Hoeneß über seine Bayern-Nachfolger: „Hatte mir den Übergang leichter vorgestellt“ | ABC-Z

AZ: Leroy Sané ist eine Personalie, die bei den Fans immer heiß diskutiert wird. Warum hat er es nie so richtig geschafft, trotz seines Talents, eine tragende Rolle zu übernehmen?
ULI HOENESS: Er hat überragende Fähigkeiten. Aber er muss einfach wissen, wenn man Leistungsträger sein will, was er absolut sein kann, dann muss man konstant gut spielen. Allerdings muss man ihm zugutehalten, dass er auch sehr oft verletzt war.
Das bedeutet, Sané gehört im Sommer, wenn sein Vertrag ausläuft, auch zu diesen harten Entscheidungen, die Sie bereits angesprochen haben?
Da müssen Sie andere fragen, aber das letzte Wort ist da vermutlich noch nicht gesprochen.
Dabei geht es natürlich auch um die Finanzen, gerade weil man jetzt mit Alphonso Davies und Jamal Musiala verlängert hat. Da haben Sie schon immer noch ein Auge drauf, oder?
Der FC Barcelona lässt grüßen. Wir müssen aufpassen. Inzwischen sind auch wir mit unserer Gehaltssituation ziemlich weit oben in Europa, um international konkurrenzfähig zu bleiben. Und deswegen müssen wir unseren Spielern klarmachen, was da gerade passiert. Wir kommen in einen Grenzbereich, in dem die Wege nach oben nicht mehr so allzu offen sind.
Hoeneß über möglichen Wirtz-Transfer: „Müssten wir eine Finanzierung nachdenken“
Wäre denn eine Verpflichtung von Florian Wirtz im Sommer finanziell überhaupt realistisch?
Wenn wir den Spieler wollten, dann müssten wir über eine Finanzierung nachdenken. Unser Festgeldkonto ist gerade nicht mehr so üppig, wie es mal war.
Der andere Weg wäre, Einnahmen über Transfers zu generieren.
In dieser Größenordnung wäre das schwierig.
Wäre es für den FC Bayern eine Art Zeitenwende, wenn man für einen Wunschspieler ins finanzielle Risiko gehen müsste?
Wir haben im Fall von Harry Kane schon bewiesen, dass wir an die Grenzen gehen können. Und wenn wir von einem Spieler überzeugt sind, dass er den FC Bayern wirklich stark verbessern würde, dann würden wir versuchen, unsere Hausaufgaben zu machen. Wir waren damals in der Situation, dass Robert Lewandowski weg war und wir eine Nummer neun brauchten, die uns eine relativ große Sicherheit für Tore gibt. Und da gab und gibt es ja nicht so viele. Dann muss man auch bereit sein, einige Millionen mehr zu zahlen, weil du dafür diese große Sicherheit bekommst. Bei Harry ist die Sicherheit der Tore einfach gegeben.
Hoeneß über Klub-WM: „Können viel Geld einspielen“
Wie oft tauschen Sie sich denn mit Finanzvorstand Michael Diederich aus, um da auch auf dem Stand zu bleiben?
Mit ihm telefoniere ich häufig. Und wenn er mich mal braucht für Meetings mit größeren Finanzmanagern, dann bin ich gerne dabei.
Im kommenden Sommer findet erstmals die Klub-WM der Fifa im neuen Modus statt. Was halten Sie von diesem neuen Turnier in der Sommerpause?
Ich sehe es prinzipiell kritisch, wenn es immer mehr Termine im Spielkalender gibt. Aber dieses Turnier tut uns ganz gut, weil wir über die Klub-WM viel Geld einspielen können.
Hoeneß erklärt wie der FC Bayern durch den Rummenigge-Verkauf seine Schulden losbekam
Wenn wir nochmal auf die große Erfolgsgeschichte des FC Bayern blicken, gab es auch Momente, als Sie wirklich mal Angst hatten um den Verein?
