Panamakanal: „Was Trump macht, ist völlig rechtswidrig, alle seine Argumente sind an den Haaren herbeigezogen“ | ABC-Z

Donald Trump hat klargemacht, dass er den Panamakanal zurückhaben will, Chinas Engagement in dem kleinen Land ist ihm ein Dorn im Auge. Panamas Bevölkerung ist gespalten: Einige fürchten sich vor Amerikas Macht, andere sehen in Trump eine Lösung für ihre Probleme. Eine Spurensuche.
Es ist eine 82 Kilometer lange Wasserstraße, die vom Pazifik bis zum Atlantik reicht, und bei Donald Trump große Begehrlichkeiten weckt. Der US-Präsident erhebt Anspruch auf den Panamakanal und sucht dafür nun Argumente. Gebaut haben ihn einst die Amerikaner, 1999 übergaben sie ihn an Panama – in Trumps Augen ein Unfall der Geschichte. 35.000 Amerikaner seien beim Bau Ende des 19. Jahrhunderts verunglückt oder Tropenkrankheiten erlegen, behauptete er. Allein dieser hohe „Blutzoll“ unterstreicht aus Trumps Sicht die amerikanischen Ansprüche. Der Republikaner wirft der Regierung in Panama außerdem vor, amerikanische Schiffe „abzuzocken“.
Mit diesen Argumenten im Gepäck schickte Trump seinen Außenminister Marco Rubio Anfang Februar nach Panama, der dem Land damit seine erste offizielle Auslandsvisite widmete. Normalerweise wird eine solche Geste auf diplomatischen Parkett als Ehre verstanden – in Panama ist das in diesen Tagen nicht der Fall. Rubios Besuch wird viel mehr als Drohung gewertet: Macht Zugeständnisse, sonst droht Trumps harte Hand.
Im Athanasiou, einem angesagten Café in Panama-Stadt, nippt Aristides Royo an seinem Orangensaft. Royo ist in diesen Tagen ein gefragter Mann, das Café sein „War Room“. Hier gibt er ein Interview nach dem anderen. Trotz seiner 84 Jahre wirkt der Politiker hellwach. Von 1978 bis 1982 war Royo Präsident Panamas, saß schon 1977 mit am Verhandlungstisch, als mit US-Präsident Jimmy Carter die Modalitäten für die Übergabe des Kanals an Panama verhandelt wurden.
„Was Trump macht, ist völlig illegal, alle seine Argumente sind an den Haaren herbeigezogen“, meint Royo. In den vergangenen fünf Jahren war er Minister für Kanalangelegenheiten – und weiß, wovon er spricht. Am meisten empört den Politiker das Argument, die Chinesen würden den Kanal kontrollieren. Sogar chinesische Soldaten wären dafür im Einsatz, fantasierte Trump in Washington.
Der Verkehr im Kanal wird von der Autoridad del Canal de Panamá (ACP) betrieben. Hintergrund der Klagen aus dem Weißen Haus dürfte der Umstand sein, dass das chinesische Unternehmen Hutchison Ports PPC seit 1997 – also sogar schon zwei Jahre, bevor der Kanal an Panama übergeben wurde – die beiden Häfen am pazifischen und atlantischen Ende des Kanals betreibt. Die Firma gehört einer wohlhabenden Familie in Hongkong, die bereits in die Häfen investierte, bevor die Briten die Sonderverwaltungszone 1997 an China zurückgeben mussten.
Nicht nur zählen chinesische Unternehmen zu wichtigen Kunden in Panama, es gab auch Interesse, sich an weiteren Infrastrukturprojekten zu beteiligen. Außerdem investierte Peking im Rahmen des Infrastrukturprojekts „Neue Seidenstraße“. Das Engagement Chinas in Panama hat Tradition. „150 Jahre panamaisch-chinesische Freundschaft“ steht auf einem in die Jahre gekommen, kitschig anmutenden Denkmal, das auf einer Anhöhe hoch über dem Pazifikhafen steht. Goldene Löwen und ein chinesischer Torbogen runden das 2004 erbaute Ensemble ab.
Trump ist das chinesische Engagement ein Dorn im Auge. Dass der US-Präsident sich den Kanal mit militärischer Gewalt unter den Nagel reißen möchte, hält Royo nicht für ausgeschlossen. „Trump ist besessen von der Idee, den Kanal zurückzubekommen. Egal, was wir ihm für Vorteile einräumen werden – er wird dabei bleiben: Ich will den Kanal zurück“.
