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Rente im Wahl-Check: Wer von welcher Partei profitiert und wer verliert | ABC-Z

Die Bundestagswahl entscheidet, wer die Kosten des überlasteten Rentensystems zahlt: Sinkt das Rentenniveau und Rentner werden ärmer? Oder steigen die Beiträge und Angestellten bleibt weniger Netto? Die Tendenz der Parteien scheint klar.

Die Ausgangslage: Rentner oder Beitragszahler – einer verliert

Die deutsche Rente steht vor einem Dilemma: 

  • Die Lebenserwartung ist in den vergangenen Jahrzehnten deutlich gestiegen.
  • Die Menschen in Deutschland bekommen weniger Kinder.
  • Also stieg die Zahl der Rentner schneller als die Zahl der Beitragszahler. Angestellte zahlen daher deutlich höhere Beiträge als vor einigen Jahrzehnten, Rentner erhalten im Vergleich zum Durchschnittseinkommen dennoch weniger Geld.
  • Langfristig droht die Rente unfinanzierbar zu werden. Bis 2038 steigen die Löhne um 50 Prozent, die Rentenkosten aber um 75 Prozent. Die Beiträge reichen dann noch weniger um die Rentner zu bezahlen.
  • Das Statistische Bundesamt rechnet bis ins Jahr 2060 mit bis zu zehn Millionen Erwerbspersonen weniger in Deutschland. Weniger Beitragszahler heißt höhere Beiträge pro Beitragszahler.

Entweder müssen also Rentner künftig kürzertreten oder die Beitragszahler mehr zahlen. Oder eine Mischung aus beidem. Parteien sollten in ihren Wahlprogrammen erklären, wie sie diesen Konflikt lösen.

Lange teilten Bundesregierungen die Kosten der alternden Bevölkerung zwischen Rentnern und Angestellten auf: Die Beiträge stiegen, aber die Renten sanken verglichen mit dem Durchschnittseinkommen ebenfalls. Die Ampelkoalition ändert diesen Ansatz, indem sie das Rentenniveau bei 48 Prozent festschrieb. Die neue Regierung muss entscheiden, ob sie diesen Ansatz fortführt oder verändert.

Die Optionen: Niedrigere Rente, höhere Beiträge oder späterer Eintritt

Grundsätzlich kann die neue Regierung vier Dinge tun, um die Rentenprobleme zu lösen:

  1. Renteneintritt verschieben: Gehen Angestellte später in den Ruhestand, sinkt die Zahl der Rentenempfänger und die Zahl der Beitragszahler steigt. Das verringert das Ungleichgewicht. Experten fordern daher, den Renteneintritt an die Lebenserwartung zu koppeln.
  2. Rentenniveau sinken lassen: Wer in die Rentenversicherung eingezahlt hat, hat Ansprüche erworben, wie bei jeder Versicherung. Senken kann die Regierung die Rente daher praktisch nicht. Sie könnte sie aber schwächer als bislang anheben. Steigen die Löhne schneller als die Beiträge, entlastet dies die Beitragszahler.
  3. Rentenbeiträge anheben: Zahlen Angestellte höhere Beiträge, kann der Staat Rentnern weiter gleichbleibende Bezüge zahlen.
  4. Private Vorsorge stärken oder zuverdienen: Ist die gesetzliche Rente nicht zu retten, bleibt die Selbsthilfe: 1) Rentner können nebenher arbeiten. 2) Rentner können privat vorsorgen, etwa indem sie einen ETF besparen. Sind sie im Alter weniger auf die Rente angewiesen, senkt das senkt den Druck auf die Bundesregierung, die Renten weiter zu erhöhen. Es gibt aber Probleme: 1) Einige Menschen können im Rentenalter nicht mehr arbeiten. 2) Sollen Angestellte mehr für später zurücklegen, muss die Politik sie motivieren und erklären, wo das Geld herkommen soll.

Die Parteien müssen in ihren Wahlprogrammen klären, welchen Weg sie hier einschlagen wollen.

