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„Die Euroleague ist in Gefahr“ | ABC-Z

Herr Bertomeu, das Finalturnier der besten europäischen Basketballliga, der Euroleague, wird an diesem Freitag (Halbfinals) und Sonntag (Finale) erstmals nicht in Europa ausgetragen – sondern in der Etihad Arena in Abu Dhabi. Wie denken Sie darüber?

Mit gemischten Gefühlen. Ich glaube schon, dass es wichtig ist, auch mal riskante Entscheidungen zu treffen, weil eine Organisation wie die Euroleague ohne riskante Entscheidungen keinen Fortschritt machen kann. Aber ich habe auch Bedenken, wenn die wichtigste Veranstaltung der wichtigsten europäischen Basketballliga auf einmal außerhalb Europas stattfindet. Es ist eine Business-Entscheidung, aber beim Final Four sollte es nicht nur um Business gehen.

Die Euroleague definiert sich über die Intensität und Qualität ihrer Spiele, aber eben auch über die Stimmung in den Arenen in Athen, Belgrad oder Istanbul, wo Basketball als Sport Teil der Stadtkultur ist. Setzt sie mit einem Final Four in Abu Dhabi ihre Identität aufs Spiel – und damit auch ihr Alleinstellungsmerkmal?

Wir sollten warten und erst einmal schauen, wie die Stimmung sein wird. Ich mache mir schon Sorgen, wie die Fans das alles annehmen werden. Wir dürfen uns aber auch sicher sein, dass es aus organisatorischer Sicht ein erstklassiges Event werden wird.

Kann es sein, dass die Euroleague ins Risiko geht, weil sie gerade merkt, dass in den kommenden Jahren nicht nur ihre Relevanz, sondern womöglich sogar ihre Existenz auf dem Spiel stehen könnte?

Nein, so würde ich das nicht sagen, auch wenn eines sicher stimmt: Die Euroleague ist in Gefahr – weil den Klubs die gemeinsame Vision fehlt. Aus meiner Sicht weiß man seit drei Jahren nicht mehr, wohin die Liga will und schon gar nicht, wie sie dorthin will.

Jordi Bertomeu war 22 Jahre lang der Chef der Euroleague.Picture Alliance

Vor drei Jahren sind Sie als CEO der Euroleague ersetzt worden, nachdem sechs der elf Klubs, die damals Anteilseigner der Liga waren, gegen Sie gestimmt hatten.

Und mein Nachfolger ist auch schon wieder ersetzt worden. Zwischen 2000 und 2022 hatte die Euroleague einen CEO, zwischen 2022 und 2025 schon zwei. Das ist auch ein Grund, warum die Situation jetzt ist, wie sie ist.

Die Situation ist diese: Im März hat die NBA, die größte und mächtigste Basketballliga der Welt, angekündigt, dass sie mit dem Basketballweltverband FIBA in Gesprächen darüber ist, einen neuen Vereinswettbewerb in Europa zu veranstalten. Einen, der wohl mit der Euroleague konkurrieren würde.

Die Euroleague sendet Signale der Schwäche. Ich will nicht sagen, dass sie auch wirklich schwach ist, aber so ist die Wahrnehmung. Die Euroleague lässt den Eindruck zu, dass die Klubs nicht auf einer Linie sind, dass sie nicht gemeinsam in eine Richtung gehen, dass sie sich in der Themen- und Prioritätensetzung nicht einig sind. Und wenn solche Signale gesendet werden, werden andere Institutionen immer hinsehen und dann schauen, ob sie die Situation ausnutzen können. Das ist normal. Das ist das Geschäft. Die NBA versucht immer, ihren Einfluss zu erweitern. Und, wie gesagt, wenn die Euroleague solche Signale sendet, wird es die NBA nun vermutlich in Europa versuchen.

Was sind die Streitpunkte zwischen den Euroleague-Klubs?

Ich nehme nicht mehr an den Diskussionen teil, aber ich glaube, dass in der Euroleague ganz grundsätzlich ein kollektives Interesse durch ein individuelles Interesse ersetzt worden ist. Und dass die Konsequenz daraus ist, dass Entscheidungen auf Basis der kurzfristig zu erwartenden Ergebnisse getroffen werden. Das erklärt, warum die Euroleague Berlin verloren hat.

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In diesem Monat hat der deutsche Basketballklub Alba Berlin mitgeteilt, dass er in der neuen Saison nicht mehr in der Euroleague spielen wird.

Wenn du die größten Städte Europas in deinem Wettbewerb haben willst, musst du dich um die Klubs dort kümmern, musst ihnen helfen. Das ist dann deine Verantwortung als Liga. Du kannst dich nicht gegen die Städte und damit auch die Märkte wenden, die für deine Zukunft von entscheidender Bedeutung sind. Das Beispiel Berlin zeigt mir, dass die Euroleague-Klubs sehr kurzfristig denken. Dass sie über das Geld denken, das sie kurzfristig gewinnen können – aber nicht über das Geld, das sie langfristig verlieren werden.

