Was die Musik der Volkswirtschaft bringt | ABC-Z

Mit Musik kommt jeder fast täglich in irgendeiner Weise in Kontakt. Sei es durchs Radio hören, streamen, den Besuch in einem Platten-, Instrumentenladen oder eines Konzerts oder eben quasi nebenbei auf dem Weg durch ein Einkaufszentrum, in einem Café oder beim Friseur.
Hinter dieser Omnipräsenz steht eine weit verzweigte Branche mit mitunter sehr komplexen Verästelungen und Geldflüssen, die den Konsum und die Aufführung von Musik regeln. Das unterstreicht auch der Blick auf die Auftraggeber einer neuen Studie zur volkswirtschaftlichen Bedeutung der deutschen Musikwirtschaft: Gleich acht Verbände aus der Live-Welt, dem Verlags- und Label-Geschäft, Instrumentenhandel und auch jener der Künstlermanager finden sich darunter sowie die beiden Verwertungsgesellschaften GEMA und GVL.
Umsatz in Höhe von 17,4 Milliarden Euro
Die Kerndaten der am Mittwoch im Rahmen des Reeperbahn Festivals in Hamburg vorgestellten Studie lesen sich durchaus beachtlich: Auf einen Umsatz in Höhe von 17,4 Milliarden Euro kam die hiesige Musikbranche demnach im vergangenen Jahr. Die Bruttowertschöpfung lag bei 6,6 Milliarden Euro und insgesamt arbeiteten den Daten zufolge rund 155.900 Menschen in der Branche. 2019, dem letzten von den Auswirkungen der Corona-Pandemie unbeeinflussten Jahr, habe der Umsatz noch 14,8 Milliarden Euro betragen, die Bruttowertschöpfung 5,5 Milliarden Euro.
Zudem sei die Musikwirtschaft sehr unabhängig von anderen Wirtschaftszweigen, etwa 80 Prozent an Vorleistungen stammten von anderen Unternehmen aus der Branche, beispielsweise in der Autoindustrie betrage dieser Wert lediglich 44 Prozent, heißt es in der Studie. Die Zahl der Beschäftigten legte im Vergleich zu Umsatz und Wertschöpfung derweil nur überschaubar zu, es waren Ende des vergangenen Jahres lediglich rund 5000 mehr als noch 2019.
Daten darüber, wie viel die einzelnen Teilbereiche zum Umsatz in Höhe von 17,4 Milliarden Euro beisteuerten und wie hoch etwa Überschüsse ausfielen, wurden zunächst nicht vorgelegt. Die komplette Studie soll im Dezember veröffentlicht werden. Zu einigen Bereichen liegen allerdings Daten vor: So betrug der Umsatz auf dem deutschen Markt für Musikaufnahmen im vergangenen Jahr 2,21 Milliarden Euro – ein Plus von 6,3 Prozent gegenüber dem Vorjahr.
Stark gestiegene Kosten für Konzerte
Der Umsatz im Live-Bereich fiel noch einmal deutlich höher aus. Johannes Everke, Geschäftsführer des Bundesverbands der Konzert- und Veranstaltungswirtschaft (BDKV), nannte im Rahmen der Vorstellung der Studie die Summe 5,6 Milliarden Euro, während Daniel Knöll, Geschäftsführer des Dachverbandes der Musikinstrumenten- und Musikequipment-Branche (SOMM – Society Of Music Merchants) für seinen Bereich von einem Umsatz in Höhe von 2,86 Milliarden Euro sprach.
Allerdings wies unter anderem Everke auf die seit der Pandemie erheblich gestiegenen Kosten für die diversen Gewerke hin. Erfolgsmeldungen von ausverkauften Festivals und Tourneen von Stars dürften nicht darüber hinwegtäuschen, dass Shows von kleinen und mittleren Künstler teils zum Verlustgeschäft geworden seien. Gerade diese Künstler können die gestiegenen Kosten auch nur schwer komplett über die Ticketpreise weitergeben, während bei den Stars der Branche Preise von mitunter deutlich mehr als 100 Euro oft kein Problem für den Ticketverkauf darstellen. Gleichzeitig ist das Budget mancher Musikfans mit einigen wenigen größeren (und teureren) Konzerten schneller verbraucht.
Mehreinnahmen für Kommunen durch Tourneen
Im Rahmen der Studie wurden auch die sogenannten „Ausstrahlungseffekte“ der Branche untersucht. Also Einnahmen, die maßgeblich in Zusammenhang mit Musik stehen, aber eben nicht von der Branche selbst erwirtschaftet werden. Insgesamt seien so im vergangenen Jahr knapp 28 Milliarden Euro zusammengekommen. Der kleinste Teil (2,8 Milliarden Euro) wird dem Kauf von Audio-Equipment zugeschrieben, 12,8 Milliarden Euro den Einnahmen aus der Vermarktung von „audiovisuellen Medienprodukten mit Musikinhalten“. Darunter zählen etwa Werbung im Radio oder Fernsehen, Videostreaming-Abos, aber auch die Einnahmen mit Kinofilmen oder Computerspielen. Der Musiktourismus steuerte der Studie zufolge 11,7 Milliarden Euro bei.
Gerade bei großen Touren, die Zehntausende in die jeweiligen Konzertorte locken, wird stets auf die Einnahmen für die lokale Wirtschaft verwiesen. Zuletzt geschah das allen voran bei Taylor Swifts „Eras Tour“, wo mitunter gar ihr Beitrag zum BIP angeführt wurde.
Keine Tour, aber ebenso ein Event mit großer Strahlkraft waren die zehn Konzerte von Adele im August in München. In der bayerischen Landeshauptstadt standen laut Schätzung des städtischen Wirtschaftsreferenten Clemens Baumgärtner (CSU) so rund eine halbe Milliarde Euro an Ausgaben im lokalen Einzelhandel und der Gastronomie sowie Hotels mit den Konzerten in Zusammenhang. Für die von Leutgeb Entertainment und dem Weltgrößten Live-Entertainment-Konzern, Live Nation , veranstalteten Konzerte war auf dem Messegelände ein temporäres Stadion samt einer Adele-Erlebniswelt aufgebaut worden. Insgesamt wurden 730.000 Tickets verkauft.
Andere Methodik im Vergleich zu älteren Studien
Die vom Land Hamburg und dem Bund geförderte Studie basiert auf einer Online-Befragung von 1627 Selbständigen und Unternehmen, die von April bis Juli dieses Jahres durchgeführt wurde. Diese Gruppe erwirtschaftete den Daten zufolge zusammen einen Umsatz in Höhe von rund 3,1 Milliarden Euro. In einem zweiten Schritt seien die Ergebnisse „mit Daten der amtlichen Statistik, wie der Umsatzsteuerstatistik, Daten der Künstlersozialkasse, weiteren Studien und öffentlich verfügbaren Geschäftsberichten von relevanten Unternehmen“ der Branche hochgerechnet worden, schreiben die Studienautoren des Beratungsunternehmens Oxford Economics.
Im Vergleich zu den Studien aus den Jahren 2015 und 2019 seien „methodische Veränderungen“ vorgenommen worden, die stellenweise eine Neuberechnung von Werten notwendig gemacht haben. Dadurch erklären sich beispielsweise auch die Abweichungen hinsichtlich des Gesamtumsatzes 2019: Geht die aktuelle Studie von 14,8 Milliarden Euro aus, war in der 2020 vorgestellten Auswertung von 13,6 Milliarden Euro die Rede. Berücksichtigt wurden für die Auswertung nur private Unternehmen, Daten von öffentlich geförderten Musikschulen, Theatern oder Orchestern flossen nicht ein.