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Saquon Barkley als Mann fürs Undenkbare | ABC-Z

Als er den Ball unter seinen Fingern spürt, bewegen sich seine Beine beinahe automatisch. Er macht einen Schritt, dann noch einen, dann noch einen, rechts am ersten Gegenspieler vorbei, dann rauscht der zweite heran. Eine kurze Körpertäuschung nach rechts, eine Drehung um die eigene Achse nach links, weiter geht’s. Der nächste Gegenspieler steht vor ihm, von rechts und links rauschen weitere heran. Dann geschieht das schier Undenkbare.

Saquon Barkley, Runningback der Philadelphia Eagles in der National Football League (NFL), macht noch einen Schritt, einen kleinen, dreht seinen Körper um 90 Grad nach rechts, geht leicht in die Knie – und hebt ab.

In der Luft dreht er sich weiter, und als wäre das alles, diese so flüssig und perfekt getimt wirkende Bewegung, im Programmiercode eines Computerspiels entstanden, fliegt er mit nach oben gezogenen Beinen rückwärts über seinen Gegenspieler. Unmöglich in der NFL, eigentlich. Nach der Landung macht er noch einen Schritt, und noch einen, erst dann bekommen ihn zwei Gegenspieler zu packen und stürzen ihn mit voller Wucht zu Boden. Es war die Szene der Saison.

„Habe so etwas noch nie gesehen“

Barkley, 27 Jahre alt, 1,83 Meter groß und 105 Kilogramm schwer, ist ein Ausnahmeathlet. Mit seinem „no-look reverse hurdle“, wie die Aktion in den sozialen Medien schnell genannt wurde, versetzte er die gesamte Football-Welt in helle Aufregung. „Ich habe so etwas noch nie gesehen. Ich hätte nie gedacht, dass jemand so etwas versuchen würde. Ich hätte nie gedacht, dass jemand so etwas versuchen könnte“, sagte etwa der renommierte NFL-Journalist Rich Eisen.

Und Barkleys Cheftrainer bei den Eagles, Nick Sirianni, musste bei der Pressekonferenz nach dem 28:23-Sieg über die Jacksonville Jaguars im November mehrmals ansetzen, ehe ihm kopfschüttelnd einige wenige Worte einfielen, mit denen er diese Aktion beschreiben konnte: „Das war das beste Play, das ich jemals gesehen habe.“

In der Nacht zu diesem Montag (0.30 Uhr MEZ bei RTL und DAZN) betritt Barkley mit den Philadelphia Eagles nun die größte Bühne, die dieser Sport zu bieten hat. Gegen die Kansas City Chiefs spielt er um den Sieg im Super Bowl, und Barkley, so viel steht fest, wird der Spieler sein, der diese Partie entscheiden kann.

Um kaum einen anderen Spieler herrschte in New Orleans, wo das Finale um den NFL-Titel in diesem Jahr stattfindet, in dieser Woche so viel Aufregung, kaum ein anderer zog so viel Aufmerksamkeit auf sich wie Barkley. Der für viele Experten beste Runningback der Liga spielte eine herausragende Saison, verpasste mit insgesamt 2005 Yards Raumgewinn den lange als unerreichbar geltenden NFL-Rekord von Eric Dickerson über 2105 Yards aus der Saison 1984/85 nur knapp.

„Ein außergewöhnlicher Spieler“

Für die Eagles produzierte er ein Highlight nach dem anderen, bei Weitem nicht nur den Sprung über einen Gegenspieler, bei dem er den Verteidigern seinen Rücken zuwendete und damit rechnen musste, heftig getroffen und womöglich sogar verletzt zu werden. Im Play-off-Halbfinale gegen die Washington Commanders etwa gelangen ihm drei Touchdowns, in der Woche zuvor gegen die Los Angeles Rams unter anderem ein spektakulärer 78-Yard-Lauf in dichtem Schneetreiben. „Er hatte so viele gute Runs in dieser Saison“, sagte Sirianni, „ich könnte jetzt einen nach dem anderen aufzählen und damit ewig weitermachen. Er ist einfach ein außergewöhnlicher Spieler.“

Barkley, der im vergangenen Sommer von den erfolglosen New York Giants nach Philadelphia wechselte, war die Schlüsselverpflichtung für das Team, das bereits vor zwei Jahren im Super Bowl gestanden hatte. Auch damals waren die Chiefs der Gegner. Kansas City gewann, knapp und kurz vor Schluss, die Eagles gingen leer aus. Nach einem frühen Play-off-Aus in der vergangenen Saison soll es nun in diesem Jahr für den ganz großen Triumph reichen.

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Auch wenn die Chiefs mit Quarterback Patrick Mahomes leicht favorisiert sind, werden Philadelphia durchaus Chancen zugerechnet; nicht zuletzt wegen Barkley, der hervorragend mit Spielmacher Jalen Hurts harmoniert. „Wir waren einfach nicht gut genug“, sagte Teambesitzer Jeffrey Lurie in dieser Woche über die schmerzhafte Super-Bowl-Niederlage vor zwei Jahren. „Aber wir haben unsere Schwächen in Angriff genommen.“

„Sehr schnell, sehr beweglich, auch lateral“

Barkley profitiert in Philadelphia von einer außergewöhnlich starken Offensiv-Linie, die Wege für ihn frei blockt und immer wieder ermöglicht, dass er seine über Jahre antrainierten Bewegungsabläufe umsetzen kann. Hinzu kommt, dass auch Quarterback Hurts gerne (und gut) selbst mit dem Ball läuft. Für gegnerische Verteidiger wird es so deutlich schwerer, sich einzustellen auf das, was kommt, weil sie das bei den Eagles mit ihrer hohen Variabilität im Angriff nur schwer vorhersehen können.

Hat Barkley dann erst einmal eine Lücke gefunden, ist er kaum aufzuhalten. „Saquon ist sehr schnell, sehr beweglich, auch lateral, er hat eine hohe Reaktionsgeschwindigkeit“, sagt der frühere NFL-Runningback Sandro Platzgummer, der bei den Giants mit Barkley zusammenspielte, gegenüber der F.A.Z. „Und er hat wahrscheinlich mit die kräftigsten Oberschenkel in der NFL.“ Mit denen beschleunigt der „physisch talentierteste Runningback der Liga“, wie Eagles-Besitzer Lurie den Spieler bezeichnet, auf bis zu 35 Kilometer pro Stunde.

Bei den Giants war Barkley, geboren in der New Yorker Bronx als eines von sechs Kindern, die zentrale Figur, sein Trikot das am häufigsten verkaufte. Wirklich erfolgreich spielte die Mannschaft in dieser Zeit aber nie. Sein neuer Erfolg mit den Eagles fühle sich für ihn „nicht real an“, sagte er angesprochen auf die Saison, die bislang hinter ihm liegt: „Es ist wie in einem Film. Aber ein Film, den ich gerne weiterschauen möchte.“

In New Orleans soll sich für Barkley, der am Tag des Super Bowls Geburtstag hat, nun ein Traum erfüllen. „Mein Traum war nicht, in den Super Bowl zu kommen“, sagte er. „Mein Traum war, ihn zu gewinnen.“

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