CDU/CSU: Mehr private Rentenvorsorge, aber offene Fragen

  1. Renteneintritt: Bleibt bei 67 Jahren. Langjährige Versicherte sollen weiter nach 45 Beitrittsjahren in Rente gehen können (sogenannte Rente mit 63).
  2. Private Vorsorge/Zuverdienst: Arbeitende Rentner können zusätzlich zum Steuerfreibetrag 1000 Euro monatlich steuerfrei hinzuverdienen. Kinder erhalten vom Staat im Alter von sechs bis 18 Jahren jeden Monat zehn Euro in ein Kapitalmarktdepot, das sie an die Eigenvorsorge gewöhnen soll – die sogenannte Frühstart-Rente. Die betriebliche Altersvorsorge soll gestärkt werden.
  3. Rentenniveau: Soll stabil bleiben.
  4. Rentenbeiträge: Sollen ebenfalls stabil bleiben. Den Widerspruch, Beiträge und Rente nicht gleichzeitig stabil halten zu können, will die Union laut ihrem Wahlprogramm durch mehr Wirtschaftswachstum auflösen.

Einordnung: Der Plan der Union geht nicht auf, bemängelt Marcel Thum, Leiter der Dresdner Niederlassung des Ifo-Instituts: 

  • Wirtschaftswachstum könne die Rente nicht retten. Dadurch steigen zwar die Beiträge, aber auch die Auszahlungen. Die Finanzierungslücke bleibt.
  • Mehr betriebliche und private Vorsorgeentlasten die Rentenkassen erst ab 2070. Die Finanzierungsprobleme treten deutlich früher ein.

Fazit: Langfristig könnten die Pläne der Union die Rentenkasse entlasten. Kurzfristig bleiben CDU und CSU aber eine Antwort schuldig, wer die Kosten der alternden Bevölkerung trägt.

Wer profitiert? Unklar, weil zu vage.

Wer verliert? Unklar, weil zu vage.

Über die Serie: FOCUS online Wahlcheck

Die Stimmung im Wahlkampf ist aufgeladen. Vor lauter persönlichen Angriffen und Grundsatzdebatten drohen die Inhalte in den Hintergrund zu treten. In einer Serie nimmt FOCUS online fünf Wirtschaftsthemen mit direkten Auswirkungen auf die Wählerschaft genauer unter die Lupe und zeigt, was sich im jeweiligen Feld unter welcher Partei ändern würde.

AfD: Massive Rentenerhöhung ohne Chance auf Finanzierung

  1. Renteneintritt: Angestellte sollen weiter nach 45 Beitragsjahren abschlagsfrei in Rente gehen können (Rente mit 63). Das Eintrittsalter soll allerdings „flexibilisiert“ werden. Was das genau heißt, sagt die AfD nicht.
  2. Private Vorsorge/Zuverdienst: Rentner sollen knapp 2000 Euro monatlich steuerfrei hinzuverdienen dürfen.
  3. Rentenniveau: Die AfD will das Rentenniveau auf 70 Prozent des letzten Nettoeinkommens steigern. Das entspräche rund einem Drittel an Zusatzausgaben in einer ohnehin überlasteten Rentenversicherung.
  4. Rentenbeiträge: Die AfD will diese immensen Zusatzausgaben finanzieren, indem sie auch Beamte und Politiker in die Rentenkasse einzahlen lässt. Verbleibende Lücken will sie aus der Steuerkasse decken.

Einordnung: 

Der Vorschlag der AfD verschärft das ohnehin größte Problem des Bundeshaushalts, urteilt das Ifo-Institut: Knapp ein Drittel aller Ausgaben fließen derzeit in Zuschüsse zur Rentenversicherung. Nach dem AfD-Modell stiege dieser Betrag massiv. Weil die AfD aber gleichzeitig Steuersenkungen verspricht, kann diese Rechnung nicht aufgehen. Schulden darf sie nicht machen, weil sie an der Schuldenbremse festhalten will.

