Regulierung von Onlineplattformen: NGOs, Kirchen und Gewerkschaften wollen strengere Onlinegesetze | ABC-Z

X, Facebook oder Instagram stärker regulieren – das fordert
ein Bündnis aus Nichtregierungsorganisationen, Gewerkschaften und Kirchen. Mehr als 75
Organisationen wenden sich in einem offenen Brief an die Spitzen von Union und SPD
und fordern anlässlich der Sondierungsgespräche eine umfassendere Regulierung der großen Plattformen.
Gerichtet ist der Brief an CDU-Chef Friedrich Merz, den voraussichtlich nächsten Bundeskanzler,
CSU-Chef Markus Söder und Lars Klingbeil, den Co-Vorsitzenden der SPD. Die Onlinedienste förderten Extremismus, kritisieren
die Verbände. „Digitale Plattformen
sollten nicht länger so programmiert sein, dass sie massiv Diskurse
beeinflussen und Gesellschaften spalten“, sagt Christoph Bals, politischer
Geschäftsführer von Germanwatch. Derzeit stärkten
sie antidemokratische Kräfte.
Die Organisationen kritisieren vor allem das Geschäftsmodell
großer Onlineplattformen, da die meisten Dienste nur scheinbar kostenfrei
seien und sich durch die Weitergabe persönlicher Daten finanzierten. „Die
Algorithmen der Plattformen sind intransparent und wirken oft tendenziös“, sagt
etwa Frank Werneke, Vorsitzender der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di. Plattformen
wie X gefährdeten unabhängigen Journalismus und damit freie Meinungs- und
Willensbildung. „Es braucht einen Neustart, die Monopolanbieter haben versagt.“
Gefährdung der digitalen Souveränität Europas
Digitale Medien ermöglichten eine offene, gleichberechtigte
Kommunikation von Menschen, die sich nicht direkt begegnen können, sagte Jan-Dirk
Döhling vom Institut für Kirche und Gesellschaft der Evangelischen Kirche von
Westfalen. Die Freiheit im Netz brauche Regeln, die sich an der Menschenwürde
und den Menschenrechten orientierten.
Die Macht chinesischer und US-amerikanischer Techkonzerne gefährde
die digitale Souveränität Europas und der Länder des Globalen Südens, heißt es
im Brief. „Ohne wirkungsvolle Regulierung der Plattformökonomie kann es keine
faire Digitalisierung geben“, sagte Sven Hilbig, Digitalexperte bei Brot für
die Welt.
Die Unterzeichner des Briefs fordern von der nächsten Bundesregierung,
dass zum einen bereits bestehende Regulierungen konsequenter umgesetzt werden. Dafür
müssten die zuständigen Behörden auf Bundes- und EU-Ebene gut ausgestattet und
durchsetzungsfähig sein. EU-Gesetze wie der Digital Services Act sollen aktuell
unter anderem dafür sorgen, dass Anbieter wie Meta oder X illegale Inhalte oder
Fake News entfernen müssen. Jedoch würden sie häufig nicht eingehalten.
Mehr gemeinwohlorientierte digitale Angebote
Zum anderen sollen
regulatorische Lücken geschlossen werden. „Viele grundlegende Probleme
digitaler Geschäftsmodelle sind weiter offen“, sagte Michaela Schröder,
Geschäftsbereichsleiterin Verbraucherpolitik beim Bundesverband der Verbraucherzentralen.
Gängige Praktiken von Onlineplattformen wie tracking-basierte Werbung oder Sucht förderndes
Design sollten ersetzt werden. Diese Probleme müssten im Digital Fairness Act gelöst
werden, einem geplanten Gesetz der EU-Kommission, das Verbraucherinnen und
Verbraucher besser schützen soll.
Die neue Bundesregierung müsse sich außerdem für den Aufbau
demokratisch kontrollierter und gemeinwohlorientierter digitaler Infrastruktur
einsetzen. Das könne eine Chance für europäische Digitalunternehmen eröffnen.
Projekte wie Wikipedia, OpenStreetMap oder Fediverse zeigten, dass das
Internet auch anders funktionieren könne, sagte Franziska Heine, geschäftsführende Vorständin von Wikimedia Deutschland.