Kultur

“Unterwegs im Namen der Kaiserin”: Die Sisi in mir | ABC-Z

Über Kaiserin Sisi kann man viel erzählen: von ihren geheimen Luxusreisen, dem rigiden Körperregime, ihren kulinarischen Kapriolen (Ochsenblut- und Veilcheneisdiät), ihrer Begeisterung für Heinrich Heine oder von der zwanghaften Kontrolle ihres posthumen Images, das ihr derart wichtig war, dass sie ab ihrem 30. Lebensjahr keine Fotos mehr von sich machen ließ. Sogar ein klinisch fragwürdiges Krankheitsbild, das sogenannte Sisi-Syndrom, ist nach der österreichischen Kaiserin benannt, eine Art hyperaktive Depression. In den vergangenen Jahren wurde Sisi popkulturell neu entdeckt, gegenwartsgemäß lag die Deutung als feministische Ikone nahe: Eine Burgtheater-Inszenierung ließ sie auf Gisele Pélicot und Rosa Parks treffen, in Karin Duves Roman Sisi erschien sie als disziplinierte Parforce-Reiterin, die Filme Corsage und Sisi & Ich zeigten eine selbstbestimmte Kaiserin.  

Jovana Reisinger, Autorin, It-Kolumnistin und Vertreterin eines deklarierten Tussi-Feminismus, hat einen eigenen Weg der Sisi-Darstellung gewählt. Unterwegs im Namen der Kaiserin heißt ihr erster Langfilm, für den sie Regie und Drehbuch übernahm und der von nun an als Kleines Fernsehspiel in der ZDF-Mediathek zu sehen ist. Er beginnt mit einer ironischen Reminiszenz an den Ursprung allen Sisi-Kults: Weichgezeichnete Heimatfilmästhetik erinnert an die Sissi-Filme der Fünfzigerjahre, die den Mythos um die Kaiserin, damals noch in Doppel-S-Schreibweise, begründeten. 

Doch nicht nur die saftig grüne Bergkulisse und die pathetische Streichorchestermusik persiflieren das Original. Auch die Handlung wird etabliert, wie sie in deutschen Heimatfilmen nun mal etabliert wird – alles wird auserzählt. So lernt man Romy (Julia Windischbauer), Karlheinz (Thomas Hauser) und Magda Gustav (Benjamin Radjaipour) kennen, deren Namen denen der Hauptdarsteller der Sissi-Filme entsprechen: eine Gruppe von Thirtysomethings, die sich auf einem Gasthof eingefunden hat, um hier, inmitten der österreichischen Alpen, den berühmten Jungbrunnen zu finden, denn ihre größte Sorge, das wird schnell klar, ist das Altern. Sie sprechen Sätze wie “Ich bin regelrecht aufgekratzt, mein Appetit ist außergewöhnlich” oder “Gar kaiserlich ist mir zumute” und bestellen “Ein Ei, bittschön, von der schönsten Henne, versteht sich”. Als die drei, auf solch manierierte Weise frisch gestärkt, ihre Suche beginnen, begegnet ihnen eine feenhafte Erscheinung, die verkündet: Eine Person aus der Gruppe sei die Reinkarnation von Kaiserin Elisabeth. Sie müssten nur herausfinden, wer. Von nun an kippt das Verhältnis zwischen Romy, stets miesepetrig, Karlheinz, pragmatisch veranlagt, und Magda Gustav, immer etwas träumerisch, von Freundschaft zu Konkurrenz.  

Der Clou an Unterwegs im Namen der Kaiserin: Sisi wird im ganzen Film nicht auftauchen, weder als reale Gestalt noch als Wiedergeburt. Das Versprechen auf Reinkarnation ist der Trick einer mythologisch anmutenden Gruppe dreier altersloser Frauen, ähnlich den drei Hexen aus Shakespeares Macbeth. Sie haben den Jungbrunnen für sich entdeckt und wollen Reisegruppen durch Ablenkung davon fernhalten. Statt nach der Quelle ewiger Jugend warten Romy, Karlheinz und Magda Gustav Sisis Geist nun also in einem Luxushotel, in dem sie sich, wie die echte Kaiserin, Kalbsschnitzel zur Hautverjüngung ins Gesicht legen lassen, auf ein Zeichen, wer von ihnen denn nun die Reinkarnation ist.  

Alles irgendwie rosa, vom Wackelpudding bis zum Proseccodöschen: “Unterwegs im Namen der Kaiserin” besticht vor allem durch seine Ästhetik. © ZDF/​Sophie Wanninger

Die Stärke von Reisingers Film liegt weniger im Plot als in der glossy Ästhetik, die der Autorin auch in ihrem sonstigen Auftreten, auf Buchcovern und Instagram eigen ist. Unterwegs im Namen der Kaiserin macht vor allem dem Auge Spaß: In bestem Y2K-Flair, Anklängen an den lieblichen Kitsch der frühen Nullerjahre also, ist alles irgendwie rosa, vom Wackelpudding bis zum Proseccodöschen, alles glänzt und glitzert, jede Kirsche auf der Sahnehaube sitzt. Hyperfeminine Postgender-Attitüde bietet den perfekten Kontrast zum Heimatfilmsetting, Reisinger tanzt auch als Regisseurin und Drehbuchautorin wie sonst in ihren Werken auf schillernden Oberflächen. Dialoge, Ausstattung, Kostüme und Kameraeinstellungen sind derart durchkomponiert, dass sie beinahe als Meta-Kommentar auf den zwanghaften Perfektionismus der realen Elisabeth zu verstehen sind.  

Als solch ein Kommentar auf Sisis Leben lässt sich auch die innere Leere der drei Hauptfiguren deuten. Sie warten auf Erlösung, sei es durch das Auserwähltsein als wiedergeborene Kaiserin, das Versprechen auf Jugend durch den Jungbrunnen oder durch die romantische Liebe, die sie entweder herbeisehnen oder verachten. Am Ende des Films zitiert Magda Gustav den Satz, den Sisi einen Tag vor ihrer Ermordung gesagt haben soll, natürlich auf Französisch: “Ich wünschte, meine Seele könnte durch eine ganz kleine Öffnung meines Herzens in den Himmel fliegen.” Und dann endet der Film so tragisch wie auch Sisi im realen Leben, die im Alter von 60 Jahren Opfer des Attentats eines italienischen Anarchisten wurde: mit einem Stich ins Herz.  

“Unterwegs im Namen der Kaiserin” ist in der ZDF-Mediathek zu sehen.

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