Eigentlich nicht. Aber ich kann mich entsinnen an 2006/2007. Wir waren, glaube ich, Sechster oder Siebter, waren ein Jahr nicht in der Champions League und sogar gefährdet, dass wir uns nicht für den Uefa-Cup qualifizieren. Da kann ich mich an eine Aufsichtsratssitzung erinnern, als wir vorgestellt haben, dass wir gerne Franck Ribery, Luca Toni und Miroslav Klose verpflichten wollen, eine für damalige Verhältnisse Wahnsinnsinvestition von rund 100 Millionen Euro. Da war der Aufsichtsrat schon sehr kritisch. Aber dann hat der Franz gesagt: ,Meine Herren, sind wir eine Bank oder ein Fußballverein?!‘ Damit war das Thema vom Tisch. (lacht)
Und damals, als durch den Verkauf von Karl-Heinz Rummenigge der Verein gerettet wurde?
Ja, das werde ich nie vergessen. Wir hatten zwölf Millionen Mark Umsatz und sieben Millionen Mark Schulden. Zuerst wollte ihn ja Juventus Turin verpflichten, aber dann kam Inter Mailand und hat mehr bezahlt. Elf Millionen Mark haben wir von Inter bekommen für Karl-Heinz. Wir haben mit den sieben Millionen die Schulden bezahlt. Zwei Millionen für Lothar Matthäus bezahlt nach Gladbach und eine Million für Roland Wohlfahrt an den MSV Duisburg. Und die letzte Million, die übrig war, die war der Beginn unseres Festgeldkontos. Das war so dieses Traumgeschäft, bei dem alle zufrieden sind: Der FC Bayern war seine Schulden los, Karl-Heinz hat viel mehr verdient als bei uns – und Inter Mailand hat einen riesigen Spieler bekommen.
Wie schaut für Sie heute ein perfekter Sonntag aus? Der FC Bayern hat tags zuvor gewonnen und Sie sitzen zuhause am Tegernsee auf der Terrasse, trinken einen Aperol Spritz, rauchen eine Zigarre und schauen dann später viel Fußball. Oder hat da Ihre Gattin etwas dagegen?
Wir haben ja zwei Fernsehgeräte. (schmunzelt)
Hoeneß hofft auf Müller in der Bayern-Führungsetage
Und dann schauen Sie, was in der spanischen Liga los ist oder in der italienischen?
Hauptsächlich schaue ich die Premier League und Sonntagabend dann Golf. Und auch sehr viel Basketball.
Hoffentlich hat Ihnen dann das überraschende Pokal-Aus der FC-Bayern-Basketballer nicht den Sonntag verdorben.
So etwas kommt mal vor, wenn der Andreas Obst oder der Carson Edwards eben die Dreier nicht treffen. Das habe ich lernen müssen im Basketball. Da sind sehr oft drei Millimeter, die entscheidend sind. Trotzdem muss ich sagen, was unsere Mannschaft dieses Jahr leistet, ist unglaublich. Vor allen Dingen, weil die Leistungen in der Euroleague, die ja das Maß aller Dinge ist, die sind schon überragend. Wir sind Tabellenführer in der Bundesliga, und Besuche sowohl im neuen SAP Garden als auch im BMW Park mit dem Videoglasboden sind einfach spektakulär.
Zum Abschluss noch die alles entscheidende Frage: Wann lernt der FC Bayern, komplett ohne die Unterstützung von Uli Hoeneß zu laufen?
Ich weiß nicht, wie lange ich noch im Aufsichtsrat bin und hatte mir den Übergang leichter vorgestellt. Ich habe gedacht, das geht so wie in meiner Wurstfabrik. Wir haben ja auch ein mittelständisches Unternehmen mit 350 Mitarbeitern, über 100 Millionen Umsatz, das inzwischen die Kinder übernommen haben. Jetzt machen wir beim FC Bayern einen neuen Anlauf, es soll nun mit dieser Generation gelingen, und auf Sicht denke ich dann zum Beispiel auch an einen Thomas Müller. Das wäre mein Traum.