Auch die Pläne der AfD zur Gegenfinanzierung decken die Kosten nicht ansatzweise. Zahlen auch Politiker und Beamte in die Rentenversicherung ein, sei der Effekt „vernachlässigbar“, urteilt das Ifo-Institut. Es gibt einfach zu wenige.

Fazit: Der AfD-Vorschlag ist nicht realistisch umsetzbar.

Wer verliert? Alle. Entweder setzt die AfD ihren Plan nicht um und das Rentenproblem verschärft sich. Oder sie beschließt ihn trotz aller Probleme und erhöht die Steuern drastisch.

SPD: Gleiche Rente, höhere Beiträge

  1. Renteneintritt: Kein späterer Renteneintritt. Angestellte mit 45 Beitragsjahren sollen weiter abschlagsfrei zwei Jahre früher in Rente gehen dürfen (Rente mit 63).
  2. Private Vorsorge/Zuverdienst: Angestellte dürfen nach dem Renteneintritt auch bei ihrem bisherigen Arbeitgeber weiterarbeiten (Vorbeschäftigungsverbot entfällt). Staatliche Förderung für private Altersvorsorge vor allem für die, die sich das sonst nicht leisten könnten.
  3. Rentenniveau: Die SPD will das Rentenniveau bei 48 Prozent halten.
  4. Rentenbeiträge: Gleiches Rentenniveau und gleiche Lebensarbeitszeit – das bedeutet, die Rentenbeiträge müssen mit der SPD steigen. Laut Berechnungen des Ifo-Instituts steigt der Beitragssatz bis 2045 um 1,5 Prozentpunkte auf 22,7 Prozent des Bruttolohns. 

Einordnung: Die SPD bürdet die Kosten der Alterung ausschließlich den Angestellten auf, urteilt Marcel Thum, Leiter der Dresdner Niederlassung des Ifo-Instituts. Diese begründen die Sozialdemokraten damit, dass auch Angestellte irgendwann in den Ruhestand gehen und dann von höheren Renten profitieren. Bis dahin bleiben ihnen durch die höheren Beiträge allerdings weniger Sparmöglichkeiten.

Fazit: Wähler müssen selbst entscheiden, ob sie den SPD-Plan gerecht finden. Im Gegensatz zu den Vorschlägen der Union und besonders der AfD ergibt er aber wenigstens rechnerisch Sinn.

Wer profitiert? Rentner.

Wer verliert? Angestellte.

Grüne: Gleiche Renten, gleiches Rentenalter und ein Finanzierungsproblem

  • Renteneintritt: Rentenalter von 67 nicht antasten. Rente mit 63 bleibt.
  • Private Vorsorge: Höhere Freibeträge für Kleinsparer, Förderungen für niedrige und mittlere Einkommen.
  • Rentenniveau: Die Grünen wollen das Rentenniveau bei 48 Prozent halten und zur Absicherung einen Bürgerfonds einführen. Eine Garantie-Rente nach 30 Beitragsjahren soll viele Menschen besserstellen.
  • Rentenbeiträge: Gleiches Rentenniveau und gleiche Lebensarbeitszeit – dafür brauchen auch die Grünen mehr Rentenbeiträge. Die will die Partei auftreiben, indem mehr Leute in die Sozialkasse einzahlen: Mehr Frauen, die Vollzeit arbeiten, mehr qualifizierte Zuwanderer, auch Beamte, Politiker und nicht anderweitig abgesicherte Selbstständige.

Einordnung: Mütter schneller in Vollzeitjobs zu bringen, senkt deren Risiko für Altersarmut. Der Rentenkasse nützt es langfristig nichts: Die Frauen zahlen jetzt mehr ein, erhalten dafür aber später mehr Rente. Die Effekte gleichen sich aus. Gleiches gilt, wenn zum Beispiel auch Selbstständige in die Rentenkasse einzahlen. Private Vorsorge und eine am Aktienmarkt gestützte Rente entlasten die Rentenkasse erst in Jahrzehnten.

