Gesundheit

Klimawandel, Heiße Tage lassen Menschen schneller altern – Gesundheit |ABC-Z

Dass Sonnenstrahlen die Menschen alt aussehen lassen, hat sich herumgesprochen. Vorbei sind die Zeiten, als sonnengebräunte Haut als Inbegriff von Jugend und Schönheit galt. Mittlerweile weiß man gut genug, dass aus sonnengebräunt schnell sonnengegerbt wird und das UV-Licht beim Hervorlocken der Bräune neben Falten auch gleich das Hautkrebsrisiko befördert. Doch in der Hitze des Sommers altert weit mehr als nur die äußere Hülle. Das zeigt eine Studie aus den USA, die das Potenzial hat, sich sehr tief ins Gedächtnis einzubrennen. Denn ihr zufolge können hohe Außentemperaturen das biologische Altern von Menschen erheblich beschleunigen. Angesichts zunehmender Hitzeperioden in Zeiten des Klimawandels ist das eine Nachricht mit weitreichenden Folgen.

Für die Studie haben Wissenschaftlerinnen der University of Southern California in Los Angeles die Daten von 3686 über 55-jährigen US-Amerikanern ausgewertet. Zunächst erfassten sie, an wie vielen Tagen der Jahre 2010 bis 2016 es an den Wohnorten dieser Menschen besonders heiß war. Dann untersuchten sie anhand von Blutproben, wie weit die biologische Uhr der Probanden im Vergleich zu ihrem wahren Lebensalter vorgerückt war. Neben dem Lebensalter, das unverrückbar durch den Geburtstag festgelegt wird, hat jeder Mensch auch ein biologisches Alter, wonach er körperlich um Jahre jünger oder älter sein kann, als es sein Geburtsdatum sagt. Abgelesen werden kann dieses biologische Alter an Veränderungen des Erbguts, aber auch an Laborwerten, am Puls, gemessenen Zellschäden oder der Kraft des Händedrucks.

Die US-Studie beschränkte sich auf den Blick ins Erbgut, der als der zuverlässigste Weg zur Erfassung des biologischen Alterns gilt. Dabei zeigte sich ein deutlicher Zusammenhang von Hitzetagen mit dem Ticken der biologischen Uhr, wie die Forscherinnen im Fachblatt Science berichten. Menschen etwa aus Texas oder Florida, wo die Tageshöchsttemperaturen mehr als die Hälfte des Jahres über 32 Grad Celsius lagen, waren körperlich verglichen mit ihrem tatsächlichen Lebensalter um bis zu 14 Monate stärker gealtert als Probanden aus Gegenden wie Oregon. In diesen kühleren Regionen gab es höchstens zehn solcher heißen Tage pro Jahr.

Hitze macht nicht nur älteren Menschen zu schaffen

Dass sich Hitzewellen negativ auf die Gesundheit auswirken, ist bekannt. So kommt es in Hitzeperioden zu einer erhöhten Zahl von KrankenhauseinweisungenHerzinfarkten und Schlaganfällen. Auch die Sterberate steigt. Das gilt nicht nur für die USA, sondern auch für Deutschland, wo etwa im Rekordsommer 2018 rund 8300 Menschen aufgrund der Hitze starben. In den jüngst zurückliegenden Sommern waren es in der Regel rund 4000. Zwar gibt es die meisten hitzebedingten Todesfälle unter Senioren im Alter von über 60 Jahren. Doch die Hitze trifft längst nicht nur betagte Menschen. Je mehr Hitze mit Luftfeuchtigkeit gepaart ist, desto mehr jüngere Menschen sterben. Auch können hohe Temperaturen Migräneattacken auslösen und den Verlauf von Autoimmunerkrankungen und psychischen Erkrankungen verschlechtern. Selbst die ganz Jungen leiden: So deuten Daten vom Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf auf eine erhöhte Rate an Frühgeburten bei steigenden Außentemperaturen hin.

Welche Prozesse im Einzelnen hinter diesen negativen Auswirkungen der Hitze stecken, ist oft unklar. Bei der Suche nach den Gründen könnte die Erfassung des biologischen Alters helfen. Über Jahrzehnte gab es dafür keine standardisierten Messmethoden. Doch das hat sich in jüngerer Zeit geändert.

