Kanalarbeiter in Indien: Der Gullyknecht von Delhi | ABC-Z

Bei seinem ersten Mal ist das Loch nicht tief. Vier Fuß vielleicht, ein Meter zwanzig. Ein Mann kann sich allein wieder herausstemmen, ohne Seil und Helfer wie heute, wo die Löcher neun Meter tief sind. Doch er ist zehn, ihm steht die Brühe bis zum Hals. Der Vater ist krank und kann wieder kaum atmen. Der Sohn soll helfen. Dass der Vater bei der Arbeit war, wenn er abends nach Hause kommt, hat er gewusst. Aber nicht das. Dass sich die Erde unter ihm auftut. Dass das Gas aufsteigt und ihm die Kehle zuschnürt. Dass die Augen brennen. Es schwindelt ihn. Er taucht die Hände ins Wasser und fischt. Weiches rutscht durch die Finger. Hartes wirft er in den Eimer.
Wie roch das damals, Dharmveer? Er beugt sich vor. Aus dem Kind ist ein Greis von 38 Jahren geworden, mit Augenhöhlen schwarz wie Kohle und einem Körper wie ein Strich. 45 Kilo wiegt er vielleicht. Er sitzt auf dem Hocker im einzigen Raum seiner Hütte und denkt über die Frage nach. Gemütlich haben sie es sich hier gemacht. An der Wand galoppieren sieben Schimmel über ein Bild. Vom Kopfteil des großen Betts grüßen Kuscheltiere. Darüber Fotos der Familie, die hier wohnt: Schwägerin Priya im gelben Sari, deren Hände mit Henna bemalt sind.
Bruder Karmveer, der auch ins Loch steigt und am rechten Fuß keinen großen Zeh mehr hat. Die fünf Neffen und Nichten. Er selbst ist kinderlos. Vor sieben Jahren ist seine Frau durch die Tür gegangen und hat gesagt, so könne sie nicht leben. Heute hat er keinen oberen Schneidezahn mehr. Hast du gewusst, Dharmveer, was das damals für ein Loch war, in das du gestiegen bist? Er lehnt sich zurück an die Wand. Worte knallen wie Schüsse aus seinem Mund. „Ich wusste, dass etwas Schreckliches passiert.“
Seine Volksgruppe stand im Ruf, aggressiv zu sein
Haryanvi ist ein witziger Dialekt. Selbst wenn sie höflich sein wollen, hört es sich bei den Menschen aus Indiens Norden an, als gingen sie einem gleich an die Gurgel. Die Haryanvi sprechende Volksgruppe der Jats stand bei den Briten im Ruf, so aggressiv zu sein, dass die Kolonialherren sie als Kriegerkaste in einem eigenen Regiment kämpfen ließ. Heute ist Haryanvi gerade in Bollywood schwer angesagt. Für ihre Rolle einer unbestechlichen und schnoddrigen Polizistin in „Dasvi“, einem Netflix-Film über einen machtversessenen korrupten Provinzchef, hat die Schauspielerin Yami Gautam mit einem Sprachtrainer Haryanvi eingeübt. Am Ende des Films hat sie aus dem Betrüger einen Kämpfer für die Sache der Armen gemacht, und bei der Parlamentswahl siegen die Guten.
Das Slum im Nordwesten Delhis, in dem Dharmveers Hütte steht, heißt Shahbad Dairy. Drinnen an der Wand hängt neben den Pferden ein alter Fernseher, den ihm ein Kunde gespendet hat. Filme guckt die Familie nicht, auch keine Nachrichten. Aber den Discovery Channel. Seit Monatsanfang läuft „Destinations of the Damned“. Es geht um die schlimmsten Orte der Welt wie ein Spukschloss in Tschechien und einen verfluchten Friedhof in Chile. Vielleicht ist die Serie für Menschen aus Shahbad Dairy näher am Leben als Bollywood. Ständig brechen im Slum Feuer aus. Vor drei Monaten sind 130 Hütten niedergebrannt.
Heute ist der Tumult draußen in der Gasse nur einem Wildschwein geschuldet, das orientierungslos durch die Menge rennt. Dharmveer schlägt schnell die Tür zu. Zurück auf dem Hocker fährt er fort, Zeugnis abzulegen von drei Jahrzehnten in Indiens Kanalisation. Er zeigt den rechten Arm: Unter den Ekzemen war mal Haut. Er hebt ein Bein an: Auf der Kniescheibe wächst eine Eiterbeule in der Größe eines Tennisballs heran.
