Unterschleißheim: Polizei trainiert mit Platzpatronen im Schulhaus – Landkreis München | ABC-Z

Im Foyer flattert rot-weißes Absperrband, dahinter wartet eine Gruppe von bewaffneten Einsatzkräften der Polizei in Schutzmontur auf das Go. Was auf den ersten Blick aussieht wie eine Notlage in der Mittelschule in Unterschleißheim, ist nur eine Übung. An die 40 Polizistinnen und Polizisten der zuständigen Oberschleißheimer Inspektion proben am Montag den Ernstfall. Trainiert werden die Abläufe und das taktische Vorgehen auf „unbekanntem Terrain“, wie Inspektionsleiter Stefan Schraut und Oberkommissarin Andrea Obst erklären.
Die beiden stehen an diesem kühlen Morgen vor der Eingangstür und begrüßen ihre Kollegen. Neben dem Gehweg am Schulgebäude ist ein großes Plakat angebracht, auf dem die Polizei Anwohner darüber unterrichtet, dass es sich um ein Training der Beamten handelt – und eben nicht um einen echten Einsatz. Weil bei der Übung aber mit Platzpatronen geschossen wird, könne es laut werden, ist zu lesen. Passanten werden gebeten, einfach weiterzugehen und sich nicht zu fürchten. Wer dennoch Sorge hat und die 110 wählt, „dem erklären unsere Kollegen, was los ist“, sagt der Inspektionsleiter.
Das Münchner Polizeipräsidium hat die Aktion auf seinen Kanälen in den sozialen Medien offensiv angekündigt. Auch die Inspektion von Schraut hat die Bevölkerung informiert, damit niemand Angst bekommt angesichts der vielen Einsatzfahrzeuge, die vor der Schule stehen, und der zahlreichen Polizisten, die schnellen Schrittes in das Gebäude strömen. Nach den Worten des Oberschleißheimer Polizeichefs ist diese Offenheit nicht zuletzt dem Kommunikationsdesaster während des großen Bundeswehrmanövers „Marshal Power“ vor knapp zwei Wochen in Altenerding geschuldet. Dort fiel Anwohnern ein bewaffneter Mann auf. Was sie nicht ahnten: Es war ein Bundeswehrsoldat, der an der Großübung teilnahm und von einem Polizisten angeschossen wurde, weil auch die Polizei nicht Bescheid wusste.
Trainingseinheiten wie diese am Montag absolviert die Belegschaft der Oberschleißheimer Polizei Schraut zufolge mehrfach im Jahr. Meist finden sie in kleinerem Rahmen statt, zum Beispiel in den Räumen der Inspektion. Dass seine Leute am ersten Tag der Herbstferien in der leeren Schule verschiedene Bedrohungsszenarien und Einsatzabläufe üben könnten, sei ein Glücksfall. Das Schulhaus stehe allerdings nur für ein x-beliebiges Gebäude, einen Bürokomplex oder ein größeres Wohnanwesen, sagt der Polizeioberrat. „Niemand muss sich Sorgen machen, dass wir konkret eine Notlage in Klassenzimmern befürchten“, betont er. Bereits im Sommer 2024 diente die Therese-Giehse-Realschule am Münchner Ring als fiktiver Einsatzort.

:Wählen Sie den Whatsapp-Kanal für Ihren Landkreis
Die Süddeutsche Zeitung bietet Whatsapp-Kanäle für alle Landkreise rund um München an. Das Angebot ist kostenlos. So abonnieren Sie die Kanäle.
„Für uns ist die Nutzung von den in den Ferien leer stehenden Schulen natürlich von Vorteil“, sagt Schraut. So sei es möglich, dass die Polizistinnen und Polizisten das gemeinsame Vorgehen in Treppenhäusern simulieren könnten oder die wechselseitige Absicherung in langen Gängen mit vielen Türen zu den Klassenräumen. Durchgespielt wird eine Notlage, in der ein möglicherweise bewaffneter Täter in einem Gebäude unterwegs ist. Während man ganz früher nach einem Alarm noch auf das Eintreffen von Kräften der Spezialeinsatzkommandos (SEK) gewartet habe, sei die Polizei nun gefordert, sofort zu agieren, sagt Schraut: „Da muss jeder Schritt, jeder Handgriff sitzen.“ Und es müsse die Zusammenarbeit untereinander klappen. Die in den Trainingseinheiten erlernten Pläne zur Lokalisierung eines bewaffneten Täters und dem „Unschädlichmachen“ desselben müssten alle im Kopf haben und jederzeit abrufen können.

Ein eigenes Trainingszentrum für derartige Einsatzszenarien gibt es in München und Umgebung nicht – sehr zum Bedauern des Oberschleißheimer Polizeichefs und seiner Kollegen. Der Bedarf sei zwar seit Langem bekannt, aber bislang habe man nicht einmal einen geeigneten Standort im Auge, beklagt der 62-Jährige. Deshalb seien er und seine Belegschaft froh, dass die Schulleitungen in Unterschleißheim der Inspektion ihre Häuser in den Ferien zur Verfügung stellten.

Bei den Übungen sind immer mehrere Polizeieinsatztrainer des Münchner Präsidiums dabei. Sie tragen weiße Westen und geben die Kommandos. Zunächst werden die Beamtinnen und Beamten „entmunitioniert“, wie Stefan Schraut sagt. Das heißt, sie geben ihre scharfen Waffen ab und greifen sich Pistolen mit Platzpatronen. Darauf werde peinlichst genau geachtet, denn auch bei den Aktionen sei „Sicherheit das oberste Gebot“. Die Trainer leiten nicht nur die verschiedenen Durchläufe, sondern bringen laut Schraut überdies die neuesten Erkenntnisse mit, was das taktische Vorgehen anbelangt. Am Ende sind sie es auch, die den simulierten Einsatz bei einer fiktiven Großlage in einem Gebäude auswerten.

Neben dem Ziel, für den Ernstfall optimal gewappnet zu sein, dienen solche Übungen dazu, „dass sich die Einsatzkräfte besser kennenlernen“, wie Schraut sagt. Schließlich müssten sich die Polizistinnen und Polizisten bei Einsätzen blind aufeinander verlassen können, vor allem dann, wenn es beispielsweise zu Alarmierungen an Schulen oder an Bahnhöfen kommt. Von Dienstag bis Freitag trainiert die Münchner Polizei im Bereich der U-Bahn-Station Fröttmaning jeweils von 8 bis 14 Uhr, was zu tun ist, wenn es eine „lebensbedrohliche Einsatzlage“ gibt. Auch hier kann es wegen der Platzpatronen laut werden.

Die Aktion in der Unterschleißheimer Mittelschule hat Angela Springel geplant, die Vorbereitungen haben gut vier Monate gedauert. Die junge Polizeiobermeisterin kommt am Montag in der Früh gut gelaunt zum Gebäude – mit dabei hat sie zwei Großpackungen mit Gummibärchen, als Nervennahrung für die Teilnehmenden. „So etwas kann man gut gebrauchen“, sagen der Polizeichef und seine Kollegin Andrea Obst übereinstimmend. Ein solches Training könne ziemlich anstrengend sein, weil es absolute Konzentration erfordert. „Da kommst du schon ins Schwitzen“, erzählt Schraut. Mittags erreicht man ihn im Auto am Telefon, um zu hören, wie die ersten Durchgänge der Einsatzübung gelaufen sind. „Die Rückmeldungen sind positiv“, sagt der Inspektionsleiter, das Training sei in jedem Fall „gewinnbringend“ gewesen.





















