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München: Ausstellung über das Artensterben – München | ABC-Z

Mehr als zwei Meter hohe Bambuskonstruktionen begrüßen die Besucher. Wie riesige Grashalme stehen sie im Raum verteilt in der Ausstellung „Land.schafft.Klang“ im Museum Mensch und Natur. Wandert man zwischen den langen Stäben umher, fühlt es sich an, als wäre man in etwa auf die Größe eines Feldhasen geschrumpft. Immer wieder zirpen, zwitschern oder grummeln Tierstimmen aus den Lautsprechern und lassen die Ausstellung lebendig wirken, bringen das Gefühl, in der Natur zu sein, nahe an die Besucherinnen und Besucher heran.

Für menschliche Ohren mögen die Geräusche der Natur oft willkürlich und chaotisch erscheinen. Doch nach der Ausstellungsinitiatorin Lioba Degenfelder verbirgt sich hier ein ausgeklügeltes System. „Um möglichst gut gehört zu werden, suchen Tiere sich zeitliche und klangliche Nischen“, sagt die Umweltingenieurin.

Manche Tiere sind die Piccoloflöten, andere die Bässe

In der Folge würden Tiere ähnlich agieren wie ein Orchester. „Manche sind die Piccoloflöten, manche die Bässe. Wenn wir Klänge verlieren, verlieren wir ganze Instrumentengruppen aus dem Orchester der Tiere.“ Über die Klänge nähert sich die Ausstellung dem Thema der Artenvielfalt und dem damit einhergehenden Verlust in bayerischen Agrarlandschaften.

„Wiesen sind die Regenwälder Europas“, erklärt Degenfelder. „Kaum ein anderer Lebensraum beherbergt so viele verschiedene Tierarten“. Über zehn Themeninseln hinweg spannt die Ausstellung einen Bogen von den Erkenntnissen der Klangökologie bis hin zur Erdgeschichte von Wiesen. Jede der Inseln präsentiert wichtige Informationen, Bilder und teils Tonaufnahmen zum jeweiligen Thema.

Über Kopfhörer können Besucher nachhören, wie sich etwa das „Konzert“ einer Feuchtwiese von dem einer Bergwiese unterscheidet. Die Aufnahmen stammen von Charles Kenwright, der sie als sogenannter Fieldrecorder aufgezeichnet hat. Deutlich bemerkbar macht sich hier auch der Einfluss der Agrarindustrie auf die Artenvielfalt. So ist die Aufnahme einer intensiv bewirtschafteten „Vielschnittwiese“ alarmierend ruhig.

Immer mehr Arten sterben aus. Streuobstwiesen bieten vielen Tieren einen Lebensraum wie diesem Falter hier. (Foto: Charles Kenwright)

„Letztlich ist es eine Ausstellung über das Artensterben“, sagt der Gestalter Alfred Küng. Zusammen mit Katharina Kuhlmann hat er die umstehenden Bambuskonstruktionen geschaffen. Um einen noch emotionaleren Zugang zu schaffen, laden Evi Keglmaier und Mirijam Streibl mit einer akustischen Collage aus Wiesenklängen und Musik zu einer immersiven Wiesenerfahrung ein.

Keglmaier, die durch Musikprojekte mit den Zwirbeldirn und der Hochzeitskapelle bekannt wurde, hat zum einen ein „Requiem für verschwundene Arten“ komponiert. Dafür nutzt sie Aufnahmen von gefährdeten oder ausgestorbenen Tieren. Die Ausstellungsmacher laden die Besucher für dieses Hörerlebnis ein, auf einer Gebetsbank niederzuknien – eine eindrucksvolle Demutsgeste des Menschen gegenüber der Natur.

Das zweite Stück hingegen feiert die Vielfalt auf bayerischen Wiesen und lässt die Stimmen noch vorhandener Tierarten einfließen. Teilweise ist gar nicht so leicht zu erkennen, welche Klänge dabei von Tieren und welche von Instrumenten stammen. Eindrücklich demonstrieren die Werke von Keglmaier, dass Tiere nicht „nur“ Geräusche machen – wie wir Menschen kommunizieren sie, verschaffen sich durch ihren Klang Beachtung, gehen auf Partnersuche, sichern ihr Überleben und sind ein Zeichen der Artenvielfalt.

Auch deshalb ist es ein großer Verlust, dass immer mehr Tierarten verstummen. Um die Kostbarkeiten der Natur und ihrer Bewohner mehr schätzen zu lernen, wäre es wichtig, dass der Mensch mehr hinhört. Vielleicht, indem er sich gelegentlich in die Perspektive eines Feldhasen versetzt.

Land.schafft.Klang, bis 9. November 2025, Museum Mensch und Natur

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