Ohne Maske, Sicherheitschuhe und Schutzanzug
Über Dharmveers Tätigkeit unten im Loch hat einer seiner Kollegen mal gesagt, Indien habe es geschafft, auf dem Mond zu landen, aber bis das Land lerne, was Menschenwürde ist, sei es noch ein langer Weg. Der Oberste Gerichtshof in Neu Delhi hat über den Job diese Worte gefunden: „Kein anderes Land auf der Welt schickt seine Menschen in Gaskammern, um zu sterben.“ Menschen, die ohne Maske, Sicherheitsschuhe und Schutzanzug auf Toiletten und in Abwasserkanälen mit bloßen Händen das Exkrement Fremder in Weidenkörbe, Eimer und Stofffetzen schaufeln, es an den Bauch drücken, auf die Schulter stemmen oder auf dem Kopf balancieren bis zur Müllkippe oder dem nächsten Fluss.
Es gibt eine offizielle Bezeichnung dafür: Safai Karmachari, was auf Hindi Reinigungskraft bedeutet und die Natur der Tätigkeit noch nicht mal im Ansatz erfasst. Zur Jahrtausendwende haben unter der Bezeichnung über eine Million Inder ihren Lebensunterhalt verdient. Heute sind es rund 600.000. Sie finden für ihr Tun verständliche Worte: „Wo landet deine Scheiße? In der Kanalisation. Was machen die Safai Karmachari? Säubern die verschissenen Kanäle.“
In Rohini, einem am Reißbrett geplanten Viertel in Delhis Nordwesten, steht Dharmveer in einer engen Seitengasse und erklärt, wie er vorgeht, wenn er gerufen wird, weil ein Gully übergelaufen ist oder das Zulaufrohr einer Jauchegrube verstopft. Mit einem Gehilfen stemmt er den Deckel auf und lässt für eine, manchmal zwei Stunden Gestank und Gase hinaus. Dann bindet er sich ein Seil um den Bauch, dessen anderes Ende der Helfer hält. „Ich nehme den Stoff“, er zeigt auf ein Laken. „Dann fülle ich den Stoff.“ Er reicht das gefüllte Paket dem Obermann hinauf, der den Inhalt umfüllt und das Laken leer hinunterreicht. Läuft das Wasser wieder ordnungsgemäß ab, zieht der Gehilfe ihn zurück ans Tageslicht.
Briten bauten Toiletten ohne Wasserspülung
Eigentlich dürfte das hier nicht sein. Die Briten hatten zwar Ende des 19. Jahrhunderts die Safai Karmachari zu einem offiziellen Beruf gemacht. „Manual scavenger“ haben die Kolonialherren Dharmaveers Vorfahren getauft, mit bloßen Händen putzende Gullyknechte, was der Sache schon näherkam. Statt Toiletten mit Spülung baute die britische Armee Trockenklos, in denen es kein Wasser gab und die nicht an ein Kanalisationsnetz angeschlossen waren, genauso wie die Latrinen in Eisenbahn, Gerichten, Fabriken und Städten. Nach der Unabhängigkeit ging das dann zwar noch ein halbes Jahrhundert so weiter. Doch seit 1993 ist die Beschäftigung eines Gullyknechts mit einer Freiheitsstrafe von einem Jahr belegt.
Dass die Sache damit nicht erledigt war, lässt schon das Ausmaß an Literatur erahnen, die bis heute über das Phänomen veröffentlicht worden ist. Bereits die Indus-Zivilisation habe es um das Jahr 2500 vor Christus geschafft, die Notdurft mit der Hilfe von Abwasser anstelle per Abkratzen zu reinigen, schreibt Gita Ramaswamy in ihrem Buch „India Stinking“. Erst in der vedischen Zeit, in deren Spätphase die Grundlage für das Kastenwesen gelegt wurde, hätten Sklaven die Aufgabe übernommen.
