Klaus-Michael Kühne will der Stadt Hamburg eine Oper schenken | ABC-Z

Hamburg bekommt eine neue Oper in der Hafen-City. Wie das Gebäude aussehen soll ist noch unklar, wann die Oper fertig sein wird auch, aber wer bezahlt – das ist eine Nachricht für sich: Die Stiftung des Logistik-Unternehmers Klaus-Michael Kühne will das Projekt im Volumen von mehreren hundert Millionen Euro komplett finanzieren und nach der Fertigstellung soll das Opernhaus in das Eigentum der Stadt übergehen. „Ein großzügiges Geschenk, eine großartige Chance“, kommentierte Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher vor der Landespressekonferenz: „Ein Glücksfall für die Stadt und auch für den Steuerzahler.“
Knapp drei Jahre ist es her, dass Klaus-Michael Kühne seine Idee publik gemacht hat: Er könnte einen Beitrag leisten für eine neue Oper in Hamburg, denn dem heutigen Haus fehle es an Strahlkraft. Hamburg habe etwas Besseres verdient, sagte Kühne, der zwar seit langem in der Schweiz lebt, sich seiner Heimatstadt aber verbunden fühlt. Seither wird heftig diskutiert. Viele glaubten nicht an ein Geschenk, sondern eher an ein getarntes Tauschgeschäft, zumal Kühne damals gleich neue Immobilienprojekte auf dem Grundstück der bisherigen Oper ins Gespräch brachte. In der Kulturszene rückte die mögliche Bevormundung durch eine solche Spende in den Fokus.
Wie groß sind die Risiken?
Der Steuerzahlerbund warnte noch diese Woche, das Geschenk berge enorme Risiken vor allem für den Steuerzahler. Diese Vermutung hängt damit zusammen, dass immer noch von einem „Beitrag“ Kühnes ausgegangen wurde. Kühne wolle 330 Millionen Euro zahlen, war kolportiert worden – das hätte womöglich einen erheblichen Eigenbeitrag der Stadt bedeutet, sollte das Projekt teurer werden.
Für den kinderlosen Unternehmer indes gibt es wenig Grund zu sparen, zumal es letztlich um seine große Leidenschaft geht und um die seiner Frau Christine: die Freude an der Oper als Kunstform. Kühne ist nicht nur Haupteigentümer des Schweizerischen Logistikkonzerns Kühne + Nagel International AG, sondern hält unter anderem auch relevante Anteile an Hapag-Lloyd und der Lufthansa. Insgesamt wird sein Vermögen auf eine Größenordnung von 40 Milliarden Euro geschätzt.
Hinter verschlossenen Türen hat Hamburgs Kultursenator Carsten Brosda nun mit der in der Schweiz ansässigen Kühne-Stiftung einen Vertrag ausgehandelt, der die Risiken der Stadt begrenzt. Demnach hat die Kühne-Stiftung für die Planung und den Bau des Opernhauses eine Gesellschaft gegründet, an der sich die Stadt und die Staatsoper als Minderheitsgesellschafter beteiligen und dazu insgesamt 147,5 Millionen Euro Eigenkapital einbringen, erklärte Brosda. Alle anderen Kosten übernimmt demnach die Kühne-Stiftung und überlässt nach Fertigstellung und Abnahme das Opernhaus der Stadt als Schenkung.
Schon 2032 könnte die neue Oper stehen
Bis zum Jahr 2032 könnte das zu schaffen sein, erklärte Jörg Dräger, Geschäftsführender Stiftungsrat der Kühne-Stiftung. „Wir wollen zügig vorankommen. Ein fast 88 Jahre alter Stifter hat wenig Interesse, irgend etwas zu verlangsamen“, betonte Dräger. Die privatwirtschaftliche Gestaltung erlaube auch ein höheres Tempo in der Realisierung, als wenn das Projekt in der Verantwortung der öffentlichen Hand umgesetzt würde.
