Bundestagswahl: Alexander Neumeyer aus Seeshaupt kandidiert für die AfD – Starnberg | ABC-Z

Ein höflicher, zurückhaltender, fast schüchterner Mensch: So nimmt der AfD-Bundestagskandidat Alexander Neumeyer den Faschisten Björn Höcke wahr. Diese Bezeichnung muss sich der AfD-Spitzenpolitiker aus Thüringen gefallen lassen; das ist gerichtlich festgestellt, weil dieses „Werturteil nicht aus der Luft gegriffen ist, sondern auf einer überprüfbaren Tatsachengrundlage beruht“, wie es in der Begründung der Juristen heißt. Neumeyer sagt über diesen Mann: „Wenn man ihn persönlich kennenlernt, ist er von den Parteigrößen, die wir haben, einer der reflektiertesten, der auch zugeben kann, dass er Fehler gemacht hat. Das zeigt auch seine charakterliche Größe.“ Kritik von der Presse treffe Höcke, es sei nicht so,„ dass er ein eiskalter Hund ist“.
Der ehemalige Gymnasiallehrer Höcke wurde wegen des Verwendens einer SA-Parole zu einer Geldstraße verurteilt, das Holocaust-Mahnmal in Berlin hatte er als „Denkmal der Schande“ bezeichnet. Das sind nur zwei Beispiele von vielen für die Wortwahl des Rechtsextremisten, der immer wieder testet, wie weit er verbal gehen kann und deshalb schon mehrfach vor Gericht stand. Kandidat Neumeyer sagt: „Ich wüsste nichts, was er in den vergangenen ein bis zwei Jahren gesagt hat, womit ich ein Problem hätte.“ Kein Problem also mit dem umstrittensten Politiker einer in Teilen rechtsextremen Partei, die möglicherweise bald als zweitstärkste Fraktion in den Bundestag einzieht.
Der 67-Jährige aus Seeshaupt bewirbt sich zum zweiten Mal für die AfD um ein Mandat. Vor zwei Jahren hatte er schon für den Landtag kandidiert, nun tritt er im Wahlkreis Starnberg-Landsberg als Direktkandidat an. Allerdings ohne einen Platz auf der Liste und damit wenig aussichtsreich, denn alles andere als ein Direktmandat für den CSU-Bewerber Michael Kießling wäre eine Überraschung. Ihm gehe es eben um die Sache, sagt Neumeyer: „Ich will zeigen, dass ich mich engagieren und für eine Sache eintreten kann, ohne irgendeinen persönlichen Vorteil zu haben. Da sehe ich mich in einer Vorbildfunktion.“
Deutlich mehr Aussichten auf einen Sitz im Bundestag hat der Geografieprofessor Ingo Hahn aus Stockdorf. Er tritt als Direktkandidat im Nachbarlandkreis Bad Tölz-Wolfratshausen an, mutmaßlich, weil er dort mit mehr Zustimmung als in Starnberg rechnet. Er steht auf Platz 16 auf der AfD-Landesliste. Nach den aktuellen Prognosen könnte das reichen für einen Sitz im Bundestag. Sein Mandat im bayerischen Landtag müsste Hahn dann abgeben. Gerrit Huy aus Inning kandidiert erneut im Wahlkreis Weilheim. Die 71-Jährige war bei dem Geheimtreffen Rechtsextremer in Potsdam zur „Remigration“ dabei.
Neumeyer weiß, dass er sich nicht auf einen Umzug nach Berlin einstellen muss. Der 67-Jährige hat eine bewegte politische Vita hinter sich. Der gebürtige Stuttgarter hatte für den früheren bayerischen Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß geschwärmt, bis der CSU-Mann sich in seinen Augen zu gut mit dem damaligen DDR-Staatsratsvorsitzenden Erich Honecker verstand. Später war Neumeyer bei der Piratenpartei, er war stellvertretender Kreisvorsitzender der bunten Truppe und ihr Bezirkstagskandidat. Seit zehn Jahren fühlt sich der Diplomökonom in der AfD zu Hause.
Die Postitionen der Partei, die ein härteres Vorgehen gegen Flüchtlinge nicht nur auf ihren Wahlplakaten fordert, trägt er voll mit. „Remigration“ etwa verteidigt er, Abschiebungen also, die unter Umständen auch Menschen mit deutscher Staatsbürgerschaft treffen könnten. Zu Putins Krieg in der Ukraine sagt er: „Ich kann nachvollziehen, dass die Russen sich von der Nato bedroht und einen Angriffskrieg gegen die Ukraine geführt haben.“ Das sei die ultima ratio gewesen, nachdem alles andere nicht funktioniert habe. Schließlich sei das westliche Militärbündnis immer näher herangerückt.
Neumeyer leugnet den von Menschen verursachten Klimawandel. Obwohl sich die Folgen durch Katastrophen wie Überschwemmungen, Hitzeperioden oder andere Wetterextreme bemerkbar machen, meint der AfD-Politiker: „Wenn wir tatsächlich einer Erderwärmung entgegengehen, sollten wir uns eigentlich darüber freuen, weil es nachgewiesen ist, dass in Warmperioden die Menschheit immer floriert hat. Ich sehe da überhaupt kein Problem, wenn es wärmer wird.“ Im Südseestaat Tuvalu bereiten sich Menschen auf eine Flucht nach Australien vor, weil ihre Inseln infolge der Klimakrise einst im Meer versinken könnten. Neumeyer meint, nach Ansicht von Wissenschaftlern könnte da auch die Kontinentalverschiebung im Spiel sein und wirft die Frage auf: „Senkt sich die Insel, oder hebt sich das Wasser?“
Bevormundung durch den Staat lehnt er ab
Ureigenstes Anliegen Neumeyers sind aber die persönlichen Freiheiten der Bürger, die seiner Ansicht nach vom Staat immer mehr eingeschränkt werden. Er sieht das oft als Bevormundung, auch in der Corona-Pandemie. Außerdem beklagt er, dass die Steuern immer mehr erhöht werden, was die Leistungsbereitschaft der Menschen immer weiter einschränke.
Für den AfD-Kandidaten geht der Wahlkampf im Fünfseenland ohne öffentliche Auftritte über die Bühne. Ende Januar ist Neumeyer in einem Lokal in Partenkirchen vor etwa 150 Zuhörern aufgetreten, während sich draußen in der Fußgängerzone nach Angaben der Polizei etwa 400 Demonstranten versammelten. Für Montag, 17. Februar, ist dort eine weitere Veranstaltung geplant. Parteichef Tino Chrupalla wird dann als Hauptredner erwartet, der Landtagsabgeordnete Hahn soll den Abend moderieren. Erneut dürfte mit einer größeren Kundgebung zu rechnen sein. Danach wird es wieder ruhiger für Neumeyer und er hat wieder mehr Zeit für das Schreiben, seine große Leidenschaft abseits der Politik. Ein weiterer fiktiver Roman über zwei Künstlerpersönlichkeiten ist gerade in Vorbereitung.
Es gibt schon mehrere Bücher aus der Feder von ihm, die er in seinem eigenen Verlag Hohenberg veröffentlicht. „Wir Sternenkinder“ etwa oder „Der Friedhofsgärtner“. Der Verlag biete zeitlose Literatur und innovative Sachbücher zu fairen Preisen, heißt es auf der Homepage, und „dies in gutem Deutsch nach den alten Rechtschreibregeln“. Und: „Bücher, die nichts mit der Realität zu tun haben, verlegen wir nicht“.