Im späteren Mogul-Reich gab es ein fortschrittliches Kanalisationssystem, was noch heute im Roten Fort zu besichtigen ist, der prächtigen Palastanlage in Neu Delhi. Dann aber hätten die Hindus auf die einsetzende Urbanisierung nicht mit einer Weiterentwicklung der Abwassertechnologie reagiert, sondern mit dem Rückfall in die Sklaverei, heißt es im Buch. Fortan sei die Lösung für das Entsorgungsproblem die „unreinen Kasten“ gewesen.
Die unterste Stufe innerhalb der Unberührbaren
Schon dass er nur einen einzigen Namen trägt, weist Dharmveer als Dalit aus, als Unberührbaren. 200 Millionen Inder gehören dazu. Doch auch in der niedrigsten aller Kasten gibt es eine Hierarchie. Die Latrinenreiniger rangieren auf derselben Ansehensstufe wie ihr Arbeitsmaterial. Eigentlich sollten die Anwohner der Gasse in Rohini die Stadtreinigung rufen, die sollte mit Schutzhelm und Schutzkleidung auf Kranwagen anrücken und mechanische Reinigungsroboterarme in die Tiefen der Kanäle einführen. Vor sechs Jahren hat Delhis Chief Minister, der lokale Regierungschef, 200 der weißen Wagen an ein paar Gullyknechte übergeben. 200 für 33 Millionen Einwohner.
Wenn der Gully überläuft, kommt die Stadtreinigung morgen oder übermorgen, eher in zwei Wochen. Manchmal passt der Kranwagen nicht in die Gasse. Verstopfen Steine den Abfluss, scheitert die Maschine. Also rufen die Anwohner Dharmveer, der kommt sofort und kostet 500 Rupien, umgerechnet fünf Euro. Damit kann er zehn Kilo Reis kaufen oder Spielzeug für die Neffen und Nichten, was eine Verbesserung ist zu seinem Vater, der für seine Arbeit gar kein Geld bekommen hat, sondern nur Reis.

Know your world“ heißt das Schulbuch, das in der Hütte die neunjährige Nichte an das Kopfteil des Betts gelehnt liest: Kenne deine Welt. Es geht um den berühmten Triumphbogen in Neu Delhi, der an die Gefallenen der Britisch-Indischen Armee im Ersten Weltkrieg erinnert, und um das Parlament. Indien ist stolz auf den Titel der größten Demokratie der Welt, genauso wie auf seine Nobelpreisträger. Auf Seite 79 müssen ihre Gesichter mit Strichen den richtigen Namen zugeordnet werden: Har Gobind Khorana für die Interpretation des genetischen Codes. Amartya Sen, dem Anwalt der Armen, für seine Arbeiten zur Wohlfahrtsökonomie. Mutter Teresa. Auf dem Bett packt die Nichte ihren Filzstift aus. Man ertappt sich beim Gedanken, wie lang sich der Onkel nach der Arbeit wäscht, bevor er sich dazulegt.
In Deutschland sieht die Arbeit sehr anders aus
Dreißig Minuten, sagt Dharmveer, als er die Frage hört. In drei Intervallen versucht er mit Seife die Fäulnis abzuschrubben. In Deutschland sitzen Kanalarbeiter am Joystick vor dem Bildschirm und schicken ferngesteuerte Reinigungsroboter durch die Rohre. In Indien kann Dharmveer auch nach dem Waschen nicht immer gleich Nahrung zu sich nehmen. „Der Gedanke, was ich vorher berührt habe, geht nicht weg.“
Es gibt einen Weg, Ekel und Scham zu vergessen. Bezwada Wilson hat ihn gesehen, Tausende Male. Auch er ist ein Unberührbarer, auch er wurde in eine Familie von Gullyknechten geboren, weit weg von Delhi, im südlichen Bundesstaat Karnataka. Heute öffnet er in einem bürgerlichen Stadtteil im Westen der Hauptstadt das schmiedeeiserne Tor zum Haus mit dem Büro seiner Bewegung im Erdgeschoss. In seinem Büro sitzt er unter dem Foto des verstorbenen B. R. Ambedkar: des Unberührbaren, der Indiens Verfassung mitgeschrieben hat und in Umfragen zum wichtigsten Mann seines Landes hinter Mahatma Gandhi gekürt wurde.
