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Basketball-EM: “Diese Jungs kann niemand stoppen” | ABC-Z

Bei der Europameisterschaft in Finnland und Lettland dominiert die deutsche Mannschaft. In vier von fünf Vorrundenspielen erzielte sie über 100 Punkte, im Achtelfinale besiegte sie Portugal. Sie gilt nicht nur im Viertelfinale gegen Slowenien als Favorit, sondern auch für den Turniersieg. Bastian Doreth war früher selbst Nationalspieler, in einer Zeit, als man von Titeln nicht mal träumte. Heute arbeitet er als sportlicher Leiter für Nachwuchs beim Nürnberg Falcons BC. 

DIE ZEIT: Herr Doreth, das deutsche Team ist zur EM gereist, mit dem Ziel, den Titel zu gewinnen. Was waren in Ihrer Zeit die Ziele? 

Bastian Doreth: Als Weltmeister, Olympiavierter und Bronzemedaillengewinner bei der letzten EM kann das Ziel nur der Titel sein. Bei meiner ersten EM, 2013 war das, wollten wir einfach nur die Vorrunde überstehen. Im ersten Spiel haben wir gegen Frankreich absolut überraschend gewonnen. Da dachten wir: Jetzt geht was. Dann sind wir aber untergegangen … 

ZEIT: Unter anderem gegen Großbritannien mit 74:81. 

Doreth: Und heute hauen wir die mit 60 Punkten Vorsprung weg! 

ZEIT: Tut es weh, zu sehen, dass die Nationalmannschaft jetzt gut ist – und Sie sind nicht mehr dabei? 

Doreth: Als Deutschland Weltmeister geworden ist, kurz nachdem ich meine Karriere in der Nationalmannschaft beendet habe, tat das schon weh. Ich habe mich gefragt: Hätte ich nicht doch noch weiterspielen sollen? Aber ich bin Realist und weiß, dass das Niveau in dieser Mannschaft ein ganz anderes ist. Da könnte ich nicht mithalten. Insofern freue ich mich einfach mit den Jungs und für unseren Sport, der vom Erfolg der Nationalmannschaft profitiert. 

ZEIT: Woran merken Sie das? 

Doreth: Seit dem Weltmeistertitel, eigentlich schon seit der Europameisterschaft 2022, bei der wir Dritter wurden, ist der Andrang groß. Unsere Wartelisten für die Jugendteams sind voll. Wir haben gar nicht genug Ehrenamtler, um bei den Kindern die Nachfrage nach Trainings zu decken. Und auch nicht genug Platz und Zeit in den Hallen. 

ZEIT: Kommen Kinder und Jugendliche wegen des Erfolgs der Nationalmannschaft? 

Doreth: Es ist nicht nur der Erfolg, es ist die Mannschaft. Da spielen nicht nur lauter herausragende Basketballer, sondern einfach tolle Persönlichkeiten mit verschiedensten Charakteren. Da findet jedes Kind jemanden, mit dem es sich identifizieren kann: Dennis Schröder natürlich, auch Franz Wagner oder Maodo Lô, vor allem aber Andi Obst. Der spielt in der Bundesliga, das finden die Kids mega. 

ZEIT: Mit wem würden Sie sich identifizieren? 

Doreth: Moritz Wagner, Franz’ Bruder, auch wenn er gerade wegen einer Verletzung nicht dabei sein kann. Er ist ein absoluter Teamspieler, stellt sich immer in den Dienst der Mannschaft und ist ein emotionaler Antreiber. 

ZEIT: Welche Spieler machen diese Mannschaft so gut? 

Doreth: Durch die Bank alle. Natürlich sind Führungsspieler wie Dennis Schröder oder Franz Wagner absolute Leistungsträger. Aber es braucht auch die anderen Spieler, die zum richtigen Zeitpunkt ins Rampenlicht treten. So wie Andi Obst, der bei der WM im Halbfinale gegen die USA einfach alles getroffen hat. 

ZEIT: Oder Maodo Lô jetzt im Achtelfinale gegen Portugal. 

Doreth: Genau. Er hat zwar hinter Dennis Schröder nur begrenzte Einsatzzeiten, aber wenn er merkt, bei den anderen geht nichts, dann macht er die Punkte. Viel wichtiger ist aber, dass es alle als Privileg verstehen, in der Nationalmannschaft zu spielen. Und dass man das nur erfolgreich kann, wenn man nicht auf sich schaut, sondern auf die Mannschaft. 

ZEIT: Muss man das im Basketball nicht immer? 

Doreth: Klar, aber in den Vereinen geht es auch ums Geld, um die nächsten Verträge. In der Nationalmannschaft hat man das nicht. Und in dieser Nationalmannschaft wissen einfach alle, was ihre Rolle ist. Sie akzeptieren, wenn sie weniger Spielzeit bekommen oder anders eingesetzt werden. Manche übernehmen mehr Verantwortung als in ihrem Verein, Dennis Schröder zum Beispiel. Vor allem haben alle Spaß. Das Trainingslager in Málaga ist wie eine Klassenfahrt mit ein bisschen Basketball, sagen die Spieler. 

