Neues Verfahren verbessert Heilung nachher Schlaganfall | ABC-Z

Ein Schlaganfall kommt oft ohne Vorwarnung – und verändert ein Leben innerhalb weniger Sekunden. Plötzlich gelingen Bewegungen nicht mehr, Worte verstummen und selbst das Greifen nach einem Glas Wasser kann unüberwindbar werden.
Die Medizin musste sich bislang mit einem bitteren Befund abfinden: Die Schäden, die durch den Tod von Nervenzellen entstehen, sind irreversibel. Doch nun weckt eine neue Studie der Universität Zürich in Zusammenarbeit mit der University of Southern California Hoffnung, dass dieser Grundsatz nicht ewig Bestand haben muss.
Schlaganfall: Ursachen, Folgen und bisherige Grenzen der Medizin
Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation WHO erleidet jeder vierte Erwachsene im Laufe seines Lebens einen Schlaganfall. Rund die Hälfte der Betroffenen lebt anschließend mit bleibenden Einschränkungen, etwa mit Lähmungen oder Sprachstörungen.
Die Ursachen sind gut erforscht: Entweder blockiert ein Blutgerinnsel die Versorgung des Gehirns mit Sauerstoff – in diesem Fall sprechen Fachleute von einem ischämischen Schlaganfall –, oder ein geplatztes Gefäß führt zu einer Blutung im Gehirn, dem sogenannten hämorrhagischen Schlaganfall. Beide Varianten haben denselben verheerenden Effekt: Nervenzellen sterben ab und können vom Körper nicht ersetzt werden. Therapien helfen bisher lediglich, das Risiko eines erneuten Schlaganfalls zu verringern oder Folgeschäden zu begrenzen, eine Reparatur des Gehirns ist jedoch nicht möglich.
Vor diesem Hintergrund betont Christian Tackenberg, Leiter der Abteilung Neurodegeneration am Institut für Regenerative Medizin der Universität Zürich (UZH): „Es ist essenziell, neue Ansätze zur Regeneration des Gehirns nach Schlaganfall zu entwickeln.“ Gemeinsam mit der Postdoktorandin Rebecca Weber und in Kooperation mit der Arbeitsgruppe von Ruslan Rust an der University of Southern California gelang seinem Team nun ein bemerkenswerter Befund: Neuronale Stammzellen können nicht nur neue Nervenzellen entstehen lassen, sondern offenbar ganze Heilungsprozesse im Gehirn anstoßen.
Stammzelltherapie bei Schlaganfall: Experiment im Mausmodell zeigt Wirkung
Um das Potenzial der Stammzelltherapie zu testen, griff das Forschungsteam auf menschliche neuronale Stammzellen zurück, die aus sogenannten induzierten pluripotenten Stammzellen hergestellt wurden. Diese können im Labor aus normalen Körperzellen gewonnen und in unterschiedliche Nervenzelltypen umprogrammiert werden.
Im nächsten Schritt lösten die Wissenschaftler bei Mäusen gezielt einen Schlaganfall aus, dessen Merkmale einem menschlichen Hirninfarkt stark ähneln. Eine Woche später transplantierten sie die menschlichen Stammzellen in die geschädigten Hirnareale. Mithilfe bildgebender Verfahren und biochemischer Analysen verfolgten sie die Entwicklung über mehrere Wochen.
Die Ergebnisse überraschten selbst die Forschenden. Wie Tackenberg berichtet, überlebten die transplantierten Zellen nicht nur während des gesamten Beobachtungszeitraums, sondern verwandelten sich in funktionstüchtige Nervenzellen. Mehr noch: Sie nahmen Kontakt mit den bestehenden neuronalen Netzwerken des Mäusegehirns auf.
Schlaganfall Regeneration durch Stammzellen: Heilungsprozesse im Gehirn
Die Wirkung der Transplantationen zeigte sich nicht allein im Überleben und der Integration der Stammzellen. Wie die Forschenden im Fachjournal „Nature Communications“ berichten, setzten im Gehirn der behandelten Mäuse weitere Regenerationsprozesse ein. Neue Blutgefäße bildeten sich, die Durchblutung verbesserte sich, gleichzeitig gingen entzündliche Reaktionen deutlich zurück. Auch die Blut-Hirn-Schranke, die nach einem Schlaganfall oft geschwächt ist, stabilisierte sich wieder.
Ein FUNKE Liebe
Alle zwei Wochen sonntags: Antworten auf Beziehungsfragen – ehrlich, nah und alltagstauglich.
Mit meiner Anmeldung zum Newsletter stimme ich der
Werbevereinbarung
zu.
Noch eindrucksvoller waren die funktionalen Verbesserungen. Die Tiere gewannen nach und nach motorische Fähigkeiten zurück, die durch den Schlaganfall verloren gegangen waren. Dies belegte eine KI-gestützte Ganganalyse, die die Fortschritte der Tiere genau dokumentierte. „Unsere Ergebnisse gehen deutlich über die unmittelbaren Effekte direkt nach einer Transplantation hinaus, die in anderen Arbeiten beschrieben wurden“, erklärt Tackenberg.
Schlaganfall Therapie: Der richtige Zeitpunkt entscheidet über den Erfolg
Eine weitere zentrale Erkenntnis: Der Zeitpunkt der Transplantation ist entscheidend. Wie die Forschenden berichten, zeigte sich der größte Behandlungserfolg nicht unmittelbar nach dem Schlaganfall, sondern erst, wenn eine Woche vergangen war. Offenbar benötigt das Gehirn diese Zeit, um sich zu stabilisieren und die neuen Stammzellen besser aufnehmen zu können.
Für eine spätere klinische Anwendung ist das von Vorteil: Patientinnen und Patienten könnten in dieser Zeit vorbereitet werden, bevor die eigentliche Transplantation erfolgt.
Schlaganfall Behandlung mit Stammzellen: Chancen und Risiken vor klinischen Studien
Noch ist die Therapie nicht reif für den Einsatz beim Menschen. Tackenberg betont: „Wir müssen die Risiken minimieren und die Anwendung vereinfachen.“ Um die Übertragung auf den Menschen vorzubereiten, entwickelte sein Team gemeinsam mit dem Center for iPS Cell Research and Application (CiRA) der Universität Kyoto ein Herstellungsprotokoll ohne tierische Hilfsstoffe. Dies ist, wie die Forschenden betonen, eine entscheidende Voraussetzung für eine spätere Zulassung. Außerdem arbeitet die Gruppe von Tackenberg zusammen mit Ruslan Rust an einem „Sicherheitssystem“, das unkontrolliertes Zellwachstum im Gehirn verhindern soll.
Parallel dazu wird an weniger invasiven Verfahren geforscht: Statt die Stammzellen direkt ins Gehirn zu implantieren, könnten sie künftig über das Blut verabreicht werden. Wie Tackenberg erklärt, gibt es in Japan bereits erste klinische Studien, die Parkinson-Patientinnen und -Patienten mit induzierten Stammzellen behandeln. Der Schlaganfall könnte, so der Forscher, die nächste Erkrankung sein, für die eine solche Studie in naher Zukunft möglich wird.
















