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DFB-Team: Oliver Baumann und der Schattenmann Manuel Neuer im Deutschland-Tor | ABC-Z

Wer spricht? Das ist zwar keine so relevante Frage wie „Wer spielt?“ bei der Nationalmannschaft. Aber immer noch eine interessante. Weil aus Stimmen Geschichten werden. Und die sind manchmal mehr erwünscht, manchmal weniger – was dann auch etwas erzählt.

Vor den beiden WM-Qualifikationsspielen gegen Luxemburg an diesem Freitag in Sinsheim (20.45 Uhr im F.A.Z.-Liveticker zur WM-Qualifikation und in der ARD) und in Nordirland am Montag (20.45 Uhr im F.A.Z.-Liveticker zur WM-Qualifikation und bei RTL) jedenfalls wird auffallend wenig gesprochen. Was vor allem damit zu tun haben dürfte, dass der Bundestrainer das praktisch als Motto ausgegeben hat: „Wir wollen mehr ins Machen kommen und weniger ins Reden“, sagte Julian Nagelsmann erst kürzlich. Er selbst beherzigte das, indem er bei der Bekanntgabe seines Kaders auf eine Pressekonferenz oder Ähnliches verzichtete, es gab nur, wie in früheren Zeiten, ein Kommuniqué des Deutschen Fußball-Bundes und ein paar vorformulierte Sätze.

Vor diesem Hintergrund war es nicht selbstverständlich, wer dann am Mittwoch tatsächlich sprach im Teamquartier in Herzogenaurach. Neben Nadiem Amiri war Oliver Baumann für die Mixed Zone vorgesehen. Das war zwar insofern passend, als dass der Torwart der TSG Hoffenheim an diesem Freitag ein Heimspiel hat, das sind immer gern angerichtete Geschichten; dann aber eben auch nicht, weil es noch diese andere gibt, die weder aus seiner Sicht noch aus der des Bundestrainers erwünscht sein kann. Sie heißt: Nagelsmann, Baumann und der Schattenmann.

Gesprochen wird vor allem über Manuel Neuer

Im Torwartland Deutschland wird gerade wieder sehr viel darüber gesprochen, wer die Nummer eins sein könnte und sollte, und in dieser Debatte wird Baumann mitunter an den Rand gedrängt – man könnte auch sagen: Es wird beinahe über ihn hinweggegangen. Gesprochen wird über einen anderen: Manuel Neuer. Zuletzt war es Matthias Sammer, der rhetorisch fragte, wie es zum Ziel WM-Titel passe, auf seinen Besten zu verzichten.

Gefragter Gesprächspartner: Hoffenheim-Schlussmann Oliver Baumann bei einer Medienrunde im DFB-Quartierdpa

Oliver Baumann, 35 Jahre alt, sechs Länderspiele, ist unverschuldet in diese Rolle geraten. Er ist ein kompetenter, unaufgeregter Torwart, in dessen Hände man auch ein WM-Turnier ohne ernsthafte Bedenken legen könnte. Aber er kann sicher sein, dass er diese Geschichte erst einmal nicht loswerden wird. Dass das Torwartland in den kommenden Wochen und Monaten bei ihm noch ein bisschen genauer hinschauen wird.

Am Mittwoch war es nur eine Frage der Zeit, bis Baumann auch darüber sprechen sollte. „Von manchen ja, von manchen nein“, sagte er auf die Frage, ob er verstehen könne, dass es diese Debatte gebe, bevor er ausführlich selbst auf Neuer zu sprechen kam. „Dass Manu zu den Besten gehört – klar. Dass er noch mit 39 Jahren so gut spielt, jedes Jahr sein Level hält, hat für mich eine extreme Vorbildfunktion.“ Das zu schaffen, sei „outstanding“, herausragend.

