Amazon erwirbt die Filmrechte an „James Bond“ | ABC-Z

Es geht nur um Unterhaltung, mehr nicht. Um eine Filmfigur, um reine Phantasie. Doch in Großbritannien war Entertainment noch nie Nebensache. Seit das Empire verloren ging, ruht die Weltmacht des kleinen Königreichs vor allem auf seinen Kulturgütern. Politisch mag es in den vergangenen hundert Jahren nicht besonders gut gelaufen sein, aber kulturell haben die Briten ihren Einfluss dank der Beatles und „Harry Potter“, „Bridget Jones“ und Damien Hirst, „Downton Abbey“ und Ed Sheeran mehr als behauptet.
Nur so ist nun das landesweite Entsetzen über eine Transaktion in der Filmbranche zu erklären: Als „Angriff auf das britische Wesen“ wertet die Tageszeitung „Daily Telegraph“ den Deal, die Internet-Plattform „UnHerd“ bezeichnet ihn als „Lizenz zum Töten“, und der „Daily Mirror“ fragt, ob den Briten jetzt „der Himmel auf den Kopf fällt“.
Auslöser ist die Nachricht, dass die Zukunft der größten britischen Kinolegende von jetzt in amerikanischer Hand liegt: James Bond gehört Amazon. Mit dem Erwerb der Firma MGM Studios sicherte sich der Onlineversandhändler schon vor drei Jahren die Vertriebsrechte an den Bond-Filmen. Und jetzt haben die Amerikaner auch noch deren Urheberrechte von der Familie Broccoli erworben. Inklusive derer für zukünftige Verfilmungen.
Was will der Milliardär von Bond? Mehr Milliarden
Drehbuch, Regie, Besetzung und Produktion werden fortan also nicht mehr in Großbritannien bestimmt, sondern von einem amerikanischen Multi-Milliardär. Der die Entscheidung über das wichtigste Thema indes gleich ans Publikum weitergab. Den Zukauf gab der Amazon-Chef Jeff Bezos dadurch bekannt, dass er auf Instagram die Frage stellte: „Wen würdet ihr als nächsten James Bond wählen?“
Mit der Übernahme geht eine Ära zu Ende und eine mehr als sechzig Jahre lange Familientradition. Seit 1961 haben die Broccolis – erst Albert, dann seine Tochter Barbara und sein Stiefsohn Michael Wilson – insgesamt 25 James-Bond-Filme produziert, mit sechs verschiedenen Darstellern, darunter zuletzt Daniel Craig, der aber nicht wieder antreten will. Die Familie Broccoli herrschte mit eiserner Hand über die Figur, beschränkte sie aufs Kino, verzichtete auf Spin-offs und Fernsehserien und verfolgte generell die Devise, dass weniger mehr ist, um die Legende zu bewahren. Unter den Broccolis war jeder neue Film ein Weltereignis, zu dessen Premiere selbst die britische Königsfamilie regelmäßig erschien.
Kritiker fürchten, dass diese bewährte Formel nun von Algorithmen ersetzt wird, die James Bond der Gewinnmaximierung ausliefern. Als negatives Beispiel gelten „Star Wars“ und die Marvel-Superheldenwelt, die vom Disney-Konzern jeweils in riesige „Multiversen“ verwandelte wurden, bei denen eine Fortsetzung die nächste jagt, jede Figur eine eigene Serie bekommt und selbst hartgesottene Fans vom qualitativ mäßigen Überangebot ermüdet werden. Nach dieser Lesart wäre Bezos mit seiner bemerkenswerten Ähnlichkeit zum klassischen Bond-Gegenspieler Ernst Stavro Blofeld der ultimative ausländische Schurke, der dem britischen Agenten im Dienste seiner Majestät endgültig den Garaus macht, weil ihm die Welt nicht genug ist.
Was wollen wir von Bond? Mehr Filme
Doch es gibt auch eine andere Version der Geschichte. Sie beginnt mit der schlichten Tatsache, dass auch die Broccolis keine Landsleute von James Bond sind. Barbara und ihr Stiefbruder besitzen zwar mittlerweile die britische Staatsbürgerschaft, ihr Vater aber, der das Potential von Ian Flemings Agentenromanen erkannte und sich 1961 die Filmrechte daran sicherte, war ein Italo-Amerikaner aus New York.
Seine Wagenburgmentalität mag den Bond-Betrieb in der Tat vor vielen Versuchungen bewahrt haben. Gleichzeitig aber wehrten die Broccolis immer wieder großartige Ideen und Regisseure ab: Steven Spielberg, Quentin Tarantino und Christopher Nolan wollten Bond-Filme drehen und wurden alle abgelehnt. Sam Mendes durfte zwar, beklagte aber den mangelnden kreativen Freiraum, den ihm die Familie ließ. Sein Nachfolger Danny Boyle warf nach ein paar Monaten hin.
Seit dem letzten Film sind mittlerweile vier Jahre vergangenen, ohne dass der nächste auf den Weg gebracht worden wäre. Es gibt keinen Bond-Darsteller, keinen Regisseur, kein Drehbuch. Für angeblich eine Milliarde Dollar soll Amazon die stolze unkooperative Familie nun aus dem Weg geräumt haben, damit es weitergeht. Es wird sich zeigen, ob Jeff Bezos das Zeug für die Rolle von „M“ hat und James Bond mit ruhiger Hand in neue Abenteuer steuert oder am Ende doch als Blofeld in die Filmproduktionsgeschichte eingeht.