Bei einem Thema knallt es zwischen Grünen-Politiker und Linken-Chef | ABC-Z

Berlin. Bei Markus Lanz blicken die Gäste mit Entsetzen auf die USA. Als es um Aufrüstung geht, geraten ein Grüner und der Linken-Chef aneinander.
Es war am Ende eines Tages, an dem Union und SPD sich auf eine weitgehende Lockerung der Schuldenbremse bei Verteidigungsausgaben geeinigt hatten – sowie ein Sondervermögen von 500 Milliarden für Infrastruktur ankündigten. Und ein Tag, an dem EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen 800 Milliarden Euro für die Wiederaufrüstung Europas und die Unterstützung der Ukraine versprach. Europa und Deutschland reagieren damit auf die Hinwendung Washingtons unter Donald Trump zu Moskau, die in der Brüskierung des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj am Freitag seinen Höhepunkt gefunden hatte.
Das Entsetzen darüber war bei allen Studiogästen am Dienstagabend bei Lanz groß, sogar der Linken-Parteichef Jan van Aken sprach davon, dass Trump nun zum „Team Putin“ gehöre und er die Ukraine den Russen „zum Fraß“ vorwerfe, mit Völkerrecht habe das nichts zu tun. Leise Zwischentöne waren aber auch zu hören, so sagte die „Spiegel“-Journalistin Sabine Rennefanz, dass es beschämend war, wie Trump und JD Vance mit dem Präsidenten der Ukraine umgegangen seien, aber die allgemeine Empörung könne sie nicht nachvollziehen, denn Trump habe genau das getan, was er angekündigt hatte: „Die Fakten haben sich ja nicht geändert.“
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Rennefanz zeigte sich gleichwohl erschüttert über die USA. Vor Jahren habe sie geglaubt, dass Russland sich in Richtung des amerikanischen Systems entwickeln werde, jetzt sei das eher umgekehrt der Fall. Aufschlussreich aber der Aspekt, den der ZDF-Korrespondent Elmar Theveßen einspeiste: Trump und Vance hätten Selenskyj vermutlich in eine Falle gelockt, um ihn zu demütigen und ihn als Hürde für einen Frieden darzustellen mit der Absicht, die letzten Pro-Ukrainer bei den Republikanern zum Verstummen zu bringen.

Von links: Moderator Markus Lanz, Anton Hofreiter (Grünen-Politiker), Jan van Aken (Linken-Politiker), Sabine Rennefanz („Spiegel“-Journalistin), Carlo Masala (Militärexperte), Rüdiger Bachmann (Ökonom) sowie aus Washington zugeschaltet Elmar Theveßen (ZDF-Korrespondent).
© ZDF-Mediathek | Screenshot
Wichtiger sei es, die Motivationslage von Trump zu erkennen: „Trump hat zwei Ziele. Erstens will er als Friedensstifter da stehen. Zweitens will er Geschäfte machen mit den Rohstoffen in der Ukraine aber auch mit Russland.“ Russland sei für Trump am Ende „ein nützlicher Geschäftspartner“, mit dem er unterbinden will, dass China eines Tages die USA überflügelt. Vielleicht sei es eine Option, dass Selenskyj – begleitet von einem Europäer – nochmal nach Washington reise und einen Wirtschafts- und einen Friedensdeal aushandle, so Theveßen.
USA auf dem Weg zu einer Autokratie
Eine andere Theorie dafür, was Trump antreibt, schilderte der in den USA lehrende Wirtschaftswissenschaftler Rüdiger Bachmann, und zwar die „Metternich-Theorie“. Ähnlich wie das Gleichgewicht von konservativen, restaurativen Großmächten, das der österreichische Diplomat Metternich Anfang des 19. Jahrhunderts beim Wiener Kongress wiederherstellte, strebe auch Trump ein Mächtebündnis der USA, China und Russland an. In der aktuellen Trump-Politik – das könnte ein Beleg für diese These sein – komme China „sehr gut weg“: bei Tiktok sei nichts passiert, die hohen von den USA verhängten Zölle beträfen Kanada und Mexiko, nicht aber China und seien „eine indirekte Subvention für China“.
