Die Neuerfindung des Olaf Scholz: Vom Ärmelschoner-Kanzler zum TV-Energiebündel? | ABC-Z

Der Wahlendspurt führt zur Politik-Dauerbeschallung durch das Fernsehen. Wo die Sender nicht freiwillig mitspielen, werden sie von Richtern gezwungen. Am Sonntag beglücken uns ARD und ZDF mit dem Duell Merz gegen Scholz, kommende Woche gibt’s dann die XXL-Nacht. Bei mir wird all der Aufwand ins Leere laufen.
Er hat bei der AfD das Tor zur Hölle gesehen. Da muss Rolf Mützenich der ewigen Verdammnis selber schon ziemlich nahegekommen sein. Aber der Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion sieht ja auch ohne seinen Klingelstreich an der Höllenpforte, als er ein Mitstimmen der AfD zu einem Antrag der Union zum Teufelswerk gemacht hat, immer ein wenig leidend aus, als hätte er schon einige Jahre im Fegefeuer verbracht.
Chancengleichheit vor Redaktionsfreiheit
Wo die Bereitschaft fehlt, wie zum Beispiel beim ARD-Sender Südwestrundfunk, da helfen dann auch mal die Richter nach. Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg entschied diesen Mittwoch, dass der SWR Vertreter des Bündnis Sahra Wagenknecht in seine Sendungen „Wahlarena Baden-Württemberg“ und „Wahlarena Rheinland-Pfalz“ einladen muss.
Die „Wahlarena“ sei, so die Begründung, „eine zentrale Sendung im Rahmen der Vorwahlberichterstattung“. Deshalb müsse Chancengleichheit für die Parteien Vorrang haben vor dem Recht auf freie redaktionelle Gestaltung.
Viel Aufregung, wenig Veränderung
So also ist das. Da fühle ich mich fast schon schuldig, dass ich heute Morgen schon meine Briefwahl in den Postkasten geworfen habe. Was für eine Verschwendung von Zeit und Energie von Politik und Fernsehen im Schulterschluss, die uns in den Tagen bis zum Wahlsonntag noch bevorsteht.
Zumindest in meinem Fall. Aber das scheint kein Einzelfall zu sein. Bei aller Aufgeregtheit und Lautsprecherei in diesen Tagen, trotz Protesten vor CDU-Zentralen und Großdemonstrationen: Die Meinungen der Wähler wirken sehr gefestigt.
In seinem diesen Freitag vorgestellten Politbarometer vermeldet das ZDF: „Kaum Veränderungen für Parteien und Kanzlerkandidaten.“ CDU/CSU gewinnen einen Prozentpunkt auf 30 Prozent. Die AfD verliert einen auf 20 Prozent. Die Grünen legen um einen auf 15 Prozent zu. Die Linke steigt um einen Zähler auf sechs Prozent. Unverändert bleiben FDP und BSW bei vier Prozent – und die Noch-Kanzler-Partei SPD dümpelt weiter bei 15 Prozent.
Scholz verliert, Merz gewinnt
Der Versuch des Ärmelschoner-Kanzlers Olaf Scholz, sich nun auf den letzten Metern des Wahlkampfs als politisches Energiebündel und persönliche Brandmauer zumindest im Fernsehen neu zu erfinden – er läuft bei den Wählern zumindest in den Umfragen ins Leere.
Welchen Kandidaten wollen die Deutschen als Bundeskanzler? Bei dieser Frage verliert Olaf Scholz im ZDF-Politbarometer noch einmal zwei Punkte auf 18 Prozent. Im Gegenzug legt Friedrich Merz in der persönlichen Bewertung um zwei zu auf jetzt 32 Prozent.
Politische Zwangsbeglückung im Schulterschluss
Damit sind die Vorzeichen gesetzt für „Das Duell – Scholz gegen Merz“, mit dem ARD und ZDF diesen Sonntagabend zur besten Sendezeit die Zuschauer im Schulterschluss zwangsbeglücken.
Da wird Olaf Scholz eineinhalb Stunden das Kunststück hinbekommen müssen, gleichzeitig Titelverteidiger als Kanzler und Herausforderer als Kanzlerkandidat sein zu müssen. Ob das gelungen ist, werden danach Caren Miosga im Ersten und Markus Lanz im ZDF den Zuschauern erklären und von ihren Talkgästen erklären lassen.
So verhilft das ZDF zur „guten Wahl“
Besonders das ZDF legt sich ins Zeug. „Unser Versprechen ist: Wer sich im ZDF informiert, wird seine Wahl gut entscheiden“, teilt der Sender mit und veranstaltet kommenden Donnerstag gleich einen „langen Wahlabend“, der bis tief in die Nacht hinein reicht.
Die politische Dauerberieselung startet schon um 19.25 Uhr mit „Klartext!“, dem ZDF-Wahlforum, bei dem neben Scholz und Merz diesmal auch die Kanzlerkandidaten von AfD und Grünen zu Wort kommen. Dann dürfen auch Alice Weidel und Robert Habeck Zuschauerfragen beantworten.
Und nach „maybrit illner“ und „Markus Lanz“ geht’s dann die ganze Nacht durch mit Reportagen und Dokumentationen wie „Deutschland, warum bist Du so?“
So viel Information und Meinungsbildung: Gut, dass mein Briefkasten bis dahin längst geleert ist. Sorry, ZDF.