Kleinkinder: Voll auf Zucker! – Gesellschaft | ABC-Z

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Liebe Leserin, lieber Leser,
vor Kurzem ist meine Tochter zwei geworden. Naja, wenn es nach ihr ginge, eigentlich schon früher. Wochen vor ihrem Geburtstag war sie felsenfest davon überzeugt, dass sie heute (übertragbar auf jeden beliebigen Tag) Geburtstag habe, und das auch entsprechend gefeiert werden müsse: Luftbaum (ihr Wort für Luftballon), Krone, Geschenke, Kuchen.
Gab es dann natürlich auch alles an ihrem Geburtstag. Das mit dem Kuchen, also mit den Süßigkeiten im Allgemeinen, ist für mich noch etwas ungewohnt. Sie isst ja jetzt Zucker. Zu ihrem ersten Geburstag gab es aus nachvollziehbaren gesundheitlichen Gründen (SZ Plus) noch einen zuckerfreien Kuchen, dessen Ähnlichkeit zu einem Grillhendl nicht ganz von der Hand zu weisen war. Diesmal wurde es ein Schmetterlingskuchen. Mit Zucker, dafür ohne Verwechslungsgefahr.
Fazit: Kam bei meiner Tochter auf jeden Fall besser an als der Hendl-Kuchen, aber bei Weitem nicht so wie das erste Eis ihres Lebens. Eigentlich wollte sie nur mal bei Mama „probieren“. Aber Mamas Eis schmeckte dann so gut, dass sie es ihr gar nicht mehr wiedergeben wollte. Beim naiven Versuch, es ihr wieder abzuluchsen, färbte sich sowohl der weiße (natürlich!) Sonnenhut als auch der Kinderwagen himbeerfarben. Wenn meine Tochter heute nur das E-Wort hört, streckt sie sofort ihre Zunge raus und macht schnelle Schleckbewegungen. Her damit, sonst schmilzt es doch!
Als ich gesehen habe, wie sie ihr Eis wie einen kostbaren Schatz verteidigte, musste ich an diese Geschichte meines Kollegen Georg Cadeggianini denken (SZ Plus). Einmal im Jahr dürfen seine Kinder so viel Süßes essen, wie sie wollen – von früh bis spät. Das Familienmitglied, das heimlich etwas anderes „nascht“, scheidet aus. „Die Kinder schütten sich Brause in den Mund, der Rekord liegt bei zwei vollen Tüten ohne Schlucken“, schreibt er. „Zähne knirschen, Zucker kribbelt. Es schäumt, die Augen verraten, dass der Kopf vor Vergnügen explodiert.“ Ich kann Ihnen diesen Text nur empfehlen.
Bei meiner Frau und mir ist es aktuell eher so, dass wir uns in Anwesenheit unserer Tochter wie bei einer Drogenübergabe heimlich Pistazienkekse zustecken, in der Hoffnung, dass die Zweijährige keinen Wind davon bekommt. Jetzt würde mich interessieren, wie Sie das mit den Kindern und dem Zucker handhaben. Ab wann gab es ihn? Wird er reglementiert? Oder setzen Sie voll auf Eigenverantwortung?
Ich freue mich, wenn Sie mir schreiben.
Ein schönes Wochenende wünscht
Julian Gerstner