Entwicklung Wissenschaft- und Meinungsbildung in den USA von @BachmannRudi in grade mal rund anderthalb Minuten. #Lanz pic.twitter.com/09TGerohh8
— wenig Worte (@wenig_worte) March 4, 2025
Bachmann sieht die USA unter Trump wegen dessen Angriffen auf die Wissenschafts- und Pressefreiheit mittlerweile schon auf dem Weg zu einer Autokratie nach ungarischem Vorbild: „Selbst die Wetterstationen werden abgeschafft, weil sie Klimaforschung betreiben.“
ZDF-Talk: Militärexperte spricht bittere Wahrheit aus
Europa ist jedenfalls allein zu Hause. Der nukleare Schutzschirm der USA droht abgezogen zu werden. Der Grüne Anton Hofreiter sieht da alle höheren Verteidigungsausgaben für gerechtfertigt an: „Wir brauchen eine konventionelle Abschreckung. Ich will Frieden in Europa.“ Aus der Eskalationsspirale finde man nur heraus, wenn man auf Stärke setze und Putin auf Augenhöhe begegne.
Der Militärexperte Carlo Masala stützte diese Ansicht und malte ein düsteres Bild von der europäischen Verteidigungsfähigkeit: In der Nato steuerten die USA 46 bis 48 Prozent der strategischen Grundvoraussetzungen im Konfliktfall bei – also Lufttransporte, Luftbetankung, Satellitenaufklärung. Deutschland habe kaum Luftverteidigung oder Marschflugkörper. Werde man „vollumfänglich“ von Russland angegriffen, gerate man ohne Hilfe der USA in die Hinterhand. „Wir haben acht Patriot-Raketen-Batterien – damit können wir bei einem Angriff durch ballistische Raketen gerade mal Berlin verteidigen, allenfalls noch eine zweite Großstadt. Wir haben aber noch fünf bis sechs andere Millionenstädte.“
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Grünen-Politiker und Linken-Chef geraten bei Lanz aneinander
Allein van Aken wollte den Sinn einer neuen Hochrüstung nicht erkennen. Die europäischen Nato-Länder gäben jährlich 430 Milliarden Euro für Rüstung aus, Russland aber nur 300 Milliarden. Es sei genug Geld im Topf, man könnte auch auf teure Fregatten, die 365 Tage im Jahr auf den Weltmeeren unterwegs seien und nur der „Weltpolitik“ dienten, verzichten. Zwischen Hofreiter und Aken entwickelte sich ein heftiger Disput, so warf der Grüne dem Linken eine „Milchmädchenrechnung“ vor und dass sein „Antifaschismus an der EU-Ostgrenze“ ende, denn Putin betreibe eine aggressiv-faschistische Politik und ohne Waffenlieferung an die Ukraine wären dessen Panzer längst an der deutsch-polnischen Grenze und die Ukraine wäre ein Schlachthaus. „Dass Sie nur militärisch reden, ist Ihr Problem“, entgegnete da van Aken und Lanz versuchte den emotionalen Streit zu bändigen mit der Warnung, er müsse gleich „handgreiflich“ werden.
Offen ließ Hofreiter übrigens, ob die Grünen den Beschlüssen von Union und SPD noch im alten Bundestag zustimmen, wo die Zweidrittelmehrheit noch gesichert ist. „Merz hat sich an die Macht gelogen“, sagte Hofreiter zur Lockerung der Schuldenbremse, die der CDU-Chef vor der Wahl ausgeschlossen hatte. Eine Vogel-friss-oder-stirb-Politik werden die Grünen nicht mitmachen, sagte Hofreiter, es müsse für eine Zustimmung noch Verhandlungen geben. Rennefanz hielt es „demokratietheoretisch“ für bedenklich, dass der alte Bundestag jetzt noch wichtige Beschlüsse „durchboxen“ soll. „Die Leute werden sich fragen, warum haben wir gewählt, wenn ein anderes Parlament die Beschlüsse fasst?“