Einheit von Frankreich trainiert: Krisengerüchte um ukrainische Vorzeige-Brigade | ABC-Z
Einheit von Frankreich trainiert
Krisengerüchte um ukrainische Vorzeige-Brigade
16.12.2024, 20:53 Uhr
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Nach monatelanger Ausbildung in Frankreich feuert Kiew den Befehlshaber der 155. ukrainischen Brigade kurz vor dem ersten Fronteinsatz. Ein bekannter Militärjournalist behauptet, dass zuvor Hunderte Soldaten der Einheit desertiert seien. Auch eine Abgeordnete erhebt schwere Vorwürfe.
Die von Frankreich ausgebildete und bewaffnete 155. mechanisierte Brigade der ukrainischen Streitkräfte hat kurz vor dem ersten Kampfeinsatz an der Front ihren Kommandeur verloren. Nach offiziellen Angaben wurde Oberst Dmytro Ryumshin von seinen Aufgaben als Kommandeur der Einheit entbunden. Auf der Facebook-Seite der Brigade bedankte sich Rjumschin am vergangenen Mittwoch bei seinen Untergebenen und schrieb, es sei eine Ehre gewesen, mit ihnen zu trainieren.
Die 155. Brigade ist die erste größere Kampfeinheit der Ukraine, die außerhalb des Landes trainiert wurde. Der Verband wurde Mitte des Jahres aufgestellt und hielt sich von August bis November auf Stützpunkten in Frankreich auf. Die Einheit verfügt über französische Waffen wie Selbstfahrhaubitzen vom Typ Caesar und trägt den Beinamen “Anna von Kiew” in Anlehnung an die gleichnamige Prinzessin, die im 11. Jahrhundert Königin von Frankreich war. Medienberichten zufolge befindet sich die Brigade mittlerweile im Raum der umkämpften Stadt Pokrowsk in der Region Donezk.
“Soldaten nicht motiviert”
Der bekannte ukrainische Militärjournalist Jurij Butusow kritisierte im Netz die Entlassung und bezeichnete Rjumschin in einem Lagebericht am Sonntag als “einen unserer besten Kommandeure”. Zudem behauptete Butusow, Grund der Entlassung sei, dass “fast tausend” Angehörige der Brigade nach der Rückkehr in die Ukraine desertiert seien, weil es sich bei vielen um Zwangsrekrutierte handele.
“Der Kommandeur der Bodentruppen der ukrainischen Armee beschloss, eine Vorzeige-Einheit zu schaffen, und steckte mehrere tausend Männer in die Einheit, viele von ihnen buchstäblich von der Straße”, sagte Butusow in seiner Sendung. “Sie zogen diesen Männern eine Uniform an, sagten ihnen, sie seien eine Brigade, und übertrugen einem kompetenten Kommandeur die Leitung, aber sie gaben ihm keine Zeit, eine einheitliche Einheit zu schaffen. Infolgedessen waren viele der Soldaten nicht motiviert und desertierten.”
“In der Brigade herrscht Chaos”
Bereits vergangene Woche hatte die ukrainische Parlamentsabgeordnete Marjana Besuhla die Zustände innerhalb der Brigade kritisiert. Auf ihrem Telegram-Kanal schrieb sie, dass es der Einheit an Fahrzeugen, Geräten für die elektronische Kriegsführung und FPV-Drohnen (First Person View) mangele. Zudem könne die Brigade die von Frankreich gelieferten Luftabwehrraketen vom Typ Mistral und die Milan-Panzerabwehrraketen nicht mehr bedienen, weil die dafür ausgebildeten Soldaten in andere Einheiten versetzt worden seien, so die Politikerin, die für ihre kritischen Kommentare über den Zustand der Armee bekannt ist. “In der Brigade herrscht Chaos”, fasste Besuhla die aktuelle Situation zusammen.
Butusow und Besuhla legten für ihre Behauptungen keine Beweise vor. Auf eine Anfrage der Zeitung “Kyiv Post” mit der Bitte um einen Kommentar reagierte das ukrainische Verteidigungsministerium zunächst nicht.