Fazit: Wahrscheinlich steigen auch mit dem Grünen-Konzept die Rentenbeiträge. Die Partei sagt dies zwar nicht klar, aber rechnerisch bleibt kaum ein anderes Ergebnis.

Wer verliert? Angestellte.

BSW: Massive Rentenerhöhung, unmögliche Finanzierung

  • Renteneintritt: Rentenalter bleibt unverändert, abschlagsfreie Frührente nach 45 Beitragsjahren (Rente mit 63).
  • Private Vorsorge: Nein.
  • Rentenniveau: Mindestens 75 Prozent des letzten Einkommens. Außerdem eine Mindestrente (1500 Euro nach 40 Beitragsjahren, 1300 Euro nach 30 Jahren und 1200 Euro nach 15 Jahren). Sofortige Rentenerhöhung von 120 Euro für alle.
  • Rentenbeiträge: Keine Aussage.

Einordnung: Tobias Hentze, Experten für Staatsfinanzen vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW), schätzt gegenüber der Frankfurter Rundschau, dass die BSW-Rentenpläne den Bund jährlich fast so viel kosten wie das Bürgergeld: rund 35 Milliarden Euro.

Woher das Geld kommen soll, erklärt das BSW nicht. Entweder müssten die Beiträge deutlich steigen oder im Bundeshaushalt bliebe wenig Geld für andere Ausgaben.

Fazit: Ähnlich der AfD verspricht das BSW Rentenerhöhungen, die nach derzeitigem Stand unfinanzierbar scheinen. Entweder die Partei setzt den Vorschlag nicht um oder sie verursacht erhöht Steuern und Rentenbeiträge immens.

FDP: Kaum Aussagen zur Rente, keine kurzfristigen Antworten

  • Renteneintritt: Flexibler Renteneintritt: Je später jemand in Rente geht, desto höher die monatlichen Bezüge – je früher jemand in Rente geht, desto niedriger die Bezüge.
  • Private Vorsorge: Staatlich gefördertes Rentendepot.
  • Rentenniveau: Soll durch die private Aktienrente langfristig steigen. Keine Aussage zur gesetzlichen Rente.
  • Rentenbeiträge: Keine Aussage.

Einordnung: Die FDP-Pläne bleiben so vage, dass das Ifo-Institut sie gar nicht bewertet. „Die FDP hält sich mit konkreten Vorschlägen und Versprechungen zur Rente bisher zurück“, schreiben die Experten. Das staatlich geförderte Rentendepot könnte Probleme lösen, aber erst in Jahrzehnten. 

Fazit: Die FDP bleibt eine Antwort schuldig, wer die kurzfristigen Lasten des Rentensystem trägt.

Wer profitiert? Unklar, weil zu vage.

Wer verliert? Unklar, weil zu vage.

Fazit: Wahrscheinlich tragen Beitragszahler die Kosten

„Alle größeren Parteien sind offensichtlich darum bemüht, mögliche Belastungen für die Rentnerinnen und Rentner zu vermeiden und stattdessen die Last auf die aktuellen und kommenden Beitragszahler zu verlegen“, sagt Joachim Ragnitz, stellvertretender Leiter der ifo Niederlassung Dresden. Sie verschwiegen aber, dass dies nur steigende Beiträge und/oder Steuern bedeutet. Die Interessen der jüngeren Generation blieben systematisch unberücksichtigt.

Heißt: Die Renten steigen nach der Bundestagswahl weiter ähnlich wie die Löhne. Rentner werden dadurch im Vergleich zur übrigen Bevölkerung weder reicher noch ärmer. Die übrige Bevölkerung muss aber einen größeren Teil ihres Einkommens an den Staat abgeben, um diese Renten zu finanzieren. 

Die Pläne der Parteien unterscheiden sich vor allem in zwei Punkten:

  1. Finanzierbarkeit: Der SPD-Ansatz ist möglich. Grüne und CDU sprechen die für ihre Ideen nötigen Beitragserhöhungen nicht aus. AfD und BSW versprechen Unmögliches.
  2. Feinheiten bei den langfristigen Plänen wie privaten Zusatzrenten. 

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