Der Geschäftsführer von Alba Berlin, Marco Baldi, hat gerade im F.A.Z.-Interview gesagt, dass die Euroleague in den vergangenen „drei, vier Jahren […] alles Strategische im Prinzip aufgegeben“ habe.

Als ich CEO war, sah die Strategie vor, dass Alba Berlin bis 2024 Anteilseigner der Euroleague wird. Das war der Plan. Und alle wussten das. Wir wollten Berlin, Monaco und Roter Stern Belgrad dauerhaft dabeihaben. Das waren Meilensteine für uns. Und was ist heute der Plan? Keiner weiß es. Man hört, dass Klubs, die keine Anteilseigner sind, ein oder zwei Millionen Euro zahlen müssen, wenn sie in der nächsten Saison in der Euroleague mitspielen wollen. So kümmerst du dich nicht um Klubs, so hilfst du ihnen nicht. Deswegen stimme ich Marco zu.

Was muss die Euroleague tun, damit sie die wichtigste Basketballliga in Europa bleiben kann?

Die Klubs müssen wieder dahin kommen, dass sie kollektive Ziele priorisieren und eine nachhaltige Strategie entwickeln, wie sie diese Ziele in den nächsten fünf bis zehn Jahren erreichen können.

Sollte die Euroleague auf die NBA und die FIBA, mit der sie schon seit Ihrer Zeit als CEO dauerhaft streitet, zugehen?

Schon aus Prinzip ist Kooperation etwas, das immer angestrebt werden sollte. Doch Kooperation macht auch nur dann Sinn, wenn es eine Win-Win-Situation gibt. Ich nehme nicht mehr an den Diskussionen teil, aber ich finde, dass man die Möglichkeit einer Kooperation mindestens prüfen sollte.

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Auf der Website der NBA wird der Artikel über eine potentielle Europa-Liga damit eingeleitet, dass man von europäischen Spielern profitiert habe und nun „den Gefallen erwidern“ wolle. Nur drängt sich sofort der Verdacht auf, dass diese Expansion kein Gefallen, sondern ein Geschäft ist.

Man kann über die NBA sagen, was man will, aber sie hat eine Vision. Und die Vision ist die, dass sie eine globale Liga sein will. Sie lässt diese Vision durch ihre Spieler verbreiten, die aus der ganzen Welt kommen. Das ist eine sehr schlaue Strategie. Nur kann die NBA in Europa nicht so vorgehen, wie sie in Afrika vorgegangen ist.

In Afrika veranstaltet die NBA seit 2021 gemeinsam mit der FIBA die Basketball Africa League.

Sie hat dort bei Null angefangen, mit einer Liga nach ihrer Vorstellung. Aber der Basketball in Europa ist älter als der Basketball in der NBA. Manche unserer Klubs gibt es seit mehr als 100 Jahren. Sie sind Teil der Kultur. Ich verstehe, dass die NBA in Europa ihre Vision verfolgt. Ich bin mir auch sicher, dass sie schlau vorgehen wird. Wie genau? Das weiß ich nicht, das weiß niemand. Ich kann mir aber denken, dass sie in Europa dasselbe wie in Afrika will: Zugang zu den Talenten, die dann später in der NBA spielen sollen.

Sie will zurück, was ihr vor 25 Jahren genommen worden ist: die Kontrolle über den wichtigsten europäischen Vereinswettbewerb. Das ist die Denkweise und es ist eine sehr verständliche Denkweise. Sie hat es 2015 schon mal versucht. Aber damals standen die Klubs der Euroleague alle auf einer Seite, damals hatten sie ein gemeinsames Interesse. Das fehlt heute und das macht mir Sorgen.

Wo werden Sie sich das Final Four anschauen?

Ich werde in Abu Dhabi sein, ich bin eingeladen worden.

Und wer wird das Final Four gewinnen? An diesem Freitag spielt erst Fenerbahce Istanbul gegen Panathinaikos Athen (17 Uhr), danach Olympiakos Piräus gegen die AS Monaco (20.00 Uhr, beide Spiele live bei Magentasport).

Ich habe schon so viele unglaubliche Final-Four-Spiele in der Halle erlebt, so viel Hin und Her, dass ich weiß, dass ich auf diese Frage nicht antworten sollte.

Zur Person

Jordi Bertomeu, 66 Jahre alt, war der erste CEO der Euroleague, der privaten Sportorganisation, die seit 2000 die führende europäische Basketballliga veranstaltet. Im Sommer 2022 schied er nach 22 Jahren aus dem Amt aus, nachdem sechs der elf Klubs, die damals Anteilseigner der Liga waren, gegen ihn gestimmt hatten. Vor seiner Euroleague-Zeit arbeitete der Spanier, der in seiner Heimatstadt Barcelona ein Rechtsstudium abgeschlossen hat, als Chefsyndikus, Generalsekretär und Vize-Präsident des Verbandes der spanischen Basketballliga ACB.

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