Kultur

Student bekommt nach Vergewaltigung keine Haftstrafe, weil er „gewandt“ sei | ABC-Z

Ein Student vergewaltigt eine Studentin, doch vor Gericht wird er lediglich zu einer Geldstrafe von 3500 Euro verurteilt. Der Richter nennt dafür drei Gründe: das junge Alter des Angeklagten (24 Jahre), fehlende Vorstrafen und dass der Gynäkologie-Student „ein begabter und engagierter junger Mann ist, der sowohl privat als auch beruflich hoch angesehen ist“.

So steht es in einem Urteil, das am 1. April vom Strafgericht Löwen gefällt wurde. Es hat nicht nur die Menschen in Löwen aufgewühlt, wo sich die älteste Universität Belgiens befindet, gegründet vor genau 600 Jahren. Nachdem Medien über den Fall berichtet hatten und ein Youtuber namens Acid ihn in einem ­Video aufgegriffen hatte, führte er auch in sozialen Netzwerken zu erregten Diskussionen. Kann eine günstige soziale Prognose ein hinreichender Grund sein, von einer Haftstrafe abzusehen? Die Staatsanwaltschaft glaubt das nicht und hat Berufung eingelegt.

Frau war zu betrunken, um einwilligen zu können

Dass es sich um eine Vergewaltigung handelte, stellte das Gericht eindeutig fest. Der Angeklagte hatte die Studentin nach einer Halloween-Party im November 2023 zu sich mit nach Hause genommen. Über die näheren Umstände machten beide unterschiedliche Angaben. Zweifelsfrei belegt ist jedoch, dass die Studentin in volltrunkenem Zustand war. Sie hatte mit einem Freund mindestens zwei Flaschen Wein geleert und gab an, dass sie keine Erinnerung an ihre Interaktion mit dem Angeklagten habe, bis sie morgens nackt neben ihm aufgewacht sei. Auf Bildern von Überwachungskameras ist zu sehen, wie sie auf dem Weg zur Wohnung des Angeklagten mehrmals das Gleichgewicht verlor und hinfiel. Die Bilder zeigen auch, wie sie ihn küsste. In der Wohnung des Angeklagten kam es dann zum Geschlechtsverkehr.

Bei seiner Vernehmung gab der Angeklagte an, dass er die Studentin gefragt habe, ob er in sie eindringen dürfe und das ohne Kondom. Allerdings befand das Gericht, dass die Frau nicht in einem Zustand war, in dem sie hätte einwilligen können. Dies ist nach belgischem Recht nötig. Eine Vergewaltigung liegt demnach vor, wenn eine sexuelle Handlung unter Ausnutzung des schwachen Zustands eines Opfers, etwa unter Alkoholeinfluss, vollzogen wird. Das war nach Auffassung des Richters hier der Fall.

„Die begangenen Handlungen sind schwerwiegend und gesellschaftlich inakzeptabel“, heißt es im Urteil. Der Angeklagte habe die „physische, psychische und sexuelle Integrität“ der Studentin „nicht respektiert“. Gleichwohl sah der Richter wegen der „mildernden Umstände“ davon ab, eine Freiheitsstrafe zu verhängen. Das Gesetz schreibt dafür einen Rahmen von sechs Monaten bis zu zehn Jahren vor. Das bedeutet auch, dass die Straftat nicht ins Vorstrafenregister aufgenommen wird.

Die Strafe wurde – technisch gesehen – ausgesetzt. Sollte der Verurteilte weitere Straftaten begehen, könnte er auch in diesem Fall noch zu einer Freiheitsstrafe verurteilt werden. Wegen der Berufung, die vor dem Brüsseler Strafgericht verhandelt werden wird, ist das Urteil noch nicht rechtskräftig.

Am Dienstagabend protestierten Dutzende Studenten vor dem Löwener Rathaus gegen sexuelle Gewalt. Sie riefen „Kein Sexismus in unserer Stadt“ und „Nicht noch einer“. Eine Petition, in der zur Einrichtung einer Meldestelle für sexuelle Übergriffe aufgerufen wird, wurde von mehr als 3200 Personen unterzeichnet. Vorige Woche war es auch in Gent schon zu einer Demonstration gegen das Urteil gekommen. Derweil nahm die Staatsanwaltschaft Ermittlungen gegen den Youtuber Acid auf. Dieser hatte in seinem Video zu dem Fall, das schon mehr als 645.000 Aufrufe hatte, die Identität des Täters enthüllt, mit vollem Namen und dessen Kontaktdaten.

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