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Filmreife Suche nach geraubten Kindern – Panorama | ABC-Z

Die Produktion von „Eternauta“ war nicht ohne Risiko. Denn die Serie, die derzeit beim Streamingdienst Netflix läuft, beruht auf einem legendären argentinischen Comic: Außerirdische versuchen, die Welt zu erobern, mit toxischem Schnee, Monstern und gekaperten Gehirnen. In Buenos Aires aber kämpft ein Held gegen sie, ohne Superkräfte, jedoch mit guten Freunden und noch besseren Ideen.

Ende der Fünfzigerjahre erschien „El Eternauta“ zum ersten Mal. Bald wurde der Comic zum Klassiker, heiß geliebt von Generationen von Fans. Viele von ihnen hatten große Zweifel, als 2020 bekannt wurde, dass die Originalvorlage in eine Serie verwandelt werden sollte. Seit gut drei Wochen ist „Eternauta“ nun aber im Netz, die Kritiken sind gut, die Serie ist in vielen Ländern in den Top Ten. Kaum jemand also stellt noch das Erfolgspotenzial infrage, dafür wachsen jetzt bei manchen Zuschauern andere Zweifel: Bin ich wirklich der, der ich zu sein glaube?

Etwa 30 000 Menschen wurden nach dem Militärputsch 1976 verhaftet und ermordet

Der Grund dafür ist die tragische Geschichte, die hinter der Originalvorlage steckt: Der Autor des Comics, Héctor Germán Oesterheld, hatte diesen stets auch als eine politische Parabel verstanden auf Totalitarismus und Diktaturen. Von diesen gab es in Argentinien im 20. Jahrhundert gleich eine ganze Reihe. Und kurz bevor sich das Militär 1976 mal wieder an die Macht putschte, tauschte Oesterheld seine Schreibmaschine gegen ein Gewehr und ging in den Untergrund, gemeinsam mit seinen vier gerade erst erwachsenen Töchtern.

Die düstere Dystopie seiner Comics wurde bald zur Realität: Zwar hatten keine Außerirdischen die Macht übernommen, dafür aber grausame Generäle, die Regimegegner entführen ließen. Die Oesterhelds wurden verhaftet, gefoltert und ermordet, ebenso wie geschätzte 30 000 weitere Menschen. Genaue Zahlen gibt es nicht, viele Leichen wurden nie gefunden, ebenso wie auch der Verbleib mehrerer Hundert Kinder ungeklärt ist: Sie kamen in den geheimen Haftzentren zur Welt und wurden vom Militär unter falschen Namen an regimetreue Familien zur Adoption gegeben.

Auch zwei Enkel des „Eternauta“-Autors Héctor Oesterheld verschwanden auf diese Weise. Seine Frau Elsa Sánchez suchte zeit ihres Lebens nach ihnen, gemeinsam mit anderen Großmüttern, den Abuelas de Plaza de Mayo. 139 der mittlerweile erwachsenen Kinder haben sie in den vergangenen Jahrzehnten wiedergefunden, das letzte erst Anfang dieses Jahres. Doch mehrere Hundert weitere geraubte Enkel und Enkelinnen könnten noch irgendwo in Argentinien leben oder anderswo auf der Welt, manche unwissend, andere vielleicht immerhin mit einer düsteren Vorahnung.

Nun wurde darum eine neue Suchkampagne gestartet: Ob man gerade „Eternauta“ sehe und Zweifel an der eigenen Identität habe? „Dann melde dich bei uns!“ Und tatsächlich: Seit dem Start der Serie haben sich die Anfragen bei den Abuelas de Plaza de Mayo versechsfacht. Sogar von einem „Eternauta-Effekt“ ist die Rede, und bei den Großmüttern heißt es, man habe große Hoffnungen, dass bald ein weiterer Enkel oder eine weitere Enkelin wiedergefunden werden könnte. Es wäre das Happy End, das es – Vorsicht, Spoiler! – in der Geschichte auch gibt: Dort irrt der Protagonist durch Zeit und Raum, bevor er ganz zum Schluss seine Frau und seine Tochter endlich wiederfindet.

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