Was man also sagen kann: Dass Baumann mit der Geschichte bemerkenswert souverän umgeht. Entweder, weil er das so für sich entschieden hat. Oder weil er die Gewissheit hat, es aus einer Position der Stärke zu tun. „Dadurch, dass es von außen kommt, bleibt es für mich auch von außen“, sagt er, „wichtig ist, wie es intern ist, und da ist es ganz klar.“

Nachdenklich: Bundestrainer Julian Nagelsmann
Nachdenklich: Bundestrainer Julian Nagelsmanndpa

Spielt Baumann – die Qualifikation vorausgesetzt – bei der Weltmeisterschaft, falls Marc-André ter Stegen nicht spielt? Das war eine Frage, die Nagelsmann schon ziemlich deutlich beantwortet hatte. Deutlicher jedenfalls, als er gemusst hätte, als er vor den September-Länderspielen auf das Torhüter-Thema angesprochen wurde. Nagelsmann schoss mit Superlativen wie aus einer Ballmaschine: „herausragender Charakter“, „unglaubliches Vertrauen“, „super Akzeptanz in der Gruppe“, sogar dem Umstand, dass Baumann nie zu einem größeren Klub gewechselt ist, gab der Bundestrainer einen positiven Spin. Nagelsmann schloss damit, dass Baumann bis zur Rückkehr von ter Stegen seine Nummer eins sein werde.

Aber es klang, als würde er auch schon vorbauen für den Fall, dass der nach seiner neuerlichen Verletzung nicht rechtzeitig fit wird oder aber nicht genügend Spielpraxis bekommt, in Barcelona oder anderswo.

Seit allerdings zwei Wochen danach Neuers Berater Thomas Kroth in einem Interview zwei, drei Sätze zu der Frage gesagt hatte, ob sein Klient sich eine Rückkehr ins deutsche Tor vorstellen könne, ist die Situation anders – zumindest von außen. „Wenn Julian Nagelsmann auf der Position ein Problem sieht, Manuel gesund ist und gefragt würde – dann wird Manu sicher nicht Nein sagen“, lautete der Satz, der seitdem im Raum steht. Und mit ihm Neuer. Ob gewollt oder ungewollt, lässt sich nicht mit Sicherheit sagen. Was Neuer selbst dazu gesagt hat, war dann zwar so viel wie nötig, um die Lage zu beruhigen, aber auch nicht so viel, dass man sich dieser Sache sicher sein sollte. Jedenfalls nicht, bevor klar ist, ob ter Stegen die WM spielen kann.

Vielleicht wäre Kroths Satz in einem anderen Fall ja sogar verhallt: Wenn die deutsche Mannschaft in den Spielen zuvor insgesamt einen gefestigten Eindruck gemacht hätte. Weil aber das Gegenteil der Fall war beim 0:2 in der Slowakei, und auch das 3:1 gegen Nordirland die Zweifel nicht zerstreuen konnte, ist es seitdem die derzeit drängendste Frage an Nagelsmann: Wie er seiner Mannschaft zu Stabilität verhelfen kann. Der Name Neuer könnte schon ein Teil der Antwort sein.

Als am Dienstag in Herzogenaurach David Raum und Aleksandar Pavlović sprachen, sollten auch sie etwas zu Neuer sagen. „Den Manu wünscht man sich immer im Tor“, sagte Pavlovic. „Auf und neben dem Platz einer, der Sicherheit und Ruhe ausstrahlt, ein Supertyp und einer der besten Torhüter, die es jemals gab“, sagte Raum. Man sollte das nicht überbewerten, solche Sätze sind leicht dahingesagt, und im Falle von Pavlović handelt es sich um einen Teamkollegen bei den Bayern. Andererseits gibt es diese Sätze ehemaliger und aktueller Kollegen zuhauf. Sollten sie auch intern fallen, wäre es fahrlässig von Nagelsmann, sich nicht damit zu beschäftigen – auch wenn man hinzufügen muss, dass ein Neuer allein ganz sicher nicht die ganze Antwort sein könnte.

Nagelsmann wird an diesem Donnerstag wieder sprechen, die Pressekonferenz am Tag vor dem Spiel ist ein Pflichttermin. Er könnte dann schon etwas sagen, das einen sehr ernsthaften Schlusspunkt unter die Debatte setzt. Wäre doch eine gute Geschichte bei so einem Heimspiel. Tut er es nicht, könnte man das auch so verstehen: Dass er vielleicht doch nochmal eine bessere braucht.

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