Die US-Forscherinnen haben in ihrer aktuellen Veröffentlichung gleich drei Methoden genutzt, um möglichst verlässliche Aussagen zu bekommen. Alle Methoden bestimmten das „epigenetische Alter“. Dahinter steckt die Entdeckung, dass sich die DNA im Laufe des Lebens immer stärker verändert. Mit der Zeit häufen sich in dem großen Erbmolekül in den Zellen eines Menschen nicht nur genetische Mutationen an, sondern es kommt auch zu chemischen Modifikationen, oft in Form von angehefteten Methylresten. Diese Veränderungen nennt man epigenetische Veränderungen. „Ihre Anhäufung gehört zum Altern dazu, und sie erhöhen im Laufe der Zeit das Risiko für Krankheit und Tod“, sagt Alexandra Schneider, die am Institut für Epidemiologie des Helmholtz-Zentrums München die Arbeitsgruppe Environmental Risks leitet. Sie hat vor zwei Jahren die weltweit erste Studie zum Zusammenhang von Hitze und epigenetischem Altern publiziert.

Mit epigenetischen Messungen ließen sich das biologische Alter eines Menschen und seine allgemeine Gesundheit gut abschätzen, so Schneider. So kann der von den US-Wissenschaftlerinnen verwendete Grim-Age-Test, in den die Analyse verschiedener Stressproteine und Folgen des Tabakrauchs einfließen, ziemlich akkurat voraussagen, wie lange ein Mensch noch leben und wie lange er noch gesund leben kann. Der Pheno-Age-Test weist auf Entzündungsprozesse im Körper und dessen Fähigkeit hin, auf DNA-Schäden etwa durch Sonnenstrahlen zu reagieren. Und der Dunedin-Pace-Test wurde mithilfe einer großen Studiengruppe aus Neuseeland entwickelt, deren Blutproben über mehr als 20 Jahre auf Methylierungen untersucht wurden und so einen Maßstab dafür liefern, wie durchschnittliches Altern epigenetisch aussieht.

Die Auswirkungen von Klimaveränderungen werden messbar

„Das Feld ist zwar noch im Fluss, aber diese Indikatoren sind sehr valide, um das biologische Alter zu bestimmen“, sagt Björn Schumacher, der an der Universität Köln das Institut für Genomstabilität in Alterung und Erkrankung leitet. „Da hat sich in den vergangenen Jahren sehr viel getan.“ Alle drei Tests zeigen Schumacher und Schneider zufolge somit recht verlässlich auf, wie sehr das biologische Alter vom Lebensalter abweicht.

Diese Abweichung ist nicht nur enorm, wenn man raucht oder an einer viel befahrenen Straße wohnt, sondern offenbar auch beim Leben in der Hitze. In der US-Studie erhöhten längere Hitzeperioden laut dem Pheno-Age-Test das biologische Alter um 2,5 Jahre, nach dem Grim-Age-Test waren es 1,1 Jahre; und dem Dunedin-Pace-Test zufolge wurde das Ticken der epigenetischen Uhr durch die Hitze um fünf Prozent beschleunigt. Bei einer Lebensspanne von 100 Jahren würde das also einen Abzug von immerhin fünf Jahren bedeuten. Laut dem Pheno-Age-Test beschleunigten auch kürzere und mittellange Hitzeperioden das Altern.

Die Ergebnisse gehen in die gleiche Richtung wie die Studie des Teams um Alexandra Schneider. Die Münchner Forschenden hatten bei rund 3500 Personen aus der Region Augsburg mit fünf Messmethoden nach Anzeichen für beschleunigte Alterung gesucht. Je nach Messmethode führte eine achtwöchige Hitzeperiode zu einer Alterung zwischen zwei und zwölf Jahren. Auch wenn die Temperaturen nur vier Wochen lang hoch waren, rückte die biologische Uhr deutlich vor. Gemeinsam mit den neuen Ergebnissen aus den USA werde immer deutlicher, „wie sehr die epigenetische Altersbeschleunigung durch Hitze zum vermehrten und früheren Ausbruch von altersbedingten Krankheiten führt und damit zum erhöhten Risiko für hitzebedingte Sterblichkeit“, sagt Schneider.

Das sieht auch Björn Schumacher so. „Mit diesen Messmethoden haben wir ein wichtiges Werkzeug in der Hand, sagt er. Man kann so die Auswirkungen der Klimaveränderungen anhand von Blutproben messbar machen und Schutzmaßnahmen entwickeln.“ Diese sind auch heute schon angezeigt. Denn der Augsburger Studie zufolge ließ sich bereits eine Erhöhung der durchschnittlichen Temperatur um ein Grad Celsius an der epigenetischen Uhr ablesen. Angesichts dessen, dass die Erderwärmung rund 1,3 Grad erreicht hat und sich gerade auf 1,5 Grad zubewegt, belegt das noch einmal, wie sehr der Klimawandel nicht nur Natur und Umwelt bedroht, sondern auch der Gesundheit und dem Leben von Menschen Schaden zufügt.

Schaltfläche "Zurück zum Anfang"