Wie Segler Boris Herrmann im Boot schläft | ABC-Z

Er hat sogar das Schlafen trainiert, immer wieder. Ein Schlafforscher hat Boris Herrmann beigebracht, wie er bei extremen Belastungen, wie sie während der Weltumseglung bei der Vendée Globe herrschen, auch dann erholt sein kann, wenn er nur wenig und in kurzen Intervallen schläft.
„Wenn es sehr irreguläre Bedingungen gibt mit wechselhaften Winden, dann kann es sein, dass ich nur 20 Minuten schlafe“, sagte Herrmann in dieser Woche. „Dann stelle ich mir die Alarme ein, für Winddrehungen, für Windzunahme oder wenn meine Solarperformance niedrig ist.“ Gibt es ein Problem, verändern sich die Bedingungen, wird Herrmann von einem schrillen Ton aus dem Schlaf gerissen.
Auch dann reduziert Herrmann das Tempo nicht
Wann der passende Zeitpunkt für ein bisschen Ruhe ist, bestimmt vor allem das Wetter. Stimmen die Windbedingungen, übernimmt der Autopilot das Steuer und verschiedene Warnsysteme die Kontrolle über die Yacht – bei vollem Tempo. Denn Herrmann reduziert auch dann nicht die Geschwindigkeit seiner „Malizia-Seaexplorer“-Yacht, wenn er sich einmal zur Ruhe legt. „Im Prinzip“, sagte er, „versucht man schon, das Optimum rauszuholen.“
In den vergangenen Wochen hat Herrmann Tage mit wenig Schlaf erlebt, weil am Boot immer wieder etwas kaputtging. Die Strapazen waren ihm anzusehen. Aber nun sagte er: „Der Indische Ozean verhält sich sehr friedvoll uns gegenüber. Ich konnte mich erholen. Es gab jetzt über eine längere Strecke keine bösen Überraschungen, keine größeren Schäden oder Schreckmomente.“
Seit 33 Tagen sind Herrmann und die anderen 37 verbliebenen Teilnehmer unterwegs, als Zehnter hat der 43 Jahre alte Segler am Donnerstagabend das Kap Leeuwin, den südwestlichsten Punkt des australischen Festlands, passiert. „Das ist für mich schon ein großer Meilenstein“, sagte er. An Bord gab es eine kleine Feier – mit einem kleinen Schluck für ihn selbst und einem als Opfergabe für den römischen Meeresgott Neptun. Richtung Osten segelt Herrmann nah an der antarktischen Exklusionszone, rund 1200 Seemeilen trennten ihn am Freitagvormittag vom Führenden Charlie Dalin (Macif Santé Prévoyance), der weiterhin ein enormes Tempo anschlägt.
Vor vier Jahren, Ende Januar 2021, bei seiner ersten Teilnahme an der Vendée Globe, erlebte Herrmann, was passieren kann, wenn der Mensch ruht und die Systeme nicht funktionieren. Im Schlaf war er damals mit einem Fischkutter kollidiert. Nur noch etwa 90 Seemeilen, ein paar Stunden, trennten ihn vom Ziel, als keines der Warnsysteme an Bord Alarm schlug und das passierte, was der Deutsche einen „Albtraum“ nannte. „Ich habe geschlafen, bin aufgewacht und habe den Fischtrawler wie eine große Wand vor mir gesehen“, sagte Herrmann. „Ich bin mehrmals dagegen gestoßen, konnte dann aber weiterfahren. Das war ein Schock.“
Mit Blick auf die Wettervorhersagen für die kommenden Tage dürften die Ruhephasen für Herrmann spätestens von Montag an wieder weniger werden. Südlich von Neuseeland wird ein Sturm mit Winden von bis zu 50 Knoten erwartet. „Wünschen Sie uns also Glück, wenn Sie ins Büro gehen“, sagte Herrmann in einer Videobotschaft. Glück. Und ein bisschen Schlaf.
Die Vendée Globe gilt als die härteste Regatta für Einhandsegler. Sie begann am 10. November an der französischen Atlantikküste und führt entlang des Südpolarmeeres einmal um den Globus. Der Hamburger Boris Herrmann zählt bei seiner zweiten Teilnahme zu den Favoriten.