An der Wand hängt eine Karte mit den indischen Bundesstaaten neben einer Tabelle, in der Wilson die Aktivitäten seiner Bewegung plant. Dass im aufstiegshungrigen Indien überhaupt noch über die Gullyknechte gesprochen wird, ist fast allein dem Verein Safai Karmachari Andolan zu verdanken, dessen Gründer die Rolle des sozialen Gewissens des Wirtschaftswunders zugewiesen ist. Weil ständig Wilsons Telefon klingelt, ist Zeit für einen Blick in sein prall gefülltes Bücherregal.
Ansprache ohne den Vornamen
„Jeder schätzt eine ordentliche Dürre“ lautet ein Werk über das Elend der indischen Landbevölkerung. Ein weiterer Titel: „Das leidende Volk“. „Dalit-Frauen erheben die Stimme“. „Bericht über die Prävention von Gräueltaten gegen die gelisteten Kasten“. Das ist Indiens offizieller Name für die Unberührbaren. Das Buch heißt „Versöhnung“.
Als Kind Anfang der Siebzigerjahre hatte Wilson schnell verstanden, dass etwas mit seiner Familie nicht stimmte, wenn ihm Passanten auf der Straße Schimpfwörter zuriefen. In der Schule sprachen die Lehrer die Schüler nicht mit Namen an. Sie sagten nur „Du“. Wo warst du, warum kommst du immer zu spät, wo sind deine Hausaufgaben. Wieso kommt ihr überhaupt her, ihr Nutzlosen, ihr stehlt unsere Zeit.
Das war eine Schule für Gullyknecht-Kinder. Sie zählte 40 Schüler, deren Eltern alle einer unreinen Tätigkeit nachgingen. Sie arbeiteten in der nahe gelegenen Mine und säuberten die Trockentoiletten und Kanäle von Hand. Wilsons Eltern waren für die Stelle vom Bundesstaat Andhra Pradesh nach Karnataka gezogen. Bereits die Großeltern und Urgroßeltern waren Gullyknechte. Die gesamte Nachbarschaft verdiente so ihren Lebensunterhalt. Es war ein Kreislauf, sagt Wilson. Weil sie Unberührbare waren, kratzten sie den Kot weg. Weil das eine schmutzige Tätigkeit war, stellte sie niemand für einen anderen Job an. „Also haben wir gedacht, das sei unsere Aufgabe.“
Acht Millionen Gullyknechte gab es einst
Damit sie die Aufgabe erledigen konnten, tranken die Männer während des Tags und die Frauen am Abend vor dem Schlafengehen. Die Männer liefen herum, tranken, brüllten, schlugen ihre Frauen und fielen gegen sechs Uhr abends ins Bett. Manchmal erbrachen sie ihr Essen. „Aus Wut“, sagt Wilson. „Als hätten sie keinen anderen Weg gefunden, um ihre Verzweiflung zu zeigen.“ Die Gullyknechte hatten ihn einmal mitgenommen. Bis zu dem Tag hatten seine Eltern ihre Arbeit vor ihm verheimlicht. Er sah, wie einem der Männer der Eimer mit dem Exkrement wieder ins Loch fiel. „Oh“, habe der Mann gesagt, einfach nur „Oh“.
Er habe seinen Ärmel hochgerollt und mit seiner Hand im Loch gesucht, aber den Eimer nicht gefunden. Dann sei er mit seinen Beinen voran ins Loch gestiegen, und Wilson habe zu schreien angefangen, was er da tue, er solle aufhören, er sei doch ein Mensch. Er habe gar nicht mehr aufgehört zu schreien, und die Männer hätten dagestanden und sich geschämt. Er könne sich noch ganz genau an den Geruch erinnern. Dass der nicht mehr weggegangen sei und ihn betäubt habe. Er habe nicht mehr sehen und nicht mehr reden können, er habe unter Schock gestanden. Später fragte er zu Hause die Eltern, warum dieses Unheil geschehe. Als er auf seine Frage keine Antwort bekam, begann er zu weinen.
Acht Millionen Gullyknechte gab es in Wilsons Kindheit. Es wirkt nicht so, als sehe er es als Fortschritt, dass die Anzahl heute noch acht Prozent der Summe beträgt. Bis Indien begreife, dass seine Leute ein Produkt des weiter existierenden Kastenwesens in seinem Land seien, werde sich nichts ändern. Ministerpräsident Narendra Modi hat zwar vor zehn Jahren seine frühere Meinung revidiert, dass das Latrinenputzen für die Unberührbaren eine „spirituelle Erfahrung“ sei.