Ein Anspruch, der in Panama Verwunderung auslöst. „Die Chinesen waren schon 1997 da, bevor der Kanal von den USA übergeben wurde“, sagt Jorge Quijano. Bis 2019 war er sieben Jahre lange Chefverwalter des Kanals, verbrachte sein ganzes Berufsleben in der Kanalverwaltung. In Trumps erster Amtszeit habe es überhaupt kein Problem gegeben, erinnert sich Quijano. Ganz im Gegenteil. Sein damaliger Vizepräsident Mike Pence sei zu Besuch gewesen und habe sich überhaupt nicht an den Chinesen gestört: „Kein Wort zu den Häfen“.
„Es ist wie David gegen Goliath“
Auch Trumps Aussage, wonach Tausende Amerikaner beim Bau des ursprünglichen Kanals gestorben sein sollen, stimmt nicht. 5600 Arbeiter, die meisten von ihnen aus der Karibik, und 350 Amerikaner sollen laut Schätzungen umgekommen sein. Diese Zahl weicht deutlich von den 35.000 amerikanischen Todesopfern ab, von denen Trump spricht, um den Rückgabeanspruch zu untermauern.
Klar ist auch: Seitdem die Amerikaner den Kanal übergeben haben, hat sich viel verändert. Die Panamaer haben eine dritte Schleusenanlage gebaut, ein Multimilliarden-Projekt. Jetzt können auch Schiffe mit bis zu 17.000 Containern die Wasserstraße passieren. In den alten Schleusen war für Schiffe mit mehr als 5000 Containern kein Durchkommen.
Viele Panamaer fühlen sich von Trump zu Unrecht verunglimpft. „Es ist Mobbing“, klagt Quijano. „Es ist wie David gegen Goliath. Panama ist sehr klein, hat keine Arme und soll jetzt kuschen.“ Bei der Kanalverwaltung wird man zudem nicht müde, auch das letzte Trump-Argument zu widerlegen: den Vorwurf der Abzocke gegen amerikanische Schiffe.
„Jeder bezahlt den gleichen Preis“, sagt Jaime Troyano. Er ist der Mann aus der Verwaltung, der offiziell mit den internationalen Medien reden darf. Und die stehen jetzt Schlange. Der Preis für die Durchfahrt ist abhängig davon, wie viel und was ein Schiff transportiert. Für einen Schiffsriesen mit 15.000 Containern kostet die Passage rund eine Million Dollar. Ein privater Katamaran muss mit 3000 Dollar rechnen.
Auch Militärschiffe werden gleichwertig behandelt, keinem Schiff darf die Durchfahrt verweigert werden, so steht es in den internationalen Verträgen. Eine Ausnahme allerdings gibt es: Amerikanische Marine-Schiffe haben immer Vorfahrt und dürfen an der Warteschlange vorbeirauschen. Auch wenn sie wie alle Schiffe Gebühren für die Durchfahrt bezahlen müssen, müsste das Prinzip „USA First“ Trump doch eigentlich gefallen.
Mulino: „Kein Verhandlungsspielraum“
Panamas aktueller Präsident, Jose Raul Mulino, verwehrt sich entschieden gegen Trumps Argumentation. Mulino wurde erst im vergangenen Jahr ins Amt gewählt, der konservative Politiker gilt als kooperativ – und als Freund der USA. Er sendete vor Rubios Besuch eine klare Botschaft an die Welt. „Bezüglich des Kanals, habe ich überhaupt keinen Verhandlungsspielraum. Der Kanal gehört Panama.“ Zugleich weiß auch Mulino, dass er Trump etwas anbieten muss.
Die Bevölkerung ist gespalten. Bei seiner Ankunft in Panama wird der US-Außenminister mit Protesten empfangen. Rubio- und Trump-Porträts, mit Hakenkreuzen versehen, gehen in Flammen auf. Ein Massenprotest ist das allerdings nicht. Auf dem Fischmarkt von Panama-Stadt erweisen sich sogar überraschend viele Menschen als Trump-Fans. „Sollen die Amerikaner doch den Kanal übernehmen“, sagt ein Fischverkäufer, der seinen Namen für sich behalten will – und eine Frau pflichtet ihm bei. „Ja genau“. Orissa, die 20 Jahre in den USA gelebt hat, ruft herüber: „Es ist Zeit, dass hier jemand für Ordnung sorgt, viele denken so wie ich.“
Ex-Präsident Aristides Royo kennt diese Forderungen. „Ja“, sagt er, „es gibt die, die glauben, der Kanal bringe ihnen nichts.“ Dabei fließt gut ein Drittel der Einnahmen direkt in den Staatshaushalt Panamas. Laut Royo werden damit Sozialprogramme finanziert. Ohne diese Gelder, stünden die, die die Amerikaner herbeisehnen, noch schlechter da.
