Neuwahlen in Portugal: Konservativer Regierungschef verliert Vertrauensabstimmung | ABC-Z

Luís Montenegro pokerte bis zur letzten Minute. Doch mit seiner Vertrauensfrage hatte sich der portugiesische Ministerpräsident offenbar politisch verzockt. Nach nur elf Monaten im Amt muss sich der konservative Chef der rechten Minderheitsregierung voraussichtlich im Mai Neuwahlen stellen. Es sind die dritten vorgezogenen Wahlen in gut drei Jahren. Zuletzt war in Portugal am 11. März vor einem Jahr ein neues Parlament gewählt worden.
Am Dienstagabend erhielt Montenegro nur die Unterstützung seines Regierungsbündnisses und der kleinen rechtsliberalen IL-Partei. Alle anderen rechten wie linken Parteien stimmten gegen den 52 Jahre alten Vorsitzenden der konservativen PSD. Erst hatte er seine Vertrauensfrage als einen Befreiungsschlag inszeniert, als ein „notwendiges Übel“, um das Vertrauen der Wähler zu erhalten.
Aber kaum hatte am Dienstag die Parlamentsdebatte begonnen, ruderte Montenegro zurück. Er bot an, die Sitzung sofort auszusetzen. Wenig später folgte die Offerte, den Antrag zurückzuziehen. Nach zwei Stunden war seine konservative PSD-Partei dann sogar zu dem Untersuchungsausschuss bereit, den der Regierungschef bis dahin ablehnte. Die Sozialisten hatten darauf beharrt, dass das Parlament einen möglichen Interessenkonflikt Montenegros wegen eines Unternehmens im Besitz seiner Familie klärt.
Sozialisten sprechen von „Schande“
Nach Montenegros Willen sollte es zunächst eine Art Turbo-Ausschuss werden, der schon nach zwei Wochen seinen Abschlussbericht vorlegt. Die PS lehnte eine solche Kommission als Farce ab. Dann folgte eine Sitzungspause. Es gab Vermutungen, dass beide Seiten die Unterbrechung für einen Deal nutzen können, wie er in der portugiesischen Konsenspolitik nicht ungewöhnlich gewesen wäre. Wenige Minuten vor der Abstimmung legte die Regierung tatsächlich nach und bot nach eigenen Angaben 80 statt 15 Tage für den Untersuchungsausschuss.
Aber die Sozialisten überzeugte das nicht. Es sei eine „Schande“, dass sich Montenegro mit „Tricks“ und „Erpressung“ der parlamentarischen Kontrolle zu entziehen versuchte, sagte der PS-Vorsitzende Pedro Nuno Santos. Dabei hätte er nur seinen Antrag zurückziehen müssen, um an der Regierung zu bleiben. Montenegro sagte, er habe „alles, alles versucht“, aber die Sozialisten hätten sich für den Stillstand entschieden. Deshalb sei es besser, in den nächsten beiden Monaten eine Klärung herbeizuführen statt in „permanenter Instabilität zu leben“.
Noch am Abend suchte Montenegro Staatspräsident Mercelo Rebelo de Sousa auf, um mit ihm über die unpopulären Wahlen mit ungewissem Ausgang zu sprechen. Der Präsident hatte bereits angekündigt, dass er bei einer Niederlage Montenegros Neuwahlen ansetzen werde, möglicherweise schon am 11. oder am 18. Mai. Zunächst muss der Präsident alle Parteien und den Staatsrat konsultieren. Letztlich liegt die Entscheidung bei ihm.
Auslöser für die kurze, aber folgenreiche Krise waren Presseberichte, wonach das Beratungsunternehmen Spinumviva der Familie des Regierungschefs jeden Monat 4500 Euro von einem Kasino- und Hotel-Konzern erhalten hatte. Über dessen Konzessionsverträge entscheidet die Regierung in diesem Jahr. Montenegro beteuerte, er habe sich aus der Firma schon im Jahr 2022 zurückgezogen. Zunächst hielt seine Ehefrau die meisten Anteile, inzwischen haben es nach seinen Angaben seine Söhne übernommen. Weitere Vorwürfe betreffen die Immobiliengeschäfte der Firma, die vom neuen Bodengesetz profitiert haben könnte, das die Ausweisung von Bauland in ländlichen Gebieten erleichtert.
Portugal steht vor Wahlmarathon
Ende 2023 war erst die Regierung des Sozialisten und heutigen EU-Ratspräsidenten António Costa wegen Korruptionsvorwürfen zurückgetreten, die sich bald als wenig stichhaltig erwiesen. Noch Anfang 2022 hatten die seit 2015 regierenden Sozialisten in vorgezogenen Wahlen noch die absolute Mehrheit gewonnen. Montenegro bildete dann im April 2024 eine Minderheitsregierung. Er hielt Wort und regierte nicht zusammen mit der rechtspopulistischen Chega-Partei, mit der er eine rechte Mehrheit gehabt hätte. Bis zum Dienstag hatten die Sozialisten ihm bei zwei Misstrauensanträgen und bei der Verabschiedung des Haushalts geholfen, politisch zu überleben. Noch in der Debatte erweckte die PS den Anschein, als zöge sie es vor, sich erst einmal in der Opposition zu regenerieren. In jüngsten Umfragen hatte die PS nur einen knappen Vorsprung vor dem Regierungsbündnis.
Jetzt steht Portugal ein Wahlmarathon bevor. Im Herbst finden regulär im ganzen Land die Kommunalwahlen statt. Anfang 2026 wird dann ein neuer Staatspräsident gewählt. In fast allen Wahlen hatte zuletzt Chega zugelegt. Die erst 2019 gegründete Partei ist drittstärkste politische Kraft im Parlament.
Die Rechtspopulisten waren mit dem Versprechen angetreten, Portugal zu „säubern“, haben aber nun Probleme in den eigenen Reihen. Gegen drei Abgeordnete wird wegen des sexuellen Missbrauchs eines Minderjährigen, des Kofferdiebstahls und des Fahrens unter Alkoholeinfluss ermittelt. Das tut ihrer Beliebtheit keinen Abbruch. „Chega liegt schon jetzt fast bei 18 Prozent und hat das Ziel, die nächsten Wahlen zu gewinnen. Es ist an der Zeit, die PS und die PSD ein für alle Mal loszuwerden!“, verkündete die Partei am Abend auf der Plattform X.