundestag anzugehören. Aber das habe ich rasch beiseite geschoben. Ja, die Prognosen sind gut, aber Trends können sich drehen. Die Frage ist dessen ungeachtet: Wie viel kann ich im Wahlkreis selbst beeinflussen? Die Rückmeldungen bei Veranstaltungen sind positiv – aber dann werden in Ober-Mörlen die Plakate zerstört. Das führt zu gemischten Gefühlen. Ich versuche, mich auf dem Boden zu halten.

Ihr Kreisverband jubelt über eine Eintrittswelle, beklagt aber eine Reihe von Sachbeschädigungen. Wie ist denn der Ton im Straßenwahlkampf, rau und vielleicht rauer als vor der Landtags- und der Europawahl?

Zur Europawahl hatten wir erstmals Leute, die an unserem Stand in Friedberg vorbeigingen und sagten: Ich wähle nur noch AfD und euch nicht mehr. Das haben wir auch dieses Mal wieder. Allerdings hatten wir nach der Bundestagsabstimmung über das Migrationspaket auch Stimmen nach dem Motto: ,Dass ihr euch überhaupt noch her traut.‘ Das klang eher nicht nach rechter Ecke. Grundsätzlich erlebe ich am Wahlstand aber eine positive Stimmung. Wir hatten auch einen Wähler, der sagte, er habe immer FDP gewählt, aber da die Liberalen nicht geschlossen für die Gesetzesvorlage zur Migration gestimmt hätten, wähle er nun die CDU. Zu mir kamen Menschen mit ausländischen Wurzeln. Als ich ihnen erklärt habe, dass es um die illegale Migration geht, kam viel Zuspruch.

Stellt die Aufregung im Bundestag ein gutes Vorbild dar?

Ich finde es persönlich sehr schade, dass die Debatte so emotional geworden ist. Es ist eine Schande, wenn wir unseren Kindern sagen, geht in der Schule vernünftig miteinander um und diskutiert freundlich, und dann kocht die Debatte in Berlin so über. Hoffentlich geht die Debatte wieder weg von den Emotionen und hin zur sachlichen Auseinandersetzung.

Quereinsteiger: Thomas Pauls (CDU) arbeitet noch als Banker.Lucas Bäuml

Die AfD ist östlich der A 45 stärker als im wohlhabenderen Süden und Westen der Wetterau. Macht sich das an den Wahlkampfständen der CDU bemerkbar?

Das kann ich so nicht sagen. Man darf nicht vergessen: Trotz all der Schreihälse sind die meisten Menschen normal drauf und fragen uns sachlich nach Themen und Einstellungen. Dann reden wir mit ihnen eben darüber. Ich hoffe, dass das auch so bleibt.

Wahlkampf kostet. Investieren Sie auch eigenes Geld?

Ja, natürlich. Wir sammeln zwar auch Sponsorengelder ein, aber ohne eigene Beiträge geht es nicht. Die genaue Summe möchte ich aber nicht nennen.

Sagen wir, dafür könnten meine Frau und ich einen schönen Urlaub verbringen.

Sie haben Ihre Themen kurz angetippt. Private Finanzen stehen obenan. Die Menschen sollen mehr private Altersvorsorge betreiben. Nun gewährt der Staat einen Sparerfreibetrag von nur 1000 Euro pro Nase. Aus der FDP kam jüngst der Vorschlag, ihn auf 5000 Euro zu erhöhen – auch um Aktiensparen zu fördern. Gehen Sie da mit?

Ja, auf jeden Fall. Wir haben aus der Wetterauer CDU den Vorschlag des Kinderrentengeldes für das CDU-Grundsatzprogramm unterstützt, jedem Kind 4000 Euro ins Wertpapierdepot zu legen, die dann bis zum Renteneintritt am Kapitalmarkt wachsen können. Damit könnten wir die Aktienkultur beleben. Das tut Not. Der Dax erreicht Höchststände, während das bei der gesetzlichen Rente nicht der Fall ist.

Sparpläne mit börsengehandelten Indexfonds auf Aktien gibt es ab 25 Euro im Monat.

Aber nur 17 Prozent der Menschen in Deutschland investieren in Aktien, das sind viel zu wenige. Wobei sich in der Corona-Krise das Interesse an solchen ETF genannten Indexfonds deutlich belebte. Die Leute konnten weniger konsumieren, und so mancher investierte sein Geld erstmals in solche Wertpapiere, auch solche mit niedrigerem Einkommen. Gleichwohl fehlt es oft noch an Finanzbildung, und das betrifft besonders junge Frauen. Auch wenn wir an Altersarmut denken, an Gleichberechtigung und den Gender-Pay-Gap, da werden die Grundlagen jeweils früh gelegt. Leider möchten viele Menschen sich nicht eingehender mit Finanzen beschäftigen. Da muss ein gewisses Umdenken stattfinden.

Wenn Sie in den Bundestag kommen sollten: Was möchten Sie für die Wetterau tun?

Wir müssen erst einmal die Wirtschaft auf Vordermann bringen. Viele Mittelständler berichten mir, wie knapp es bei ihnen am Monatsende ist. Das betrifft die Unternehmenssteuer, aber auch die Bürokratie. Ein Metzger hat mir ein Aktenregal gezeigt, das länger ist als seine Fleischtheke. Da müssen wir ein Entlastungspaket schnüren, das schlüge auch auf die Betriebe und Arbeitnehmer in der Wetterau durch. Die Bürger brauchen ebenfalls mehr Freiraum, um selbst wieder zu investieren.

CDU-Landrat Jan Weckler sagt, in Land und Bund redeten alle stets von weniger Bürokratie, aber nach seiner Erfahrung gebe es immer mehr Regeln.

Ja, ich weiß. Aber ich bin Quereinsteiger und weiß nicht, wie stark die Widerstände in Berlin sein werden. Ich gehe die Sache aber optimistisch an. Denn das Thema hat an Fahrt aufgenommen. Ein Beispiel: Bei Amazon kann ich mit zwei Klicks was bestellen. Für unsere Hochzeit mussten wir mit fünf Standesämtern in mehreren Bundesländern kommunizieren, statt auf eine Anfrage hin die notwendigen Unterlagen zu bekommen. Da wurde auf den Datenschutz verwiesen und auf den Föderalismus. Das will ich aber nicht mehr gelten lassen. Das muss sich ändern. Die Technik gibt es schon.

Viele Gemeinden im Osten der Wetterau sind mit Bus und Bahn schwach versorgt. Das frustriert viele Menschen und schlägt auf Wahlergebnisse durch. Sehen Sie den Bund in der Pflicht, für Abhilfe zu sorgen?

Das Leute sich abgehängt fühlen, ist ein Grund für die Stärke der AfD. Wir müssen Bus und Bahn ausbauen. Ich bin zwar kein Fachpolitiker, fahre aber selbst zur Arbeit in Frankfurt mit der Bahn, was von Friedberg aus sehr gut klappt, und habe mit Bahn-Mitarbeiter gesprochen. Die sagten mir, wir haben auf Hauptstrecken noch analoge Stellwerke, aber nicht genügend Personal. Der Nachwuchs will sich demnach nicht an der veralteten Technik ausbilden lassen. Schnelle Lösungen dürfte es da kaum geben. Wir müssen jedoch die Verkehrsträger besser vernetzen, auch mehr Pendlerparkplätze schaffen. Ich sehe momentan aber nicht, wie mehr Menschen auf das Auto verzichten sollen.

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