Gleich am Montag soll es losgehen mit der „theaterfachlichen Vorplanung“, danach soll es einen eingeschränkten Wettbewerb mit fünf Architekten-Entwürfen geben, erläuterte Dräger vor den Medien im Hamburger Rathaus das Vorgehen. Auf dieser Grundlage werde klar sein, was an Investitionen nötig sei. Erst dann werde die endgültige Investitionsentscheidung getroffen. Als Hintertür sei das nicht zu betrachten, stellte Dräger ebenso wie auch Karl Gernandt, Verwaltungsratspräsident der Kühne Holding, klar. Man habe im Vorfeld gut kalkuliert und kenne daher die absehbare Größenordnung.
Kritik bleibt nicht aus
Noch steht das Projekt auch unter dem Vorbehalt der parlamentarischen Zustimmung – und diese ist vor der Bürgerschaftswahl am 2. März nicht mehr möglich. Die Kühne-Stiftung geht aber mit den ersten Planungsarbeiten in Vorleistung, wohl auch aufgrund der allgemeinen Erwartung, dass sich an den Mehrheitsverhältnissen im Hamburger Parlament nichts Grundsätzliches ändern wird. Alle möglichen Risiken seien bedacht worden, wird betont. Der Vertrag, für dessen Verlesung beim Notar sechs Stunden nötig waren, sei eine „mustergültiges Beispiel für private-public-partnership“, warb Gernandt zudem um Vertrauen in die Schenkung: „Die Stadt kann sich beruhigt zurücklehnen.“
Kritische Fragen sind gleichwohl programmiert. Eine Gruppe von Professoren, Architekten und Denkmalschützern fordert Transparenz über mögliche Sanierungskosten für die bisherige Staatsoper – und sammelt seit kurzem auf der Plattform change.org Unterschriften gegen einen Neubau in der Hafen-City. Die Nazi-Vergangenheit des Unternehmens Kühne & Nagel wiederum wurde in der Pressekonferenz angesprochen, auch das Risiko eines bisher nicht absehbaren Entwicklung wie beim Elbtower, der in Sichtweite der künftigen Oper schon mehr als ein Jahr als Bauruine steht. „Es ist ja wichtig, kritische Fragen zu stellen. Das ist Ihre Aufgabe“, sagte Bürgermeister Peter Tschentscher zu den Journalisten, aber: „Ich würde mich gerne einmal freuen dürfen über dieses großartige Geschenk und die Perspektive, die damit verbunden ist.“
Hamburg habe Klaus Michael Kühne viel zu verdanken, hatte Tschentscher schon zu Beginn der eineinhalbstündigen Pressekonferenz festgestellt: Hapag-Lloyd, heute eine der größten Linien-Reedereien der Welt, existierte wohl gar nicht mehr, wenn sich nicht dereinst Kühne in krisenhaften Zeiten engagiert hätte, bringt er in Erinnerung. Dass man sich damit nicht in Abhängigkeiten begebe, betont Tschentscher an anderer Stelle ebenso: die Entscheidung der Stadt, mit MSC den weltgrößten Reeder am Hafen-Betreiber HHLA zu beteiligen, sei bei Hapag-Lloyd nicht gerade auf Wohlgefallen gestoßen.
Dem Volumen nach ist die geplante Oper nicht nur die größte Schenkung, die Hamburg je erhalten hat, sondern mutmaßlich das größte mäzenatische Projekt in Deutschland, zumindest im Bereich Musik. Kühne selbst ist schon vielfach als Musik-Förderer in Erscheinung getreten, etwa für die Oper in Zürich, die Salzburger Festspiele oder auch für die Elbphilharmonie. Eine andere aufsehenerregende Initiative wurde vor wenigen Jahren in Künzelsau – tief in der Provinz zwischen Stuttgart und Würzburg – realisiert, und zwar durch den als Schraubenkönig apostrophierten Unternehmer Reinhold Würth, der dieses Jahr 90 Jahre alt wird. Hier sind in einem von Star-Architekt David Chipperfield entworfenen Gebäude nicht Veranstaltungsräume und ein Museum entstanden, das Carmen-Würth-Forum beschäftigt sogar ein eigenes philharmonisches Orchester.