Manuel Neuer mit Kritik an Donnarumma nach Musiala-Verletzung | ABC-Z

Manuel Neuer stand von allen Spielern auf dem Feld so weit wie kein anderer entfernt vom Ort des Geschehens. Weit nach dem Viertelfinale der Klub-Weltmeisterschaft zwischen seinem FC Bayern und Paris Saint-Germain, das die Münchner mit 0:2 Toren am Samstag verloren, fand der Torwart aber die deutlichsten Worte. Nach der wahrscheinlich schweren Verletzung seines Klubkameraden Jamal Musiala richtete Neuer scharfe Worte an seinen Torwartkollegen Gianluigi Donnarumma. Es ging nicht nur um die Szene an sich – sondern auch, was danach geschah.
Kurz vor der Halbzeit hatte sich Donnarumma im Strafraum kurz vor der Grundlinie ins Duell mit Angreifer Musiala und Verteidiger Willian Pacho geworfen. Mit seiner Größe von 1,96 Metern und 90 Kilogramm. Ohne Rücksicht auf Verluste. Musialas linkes Bein wurde dabei übel getroffen. Ob ein Knochen brach? Die schlimmen Bilder aus Atlanta ließen das vermuten. Dennoch stand eine genaue Diagnose zunächst noch aus für den 22 Jahre alten deutschen Nationalspieler. Erst danach wird feststehen, was und wie lange Musiala fehlt und welche Folgen dies haben könnte.
Neuer stand später in den Katakomben der Arena von Atlanta. Anders als andere Münchner, die vor allem hofften, dass sich die schlimmen Befürchtungen ob der Verletzung Musialas vielleicht doch nicht bewahrheiteten, rückte der Torwart Donnarumma in den Fokus seiner Aussagen. Der Münchner Kapitän äußerte Vorwürfe an seinen italienischen Kollegen. „Es war eine Situation, wo man nicht unbedingt so reingehen muss“, sagte Neuer. „Das ist schon risikofreudig, da nimmt man die Verletzung des Gegenspielers oder auch Mitspielers einfach in Kauf.“
Ebenso störte sich Neuer an Donnarummas Verhalten, als deutlich wurde, dass es Musiala wohl schlimmer erwischt hat. Der Italiener wirkte geschockt, ging in die Hocke, ging weg vom Ort, wo Musiala lag und von Medizinern erstversorgt wurde. Schiedsrichter Anthony Taylor, der die Aktion von Donnarumma nicht sanktionierte, erkannte, dass die Behandlung wohl länger dauern würde und pfiff, da die Nachspielzeit eh schon fast abgelaufen war, zur Halbzeit. In der wurde Musiala auf eine Trage gelegt und aus dem Innenraum des Stadions in die Katakomben gebracht.
„Ich bin zu ihm hingegangen“, sagte Neuer. Er habe Donnarumma gefragt: „Willst du nicht mal eben hingehen? Jamal liegt da, der wird wahrscheinlich im Krankenhaus bleiben, der hat eine schwere Verletzung. Da gehört sich das einfach aus Respekt, hinzugehen, ihm alles Gute zu wünschen und ein kleines Sorry dazulassen.“ Donnarummas Betroffenheit stellte Neuer zudem infrage: „Italiener sind sehr emotional. Ob man ihm das abnimmt, muss jeder selbst entscheiden. Ich hätte anders reagiert“, sagte Neuer, der Verletzung und Turnier-Ausscheiden „beides brutal hart“ nannte.
Neuer sagte auch, dass „solche Situationen passieren im Fußball. Man darf auch niemanden etwas Böses unterstellen“. Aber es sei ein harter Schlag. „Wir drücken Jamal die Daumen, dass die Verletzung nicht so schwer ist. Aber sie wird sicherlich schwer sein, so wie ich das sehe“, sagte Neuer mit seiner Erfahrung aus vielen Profijahren. Später am Tag – das Spiel fand schon mittags Ortszeit in den USA statt – meldete sich auch Donnarumma öffentlich zu Wort: „Alle meine Gebete und guten Wünsche sind bei dir, Jamal Musiala“, schrieb er bei Instagram.
Der Münchner Sportvorstand Max Eberl sagte, er denke „null Komma null“, dass Donnarumma absichtlich in dieser Art gegen Musiala eingestiegen sei. „Aber ich sage mal, er hat auch nicht große Rücksicht genommen, dass da einer stand. Ich möchte das nicht als Vorwurf verstanden haben (…), aber das Risiko gehe ich natürlich ein“, sagte er und nannte schon eine Operation, womöglich sogar in den USA, als Option. Es ist offen, ob Musiala am Sonntag mit dem Team aus Orlando zurück nach München fliegen kann. „Jamal ist extrem geknickt“, berichtete Eberl weiter.
Gegen Paris stand Musiala nach einem Muskelbündelriss erstmals seit drei Monaten wieder in der Startelf. Die Verletzung hatte er sich Anfang April in der Bundesliga in Augsburg zugezogen. Danach verpasste er auch das Finalturnier der Nations League mit der deutschen Nationalmannschaft. Bei der Klub-WM kam er zurück auf den Platz, wurde aber in den bisherigen Spielen nur eingewechselt. „Es ist schade für Jamal“, sagte Trainer Vincent Kompany: „Die Situation mit Jamal war emotional. Es sah nicht gut aus. Wir wünschen uns, dass es nicht so schlimm ist.“
Das wird wohl ein nicht erfüllter Wunsch bleiben. Einem ersten Bericht zufolge erlitt Musiala einen Bruch des linken Wadenbeins. Wie die „Bild“-Zeitung am frühen Sonntag schreibt, fällt er damit vier bis fünf Monate aus. Auch einige Bänder seien demnach in Mitleidenschaft gezogen worden. Der FC Bayern indes machte zunächst keine konkreten Angaben. „Es ist tragisch“, sagte Eberl zuvor noch im Stadion. „Wir lieben ihn für seine Spielfreude, jetzt so ein Nackenschlag – das ist für ihn extrem schwierig, aber wir sind für ihn da als Familie.“
Trainer Kompany war „wütend“ wegen des Vorfalls, aber nicht auf Donnarumma. „Es gibt viele Dinge im Leben, die wichtiger sind. Aber Jamal lebt für den Fußball, er kämpft sich zurück – und dann passiert sowas. Man fühlt sich machtlos. Es macht mich wütend, dass es jemandem wie ihm passiert ist.“ Kompany berichtete, dass die Verletzung die Mannschaft kurz vor dem Halbzeitpfiff, als es noch 0:0 stand, emotional getroffen habe. „Wir haben das alle gesehen (…). Ich bin keiner, der jammert über diese Sachen. Schade für uns, schade für Jamal, das war nicht gut.“