Die zweite Staffel von „Testo“ im Ersten | ABC-Z

Die Gangster-Poser aus der ARD-Mediathek-Miniserie „Testo“ sind mit einer zweiten Staffel zurück und machen wieder, was ihr Erfinder Kida Khodr Ramadan dem deutschen Fernsehen insgesamt empfiehlt – „mal ein bisschen Gas geben“. Rasant ist „Testo 2“ wirklich, dieses Mal kommt die Gang um ihren Chef Keko (Kida Khodr Ramadan) mit dem bipolaren Stulle (Frederick Lau), dem lebensmüden Pepsi (Stipe Erceg) und der unberechenbaren Kampfmaschine Barro (Rapper Veysel Gelin) nach dem Überfall mit Geiselnahme in einer Berliner Bank (Staffel 1) gewaltig herum.
Nur etwas anders als geplant. Wenn man überhaupt noch von Plan reden kann. Erfolgreiches Beute verticken sieht anders aus, und dass der einzige Kopf der Gangster-Gurkentruppe auf Speed, Keko, im Fluchtflugzeug in den ersten Minuten der neuen Ausgabe das Zeitliche segnet, scheint dem Rest, lauter hormongesteuerten Angebern, erst einmal die Aussicht zu nehmen. Ob das was wird mit dieser Weitererzählung, wieder halb „Heist-Movie“-Parodie, halb absurdes Theater in überhöhter Geschwindigkeit?
Streit um die Sitzordnung, die Beute, die Zukunft
Oder ist das Pulver aus den Ideen-Kanonen verschossen, sind die Kunstblutorgien der Erstausgabe, die uns an Tarantinos „Reservoir Dogs“ wie an Al Pacinos „Scarface“ erinnern sollten, denn darunter verkaufte es die ARD-Presse nicht, nur ein weiterer Trick, der dem öffentlich-rechtlichen Fernsehen Aufmerksamkeit sichern soll?
Am Ende der ersten Staffel, als Kekos schwere Jungs nach lukrativem Banküberfall mit Kollateralschäden unter Burkas das Weite suchten, schien alles auf ein sonniges Ende in der Karibik hinauszulaufen. Polizistin Billy Fischer (Nicolette Krebitz) war ihnen da allerdings schon auf den Fersen, wie eine Bulldogge mit Mission, unterstützt von Polizeipräsidentin Hartmut (Katharina Thalbach), die am Überfalltatort Wache stand wie nur je eine Vorgesetzten-Statue.
„Testo 2“ setzt unmittelbar darauf ein. Kaum an Bord, geht der postpubertäre Streit wieder los. Um die Sitzordnung, die Beute, die Zukunft. Gleich wird es unappetitlich, wenn Stulle und Pepsi die Flugzeugtoiletten belagern, unter den Argusaugen der übrigen, um die verschluckten Diamanten wieder ans Licht zu befördern. Keko schlichtet, man geht sich an die Gurgel, ein Handgriff zu viel, Notlandung, Exitus. Irgendwo in Norddeutschland, nahe der holländischen Grenze. Es treten auf: Moritz Bleibtreu als krimineller Strippenzieher und dauerlabernder Möchtegern-Italiener Giovanni und Franka Potente als Interpol-Beamtin Enie (eine „Lola rennt“-Reminiszenz). Peter Kurth als kasachischer Hehler und Falschgeldprüfer Ruslan.
Thomas Thieme als hilfsbereiter Taxifahrer Otto. Yusuke Yamasaki als Yamashito, Anführer eines Yakuza-Zweigs, der von der ominösen „Karate Bar“ aus Millionen-Kunstdiebstähle organisiert. Wieder sind Kekos Jungs zur falschen Zeit am falschen Ort, eskalieren, wo Vernunft gefragt wäre, manövrieren sich in ausweglose Situation, sind großspurig, gereizt, lächerlich und treffen auf die seltsamsten Zufälle. Da Keko nicht dabei ist, auf seine Art weichherziger Familienmensch, fehlt (fast) das sentimentale Moment, dafür gibt es noch mehr Action-Zitate und Montageakrobatik (Kamera Ralf Noack, Schnitt Yvonne Tetzlaff und Jens Klüber).
Wieder kommt es zur Geiselnahme, dieses Mal ist Stulle das Opfer und die Kampfkunst-Tänzerin Uzi (Performerin Marie-Louise Hertog) die Täterin. Oder es scheint so. Zwischen Szenen, in denen Harakiri begangen wird und Giovanni versucht, sich vergeblich zu absentieren, suchen alle einen Ausweg, möglichst mit der Kohle. Sechs ungefähr 15-minütige Folgen lang dauert die Chose, bei der tiefgründige Charakterzeichnungen per Handlungsbeschleunigung weggeballert werden. Kida Khodr Ramadan, der mit Nicolette Krebitz und Christoph Gampl das Drehbuch geschrieben und zusammen mit Silvana Santamaria Regie geführt hat, hat sich nach Erfolgen wie „4 Blocks“ oder „Asbest“ bei der ARD offensichtlich eine gewisse Narrenfreiheit erarbeitet. Den „deutschen theatralischen Ingwertee-Biotomaten-Film“ zu beerdigen, ist sein erklärtes Ziel.
Großspurigkeit gehört zur Rolle, dass er es kann, zeigt Ramadan mit „Testo 2“ erneut. Vor allem beherrscht er Timing und Geschwindigkeit. Figuren mit wenigen Strichen und Dialogzeilen erschaffen. Figuren, die so unsympathisch wie unkalkulierbar wirken, um deren Schicksal man sich trotzdem sorgt. Daneben gelingen ihm wieder ein paar Momente, in denen durch übertriebene Rührseligkeit hindurch echte Freundschaft leuchtet. Zum Beispiel, wenn Pepsi, Barro und Stulle beim Karaoke Falcos Song „Jeanny“ in „Keko“ umdichten und schluchzend vortragen. Die Musik (Fetisch, Marco Freivogel) gibt „Testo 2“ überhaupt wieder den Rhythmus. Will man es weit treiben mit der Bedeutungsfindung, kann man das Prinzip des Tricksens und Täuschens, das die Miniserie inhaltlich wie formal trägt, auch als Kommentar zur Zeit auffassen. Will man das nicht, bleibt das Gegenteil, Spaß an der Oberfläche des Eskapismus.
Testo 2 läuft am 25.2. ab 22.20 Uhr im Ersten (alle sechs Folgen) und steht ebenfalls ab dem 25.4. für 12 Monate in der ARD-Mediathek.