Reinheit und Unreinheit sind wichtige Kategorien in Indien
„Doch trotz substanzieller Berichte leugnen Regierung und städtische Behörden die Existenz und die Beschäftigung des manuellen Latrinenputzens“, haben vor drei Jahren fünf internationale Forscher in einem Ableger des „British Medical Journal“ geschrieben, einer wissenschaftlichen Fachzeitschrift. Die Vorstellungen von Reinheit und Unreinheit sind im Land tief verwurzelt. Wie stark sich Mutter Teresa tatsächlich gegen das Kastenwesen eingesetzt hat, ist umstritten. Selbst Gandhi habe trotz seines Kampfs gegen die Vorstellung von Unberührbarkeit zeitweise manuelle Exkremententsorgung als „heilige“ Form des Dienstes am Gemeinwesen „glorifiziert“, schreiben die Wissenschaftler.
In Neu Delhi zeigt Wilson am Computer Fotos. Gullys sind darauf zu sehen, Loch folgt auf Loch. Aus den Tiefen starren Augen in die Kamera hinauf. Es sind Gullyknechte der Gegenwart. „Nicht nur unmenschlich, sondern auch tödlich“, haben die Mitarbeiter der Bewegung dazugeschrieben. Sie hätten auch schreiben können, dass kein anderes Land in der Welt seine Menschen in Gaskammern schickt, aber das hatten ja schon die Richter an Indiens Oberstem Gerichtshof gesagt.
In der Gasse in Rohini zeigt Dharmveer, was damit gemeint ist. Oft sind auch nach zwei Stunden Lüften die giftigen Gase noch nicht vollständig aus der Kanalisation entwichen, erklärt er in seinem harten Dialekt. Irgendwo da unten verstecken sich die Gase dann. Deshalb sei es wichtig, dass der Obermann von Zeit zu Zeit nach unten ruft, ob alles in Ordnung ist. Hört er nichts, dann ist der Mann im Loch mit großer Wahrscheinlichkeit bewusstlos. Steigt dann auch der Obermann hinunter, wird es mit großer Wahrscheinlichkeit beide erwischen. Sein Vater starb mit 60 Jahren an Lungenkrebs. Eine verwandte Familie hat neulich ihren Mann verloren, den die Spätfolgen der Arbeit im Abwasser schon in seinen Dreißigern getötet haben. Es kann auch schneller gehen.
Es gibt Schätzungen von 2000 Toten im Jahr
Eine Woche zuvor begleitet der zehn Jahre alte Aman seine Familie zur Arbeit in New Friends Colony, einem wohlhabenden Viertel im Süden Delhis, in dem Sotheby’s Einfamilienhäuser für drei Millionen Dollar anbietet. Der Vater, 43, der 35 Jahre alte Onkel und der 25-jährige Cousin sollen in einem Schacht ein Abflussrohr reparieren. Ihr einziges Werkzeug ist ein Seil. Onkel und Cousin klettern ins Loch hinab, das sich wenig später mit Gas zu füllen beginnt.
Als sie um Hilfe schreien, steigt auch der Vater zur Rettung hinab. Doch die Gifte sind zu stark, einer nach dem anderen bricht zusammen. Der Vater stirbt. Der Onkel landet auf der Intensivstation. Der Cousin kann noch schreien, bis am Himmel über dem Loch das Gesicht des kleinen Aman erscheint. In der Woche, schätzt die Bewegung Safai Karmachari Andolan, sterben in Indiens Untergrund sechs bis sieben Menschen. Es gibt auch die Schätzung von 2000 Menschen im Jahr, die Toten in den Jauchegruben nicht mitgezählt.
In der Hütte wird es still. Draußen bricht die Nacht herein. Drinnen sitzt Dharmveer und schweigt. Er wirkt erschöpft. Was gibt es noch zu reden? Es ist alles gefragt. Eines noch. Was wollen die drei Nichten einmal werden? Anwalt, sagt die erste. Lehrer. Pilot. Die Hütte strahlt. So hat die Geschichte vom Gullyknecht also doch noch ein Happy End.