Niko Kovac kritisiert BVB-Mannschaft vor Champions League bei OSC Lille | ABC-Z

Borussia Dortmunds Trainer Niko Kovac hat nach den jüngsten Enttäuschungen beim BVB den Ton verschärft. Zu seiner Ansprache nach dem 0:1 am Samstag gegen den FC Augsburg sagte der Coach vor dem Achtelfinal-Rückspiel in der Champions League beim OSC Lille. „Da war ich sehr deutlich und direkt. Ich denke, das war nach dem Spiel gegen Augsburg auch notwendig.“ Es sei wichtig gewesen, die Sinne zu schärfen.
Stürmer Serhou Guirassy berichtete: „Es war eine klare Unterhaltung zwischen Trainer und Spielern.“ Der beste Dortmunder Torschütze ergänzte: „Ich denke, es hat mir gedient und allen Spielern gutgetan. Es war wichtig, denn wir haben gegen Augsburg nicht das gemacht, was wir hätten tun sollen.“
An diesem Mittwoch (18.45 Uhr im F.A.Z.-Liveticker zur Champions League und bei DAZN) steht der BVB enorm unter Druck. In der Bundesliga steckt die Mannschaft im Mittelmaß. Aus dem DFB-Pokal ist Dortmund ausgeschieden. Die Königsklasse ist die einzige Chance, die Saison noch zu retten.
Sebastian Kehl: „Es ist ein Finale“
Das Hinspiel in Dortmund endete 1:1. Kovac forderte: „Wir müssen morgen, wenn die Champions-League-Hymne ertönt, ein anderes Gesicht zeigen. Und ich bin davon überzeugt, dass wir das schaffen.“
„Es ist ein Finale, wir wollen eine Runde weiter, wir müssen eine bessere Leistung zeigen, aber vor allem müssen wir uns wehren“, forderte Sportdirektor Sebastian Kehl vor dem Abflug nach Nordfrankreich. „Wir müssen körperlich da sein, wir müssen Mut entgegenbringen, aber wir müssen am Ende auch eine gewisse Art von Optimismus zeigen.“ Das mit dem Optimismus könnte schwierig werden.
Beim 1:1 im ersten Duell mit dem OSC Lille versäumte es das Team von Trainer Kovac, nach einer zwischenzeitlichen Führung nachzulegen, schenkte den Vorsprung vor heimischer Kulisse noch her. Noch besorgniserregender ist allerdings das mehr als ernüchternde 0:1 in der Bundesliga gegen Augsburg. Was macht also Mut?
Tatsächlich ist beim BVB seit Monaten kein nachhaltiger Fortschritt zu erkennen. Im Gegenteil. Die Formschwankungen des teuren Kaders sind kaum zu erklären. Selbst das Torfestival beim 6:0 gegen den 1. FC Union Berlin vor zweieinhalb Wochen hat nicht für anhaltendes Selbstvertrauen und Sicherheit auf dem Platz gesorgt.
„Für mich ist das ein Riesen-Kopfthema“
„Das ist schon sehr fragil. Für mich ist das ein Riesen-Kopfthema“, sagte Innenverteidiger und Nationalspieler Nico Schlotterbeck. Von acht Partien unter Kovac hat der BVB nur drei gewonnen – bei drei Niederlagen und zwei Unentschieden. Für einen Verein, der eigentlich Tabellenführer Bayern München und Doublesieger Bayer Leverkusen herausfordern will, ist das eine erschreckende Bilanz. Ein wirklicher Effekt des Trainerwechsels ist kaum zu erkennen.
Scheidet Dortmund nun auch noch aus der Champions League aus, drohen massive Motivationsprobleme. „Das Ziel in der Liga kann ja nicht sein, dass wir auf Platz zehn herumdümpeln“, sagte Schlotterbeck. Sein Ziel sei nicht Siebter, Sechster oder Fünfter zu werden.
Dass der BVB sein Liga-Minimalziel Platz vier und damit die erneute Qualifikation für die Champions League noch schafft, glaubt im Dortmunder Umfeld kaum noch jemand. Der aktuelle Rückstand von sieben Punkten auf die viertplatzierte Frankfurter Eintracht wäre bei neun ausstehenden Spielen zwar durchaus noch aufholbar. Die Probleme liegen jedoch so tief, dass eine dafür notwendige Serie nicht realistisch erscheint.
„Wir haben gar keine Konstanz in der Mannschaft. Fehlende Konstanz heißt immer fehlende Qualität“, stellte Schlotterbeck schonungslos fest. Der 25-Jährige hofft auf einen Königsklassen-Effekt. „Irgendwie können wir uns da vielleicht durch die Champions League rausziehen“, sagte er.
Selbst die treuen Fans pfeifen aufs Team
Unmöglich ist das gegen Lille nicht. Der Fünfte der Ligue 1 ist keine Übermannschaft. Auch, wenn die Nordfranzosen in dieser Champions-League-Saison zu Hause noch unbesiegt sind und unter anderem Titelverteidiger Real Madrid geschlagen haben: Unter normalen Umständen wären die Dortmunder gegen die Mannschaft um Ethan Mbappé, den jüngeren Bruder von Weltstar Kylian Mbappé, wohl klarer Favorit. Doch was ist schon normal in diesen Zeiten beim BVB?
Selbst die treuen Fans pfiffen die eigene Mannschaft zuletzt aus, klatschten bei misslungenen Aktionen teils höhnisch Beifall. Auch für viele Anhänger ist der einzig verbliebene Höhepunkt die Champions League. Nur mit einem Sieg in Lille kann der BVB verloren gegangenen Kredit zurückholen.