Auf der Plaza de la Independencia in der Altstadt von Panama-Stadt, einem Weltkulturerbe, ist die Stimmung eine andere. Hier hat sich an einem Stand mit Kokosnusswasser eine Schlange gebildet. Jede Nuss wird hier frisch aufgeschlagen. „Trump sagt immer: ‚China, China, China‘. Ich kapier‘ das nicht. Trump sagt, China hat schon die Kontrolle. Alles Quatsch“, regt sich ein Kunde namens Daniel auf, der sich angesichts der Äußerungen des Präsidenten kaum beruhigen kann. „Er kann es tun, er hat die Macht, den Kanal zu übernehmen. Wir haben keine Armee, wir haben einfach nichts“ sagt eine Frau, die sich als Anna vorstellt. Sie habe Angst.
Rubio macht Druck
Zu dieser Zeit wird Marco Rubio gerade im Palacio de las Garzas empfangen, im Präsidentenpalast. Sein Amtskollege Javier Martínez–Acha geleitet ihn die Stufen hinauf. Es wird gewinkt. Der Empfang von Präsident Mulino wirkt freundlich, verärgern will die Amerikaner hier niemand. Rubio lässt nach dem Besuch per dröger Presseerklärung verkünden, er habe mit Maßnahmen gedroht, falls die Panamaer nicht einknicken. Ob er auch Trumps militärische Drohung erneut hervorgebracht hat, bleibt unklar.
Auch auf die große strategische Bedeutung des Kanals machte der Außenminister aufmerksam. In der Tat ist die Wasserstraße für die USA wichtiger als für jede andere Nation. 70 Prozent der Waren, die den Weg durch den Kanal finden, kommen aus den USA und sind für sie bestimmt. Die Passage ist eine Art Lebensader. Sind die amerikanischen Phantomschmerzen deswegen verständlich? Rubio überlässt seinem Chef die erste Zusammenfassung.
Aus Washington hallte es nach Panama: „Ich glaube eine militärische Lösung ist nicht mehr notwendig, aber was Panama gemacht hat, ist schrecklich.“ Was Trump konkret damit meint, erklärt er nicht. Mulino findet deutlichere Worte. Nach dem Treffen kündigte der Präsident den Rückzug aus dem chinesischen Infrastrukturprogramm „Neue Seidenstraße“ an. Zudem soll eine gemeinsame Arbeitsgruppe die Vorwürfe der USA über die chinesische Kontrolle des Kanals überprüfen. Es sind klare Zugeständnisse an Washington, die zeigen, wie hoch der Druck von der Trump-Administration gewesen sein muss.
Nach Rubios Besuch kursieren unterschiedliche Lesarten über die erzielten Ergebnisse. Das Außenministerium teilt zwei Tage nach der Reise mit, die amerikanische Marine müsste für die Passage durch den Kanal künftig nichts mehr zahlen. In den vergangenen 25 Jahren entrichteten die USA für ihre Militärschiffe im Schnitt 26.000 Dollar pro Tour, bei 945 Fahrten macht das rund 26 Millionen Dollar. Abgesehen davon, dass die Summe keinen Anlass für eine internationale Krise bietet, wurde sie von der Regierung in Panama umgehend dementiert.
Mulino bezichtigte die USA der Lüge und bestritt, dass es einen solchen Deal gab. Das Gerücht, wonach Panama dem chinesischen Betreiber der Häfen kündigen will, kursiert indes weiter. Der Vertrag war erst 2021 um weitere 25 Jahre verlängert worden. Die Frage um die Zukunft des Kanals bleibt damit offen. Offenkundig ist aber, dass Trump am längeren Hebel sitzt. Panama wird einen Preis zahlen müssen – nur, wie hoch dieser ausfallen wird, ist noch ungewiss.