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Diskussion ums SEZ geht weiter: Ein Abriss ist nicht nötig | ABC-Z

Berlin taz | Das Bild mutet unwirklich an: An der Ecke Landsberger Allee/Danziger Straße erheben sich mehrere neu erbaute Hochhäuser. Teile des Sport- und Erholungszentrums (SEZ) stehen saniert davor und fügen sich harmonisch ins Gesamtensemble ein. Was wie ein Wunschtraum wirkt, ist ein Entwurf des Architekturbüros 03 Arch aus München für die städtebauliche Entwicklung des Areals, auf dem das 1981 eröffnete und mittlerweile arg heruntergekommene SEZ steht. Ein Entwurf, der aus dem Rennen ist. Für den das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg aber Feuer und Flamme ist.

Die Wohnungsbaugesellschaft Mitte (WBM) ist für das weitgehend verwahrloste und nicht mehr genutzte Areal im Auftrag des Senats zuständig. Vor zwei Jahren hatte sich der den ehemaligen DDR-Prestigebau nach endlosem Gezerre per Räumung mit allem Pipapo – Gerichtsvollzieherin, Landeskriminalamt und Polizei – zurückgeholt. Auf dem Gelände sind mehr als 550 neue Wohnungen geplant, davon 50 Prozent sozial gefördert, und laut WBM eine Gewerbefläche, „die eine nachhaltige Mischung aus Wohnen, Arbeiten und Freizeit“ ermöglichen soll. Platz ist genug da: Das SEZ-Karree umfasst rund 30.000 Quadratmeter.

Ende Juli wurde das Büro Stefan Forster mit einer Machbarkeitsstudie von der WBM beauftragt, sie soll Ende des Jahres vorliegen. Der Entwurf des Architektenbüros aus Frankfurt am Main hatte das Rennen gemacht. Unter der Regie der WBM fand Mitte Juli eine Jury zusammen, bei der fünf Planungsideen für die künftige Wohnbebauung des SEZ-Areals vorgestellt und bewertet wurden. Am Ende wurde eine Planung prämiert, die den kompletten Abriss vorsieht.

Drei weitere Entwürfe sahen das ebenfalls vor. Eins der eingereichten Konzepte sticht hingegen hervor, weil es nicht den Komplettabriss des SEZ zum Ziel hat, ganz im Gegenteil. Der Entwurf liegt der taz exklusiv vor. Architekt Andreas Garkisch von 03 Arch – er ist Professor an der Fakultät Architektur und Urbanistik der Bauhaus Universität Weimar –, kennt das SEZ von innen, weil er bei einer nicht öffentlichen Begehung im Mai dieses Jahres teilgenommen hat.

So könnte das Areal rund ums SEZ nach Vorstellung des Architektenbüros aus München mal aussehen



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03 Arch.


„Die Bausubstanz ist weniger schlecht als angenommen“

Sein Befund: „Die aus DDR-Tagen stammende Bausubstanz ist weniger schlecht als angenommen“, sagt Garkisch der taz. Auch der Verweis auf eine starke Asbestbelastung sei bis auf eine kleine, leicht zu behebende Ausnahme irreführend. Im Inneren des SEZ sei zwar vieles verdreckt, aber das – genauso wie leichte Inneneinbauten des letzten Besitzers – ließe sich schnell ändern.

Die Vorplanungen seitens der WBM sahen einen kompletten Abriss vor, sagt Garkisch. „Uns war es jedoch von Anfang an wichtig, das Gebäude mindestens in Teilen zu erhalten.“ Trotz Umbauten und Umnutzungen habe es seinen eigentümlichen Charme erhalten und berge „immenses Erinnerungs- und Identifikationspotenzial aus der eigenen Jugend“.

Gleichzeitig wäre der Abriss „eines der wichtigsten Prestigegebäude der DDR“ nicht nur politisch, sondern auch ökologisch fragwürdig. „In unserem Entwurf haben wir nachgewiesen, dass die geforderten Wohnungen mindestens mit einem Teilerhalt der wichtigsten Bauteile des SEZ möglich sind“, sagt Garkisch.

Demnach könnten der ehemalige Eingang und die Haupthalle sowie die Bauteile der anderen Hallen erhalten werden. Diesen „mutigen Entwurf zum Teilerhalt“ favorisiert das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg. Er zeige, „dass Wohnungsbau und -Erhalt kein Widerspruch sind“, sagt Baustadtrat Florian Schmidt (Grüne). Ein Pluspunkt: „Zwei ikonische Merkmale des SEZ“ würden erhalten bleiben.

Diskussion um den SEZ-Erhalt „ergebnisoffen weiterführen“

Für Schmidt ist es weder baukulturell sinnvoll noch besonders demokratisch, nach Einreichung dieses „qualitätvollen Konzeptes nun mit einem Kahlschlagkonzept weiterzuarbeiten, als wäre nichts gewesen“. Der Stadtrat fordert daher Senat und WBM auf, die Diskussion um den Erhalt des SEZ „ergebnisoffen weiterzuführen und die Erkenntnisse des Wettbewerbs in die weitere planerische Auseinandersetzung einfließen zu lassen“.

Auch fürs künftige Innere des SEZ hat sich das Architektenbüro Gedanken gemacht



Foto:
03 Arch.


Dem Architekturbüro 03 Arch war es wichtig, mit ihrem Entwurf, „die Diskussion über den Erhalt des SEZ wieder anzufachen“, sagt Andreas Garkisch. Und noch mehr: „Wir haben mit dem Teilerhalt des SEZ die Empfehlung des Landesdenkmalrates wieder aufgenommen.“

Der hatte im Juli in einer Empfehlung anerkannt, dass das Bauwerk durchaus eine geschichtliche Bedeutung hat und „in der Folge eine Denkmalwürdigkeit vermutet“. Im Übrigen könne die Frage der „Erhaltungswürdigkeit“ der Anlage „auch ohne Denkmalstatus bejaht werden“.

Denn unter Denkmalschutz steht das SEZ zwar nicht. Der Landesdenkmalrat unterstützt aber die auch in Fachkreisen erhobene Forderung, „zumindest eine teilweise Erhaltung des Bauwerks als vorrangiges baukulturelles Anliegen zu betrachten und die vorliegenden Planungen für das Areal daraufhin zu überprüfen“.

Es ginge nicht darum, das Gebäude als Denkmal zu konservieren, sagt Garkisch. Sondern kreativ mit der Bausubstanz umzugehen, die Erinnerungen an das Haus und seine Bedeutung zu erhalten. „Der Entwurf ist wirtschaftlich durchdacht und wäre auch mit den geforderten Wohnungen gut umsetzbar“, sagt Garkisch. Damit gehen die Diskussionen rund ums SEZ in die nächste Runde.

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