ZEIT: War die Stimmung früher nicht so, als Sie noch in der Nationalmannschaft gespielt haben? 

Doreth: Die Stimmung war auch gut, aber das Commitment war nicht da. Sicherlich auch, weil der Erfolg gefehlt hat. Die großen Namen haben im Sommer oft nicht gespielt, weil sie andere Verpflichtungen hatten oder weil sie verletzt waren. Und es gab immer wieder Spieler, die keine Lust hatten, bloß die Qualifikation für große Turniere zu spielen und dann fürs Turnier Platz zu machen für jemanden wie Dennis. Auch mir ging das so. 

ZEIT: Irgendwie ja auch verständlich. 

Doreth: Es ist nun mal so, dass wir mit einer anderen Truppe in die Qualifikation müssen, weil NBA- und Euroleague-Spieler dafür von ihren Vereinen nicht freigestellt werden. Erst im Turnier können wir mit der bestmöglichen Mannschaft antreten. Das heißt aber nicht, dass die Qualifikationsspieler keinen Anteil am Erfolg haben, im Gegenteil. Wenn ihnen das gespiegelt wird, dann ist es auch leichter, die Rolle anzunehmen. 

ZEIT: Es gibt immer noch große Namen, die nicht dabei sind. Isaiah Hartenstein zum Beispiel, der in diesem Jahr den NBA-Titel geholt hat. Wieso scheint er nicht zu fehlen? 

Doreth: Natürlich würde er der Mannschaft noch mal ein neues Element, eine andere Qualität geben. Aber er ist eben nicht dabei, und damit ist das Thema erst mal vom Tisch. Wenn in den kommenden Jahren Johannes Voigtmann und Johannes Thiemann aufhören, beide sind ja schon über 30, dann wird Hartenstein dringend gebraucht. 

ZEIT: Welchen Anteil hat der neue Trainer am Erfolg? 

Doreth: Álex Mumbrú hat nach Olympia im vergangenen Jahr eine gut eingespielte Mannschaft übernommen. Das war sicher ein Vorteil. Aber dass es weiterhin so gut klappt wie unter Gordon Herbert, das ist Mumbrús Verdienst. Und er hat seine eigene Note ins Spiel gebracht. Die Mannschaft spielt unter ihm deutlich schneller, nimmt mehr Abschlüsse. 

ZEIT: Mumbrú konnte wegen einer Bauchspeicheldrüsenentzündung zu Beginn der EM nicht dabei sein und hat jetzt entschieden, die Verantwortung für das Turnier größtenteils bei seinem Assistenztrainer Alan Ibrahimagic zu belassen. 

Doreth: Ein unglaublich selbstloser Schritt! Das ist für mich sinnbildlich dafür, wie das Team insgesamt ist. Nicht nur die Spieler, auch die Trainer. Ibrahimagic ist schon so lange im Nationalteam dabei, er ist ein absoluter Glücksgriff als Ersatz. 

ZEIT: Kennen Sie ihn? 

Doreth: Sehr gut sogar, er war schon Assistenztrainer, als ich in der U20 gespielt habe, und wir leben beide in Nürnberg. Er ist für mich das Paradebeispiel für jemanden, der der Mannschaft dient und sich nicht in den Vordergrund stellt. Man merkt an seinen Interviews, dass er von der Situation teilweise überwältigt ist. Ich gönne ihm diesen Moment in der ersten Reihe, er ist ein großartiger Trainer.  

ZEIT: Wenn es auch damals so gute Trainer gab, warum war Deutschland damals so, pardon, schlecht? 

Doreth: Dirk Nowitzki war unser Einhorn. Wir hatten noch kaum NBA-Spieler, auch fast keine auf europäischem Topniveau. Nicht mal viele, die in der Bundesliga eine große Rolle gespielt haben. 

ZEIT: Wieso ist das heute anders? 

Doreth: Vor knapp 20 Jahren wurde die Nachwuchsbundesliga eingeführt. Seit mehr als zehn Jahren gilt in der Bundesliga die Ausländerregel, die besagt, dass du nur sechs Spieler mit ausländischem Pass im Kader haben darfst. Das bedeutet: mindestens sechs Deutsche pro Kader. In der zweiten und dritten Liga müssen sogar immer Spieler mit deutschem Pass auf dem Parkett stehen. So kriegen viel mehr deutsche Spieler Einsatzzeiten und das Niveau steigt. 

ZEIT: Die jetzige Mannschaft ist also nicht einfach eine goldene Generation? 

Doreth: Das ist sie auch, aber sie ist das Ergebnis harter Arbeit in allen Bereichen. Das Schöne ist: Durch den Erfolg bekommen wir jetzt noch mehr Möglichkeiten: mehr Geld, mehr Zulauf. Jedenfalls, wenn wir den Erfolg gut nutzen, den Sport vermarkten. Die NBA macht das für meinen Geschmack schon zu doll, aber mal ein paar Basketballspieler in der Chipswerbung, das wäre schon gut. 

ZEIT: Wird Deutschland Europameister? 

Doreth: 100 Prozent. Die Türkei oder auch Griechenland sind zwar gut, aber gefährlich können sie uns nicht werden. Diese Jungs kann niemand stoppen. 

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