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Keine Mehrheit im Bundesrat in Sicht | ABC-Z

Auch wenn das Zustrombegrenzungsgesetz an diesem Freitag im Bundestag eine Mehrheit finden sollte, ist es unwahrscheinlich, dass es in Kraft tritt. Denn im Bundesrat – der sich mit dem Vorhaben erst im März und damit nach der Bundestagswahl befassen wird, wenn keine Fristverkürzung beschlossen wird – ist dafür keine Mehrheit in Sicht.

Formell müssen die jeweiligen Koalitionen in den Ländern ihr Abstimmungsverhalten zwar noch festlegen. Das geschieht meist erst kurz vor einer Bundesratssitzung. Die Signale sind aber unzweideutig.

Die Union hatte am Mittwoch den Entschließungsantrag zu ihrem Fünf-Punkte-Plan für eine schärfere Migrationspolitik knapp mit Stimmen von AfD, FDP und Fraktionslosen durch den Bundestag gebracht. Da ließ die Fraktion der hessischen SPD, die als Juniorpartner von Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) mitregiert, per Pressemitteilung wissen, man erwarte von der Landesregierung, dass sie im Bundesrat Gesetzen nicht zustimmt, die im Bundestag nur mit den Stimmen der AfD beschlossen werden konnten.

Grüne in NRW: Stärkt einzig die Rechtsextremen

In Nordrhein-Westfalen, wo Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) eine schwarz-grüne Regierung führt, kritisierte die Grünen-Fraktionsvorsitzende Verena Schäffer Unionskanzlerkandidat Friedrich Merz direkt nach der Abstimmung scharf. Dessen Vorgehen schwäche die Demokratie. „Dass ein Antrag der Union eine Mehrheit durch die Stimmen der AfD bekommen hat, stärkt einzig die Rechtsextremen.“ Auch inhaltlich überzeugten die Anträge der Union nicht, „denn sie hätten den furchtbaren Anschlag von Aschaffenburg nicht verhindert und helfen uns in der Migrationspolitik nicht weiter, weil wir eine europäische Lösung brauchen und keine nationalen Alleingänge“.

Wüst hatte sich in den vergangenen Tagen zwar hinter Merz gestellt. Als er am Donnerstagmorgen im Landtag kurz Stellung zur aktuellen Lage nahm, erwähnte er den CDU-Bundesvorsitzenden nicht. Wüsts eindringlicher Appell, das Migrationsproblem „aus der demokratischen Mitte heraus“ zu lösen, konnte aber als indirekte Kritik an dessen Vorgehen verstanden werden. Im Koalitionsvertrag haben CDU und Grüne festgelegt, dass sich NRW im Bundesrat in den Fällen der Stimme enthält, in denen keine Einigung über das Abstimmungsverhalten erzielt werden kann.

Auch Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern dürften ablehnen

In Hamburg sagte der Sprecher der Senatsregierung, das Abstimmungsverhalten im Bundesrat teile man grundsätzlich erst im Nachhinein mit. Aber klar ist, dass SPD und Grüne einem möglichen Gesetz auf keinen Fall zustimmen werden. Das zeigen schon die Äußerungen der beiden Parteien in der Debatte zum Thema in der Bürgerschaft am Mittwoch. Von den Grünen hieß es da, Merz öffne Tor und Tür für jene, die der Demokratie schaden wollten. Die SPD warf Merz vor, die CDU in die Arme der Rechtsextremisten zu treiben.

Ähnlich ist die Bewertung in Mecklenburg-Vorpommern durch die dortige rot-rote Landesregierung. Sie hat zwar ebenfalls formal zu einem möglichen Abstimmungsverhalten im Bundesrat noch keinen Beschluss gefasst, in einer Aktuellen Stunde des Landtags aber warf der SPD-Fraktionsvorsitzende Julian Barlen Merz einen „Dammbruch“ und „Demokratieverrat“ vor. Die Linke nannte Merz einen „Steigbügelhalter“ der AfD.

In Schleswig-Holstein ist die Lage komplizierter

In Schleswig-Holstein ist die Lage komplizierter. Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) sprach am Mittwoch im Landtag Merz öffentlich seine Unterstützung aus. Im CDU-Vorstand aber soll er intern den Parteivorsitzenden dafür kritisiert haben, dass dieser die Pläne so kurz vor der Wahl durchgepeitscht habe. Außerdem soll Günther angekündigt haben, dass sein Land im Bundesrat einem möglichen Gesetz nicht zustimmen werde, wenn es den Bundestag mit Zustimmung der AfD passiere. Wahrscheinlich ist eine Enthaltung Kiels im Bundesrat; die Grünen, die im Land von einem sehr linken Duo geführt werden, lehnen Merz’ Vorhaben vehement ab.

Das rot-grün regierte Land Niedersachsen, das wie Baden-Württemberg, Bayern und NRW mit sechs Stimmen im Bundesrat zu den Schwergewichten zählt, wird das Gesetz ablehnen. Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) sagte auf Anfrage, der Bundesrat werde „Herrn Merz ein Stopp-Schild“ für das Gesetz präsentieren, wenn dieser im Bundestag die AfD als Mehrheitsbeschafferin dafür nutzt. Merz habe sich „offenkundig verrannt und muss sich dringend besinnen“.

Auslöser: CDU-Parteichef Friedrich Merz vor der umstrittenen Abstimmung im Bundestag.dpa

Das rot-grün-rot regierte Bremen dürfte ebenfalls ablehnen. „Bremen wird keinem Gesetz zustimmen, das nur mit Unterstützung der AfD zustande kommt“, sagte Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD) der F.A.Z. Ebenso äußerte sich Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU) im Abgeordnetenhaus für seinen schwarz-roten Senat.

Zustimmung in Baden-Württemberg äußerst unwahrscheinlich

Das von CDU, SPD und FDP geführte Sachsen-Anhalt hat noch keinen Kurs festgelegt. „Über das Stimmverhalten entscheidet das Kabinett, wenn es eine Vorlage gibt“, sagte der Sprecher von Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU). Da die SPD das Gesetz aber koalitionsintern kaum mittragen wird, dürfte sich das Land im Bundesrat wie in der Koalitionsvereinbarung festgelegt enthalten.

So verhält es sich auch in Baden-Württemberg, wo die grün-schwarze Regierung von Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) ihr Abstimmungsverhalten im Bundesrat ebenfalls noch nicht festgelegt hat. Ein Sprecher sagte der F.A.Z.: „Noch ist das Gesetz im Bundestag nicht beschlossen. Wir werden uns in der Koalition aber dazu verhalten, wenn es auf der Tagesordnung des Bundesrats steht.“ Aus Regierungskreisen hieß es, eine Zustimmung sei äußerst unwahrscheinlich.

Lediglich Bayern wird nach Lage der Dinge im Bundesrat zustimmen. Der stellvertretende Ministerpräsident und Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger sagte der F.A.Z.: „Es ist dringend nötig, dass der Staat bei diesem existenziellen Thema handlungsfähig ist, sonst verliert der Bürger den Glauben an die Demokratie.“ SPD und Grüne „betreiben mit ihrer ideologischen Blockadehaltung gerade die Delegitimierung des Staates und bringen die AfD ins Spiel“.

Vom CSU-Teil der Staatsregierung war zunächst keine Stellungnahme zu bekommen. Jedoch hatte Ministerpräsident Markus Söder (CSU) deutlich gemacht, dass er das Vorgehen von Merz, das auch eng mit CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt abgestimmt war, weiter mitträgt. Merz gehe voran – „und er hat dabei meine volle Unterstützung“, so Söder.

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