Rohstoffe gegen US-Hilfe: Was kann die Ukraine bereithalten? | ABC-Z

US-Präsident Donald Trump möchte, dass die Ukraine den USA im Gegenzug für Finanz- und Militärhilfe Zugang zu ihren Seltenen Erden gewährt. Doch wichtige Vorkommen befinden sich bereits unter russisch besetztem Gebiet.
US-Präsident Donald Trump hat die Ausweitung der amerikanischen Finanz- und Militärhilfe für die Ukraine an Bedingungen geknüpft. Demnach will Washington der Ukraine bei ihrer Verteidigung gegen Russlands Angriffskrieg weiterhin nur dann helfen, wenn Kyjiw den USA die Lieferung von Seltenen Erden zusagt.
Kyjiw hatte bereits seine Bereitschaft dazu signalisiert, westlichen Ländern Zugang zu diesen begehrten Rohstoffen in der Ukraine zu gewähren. Dies ist einer der Punkte von Wolodymyr Selenskyjs „Siegesplan“, den er im September 2024 vorstellte, unter anderem in den USA, als noch unklar war, wer 2025 als Präsident ins Weiße Hauses einziehen wird. Der ukrainische Präsident sprach damals auch mit Trump. Selenskyj versprach allen Ländern, die Kyjiw unterstützen, „Renditen auf ihre Investitionen“ und nannte dabei die natürlichen Ressourcen des Landes, darunter „äußerst wichtige Metalle im Wert von Billionen von Dollar“.
Seltene Erden sind für die Herstellung vieler moderner Geräte, darunter Smartphones oder Elektrofahrzeuge, sowie anderer Hightech-Produkte nötig. Unverzichtbar sind sie auch in der Rüstungsproduktion sowie in der Luft- und Raumfahrtindustrie.
Derzeit kontrolliert China den Löwenanteil der Produktion industriell genutzter Seltenerdmetalle weltweit. Einem Bericht des Weltwirtschaftsforums zufolge werden über diesen Anteil beispielsweise rund 40 Prozent des Bedarfs der Europäischen Union an diesen Ressourcen gedeckt. Weitere wichtige Lieferanten sind Australien, Südafrika, Kanada und Brasilien.
Um die Abhängigkeit von Peking zu verringern, arbeiten die EU und die USA seit Jahren daran, die Produktion wichtiger Rohstoffe in anderen Ländern der Welt auszubauen und zu steigern. Dazu gehören insbesondere Uran, Titan, Lithium, Graphit, Nickel und Aluminium. Laut einer Studie des Kompetenzzentrums der NATO für Energiesicherheit hat sich das weltweite Marktvolumen für kritische Rohstoffe in den letzten fünf Jahren auf 320 Milliarden Dollar verdoppelt. Prognosen zufolge wird es sich in den kommenden fünf Jahren noch einmal verdoppeln.
Wie die NATO-Experten anmerken, verfügt die Ukraine über das Potenzial, sich zu einem Schlüssellieferanten zahlreicher kritischer Rohstoffe wie Titan, Lithium, Beryllium, Mangan, Gallium, Uran, Zirkonium, Graphit, Apatit, Fluorit und Nickel zu entwickeln, was zur Diversifizierung „vieler, wenn nicht aller“ globaler Lieferketten führen könnte.
So gelten etwa die ukrainischen Titanerz-Vorkommen als die größten Europas. Sie stellen sieben Prozent der weltweiten Ressourcen dar. Ferner ist die Ukraine eines der wenigen Länder, in denen Titan bereits gewonnen wird, das vor allem in der Luft- und Raumfahrtindustrie, der Medizin sowie beim Automobil- und Schiffbau unverzichtbar ist. Laut der NATO-Studie zählte die Ukraine vor der umfassenden Invasion Russlands zu den wichtigsten Titan-Lieferanten für die Rüstungsindustrie.
Darüber hinaus befinden sich in der Ukraine mit rund 500.000 Tonnen einige der größten bestätigten Lithiumvorkommen in Europa. Der Rohstoff wird für die Herstellung von Batterien, Keramik und Glas dringend benötigt. Die Ukraine ist zudem der fünftgrößte Produzent von Gallium weltweit, das für die Herstellung von Halbleitern und Leuchtdioden (LEDs) wichtig ist. Darüber hinaus ist die Ukraine für die USA ein wichtiger Neon-Lieferant. Das Gas wird bei der Herstellung von Halbleitern benötigt.
In einem im Sommer 2024 auf der Website des Weltwirtschaftsforums veröffentlichten Bericht heißt es, die Europäische Kommission habe die Ukraine als potenzielle Quelle für mehr als 20 kritische Rohstoffe identifiziert. Europa sollte deren Export aus der Ukraine weiterhin fördern; ein Beitritt der Ukraine zur EU könnte die Stabilität der EU-Industrie stärken.
Auch in Kyjiw ist man sich des Potenzials der Ukraine als weltweiten Lieferanten wichtiger Rohstoffe für die Industrie bewusst. „Wir verfügen über bedeutende Reserven, wir haben eine strategisch vorteilhafte Lage im EU-Kontext, eine entwickelte logistische Infrastruktur und hohe Kompetenzen bei der Erforschung und Erschließung von Vorkommen“, stellte Oleksandr Kubrakow fest. Der ehemalige Minister für Infrastruktur und Mitbegründer des Think Tanks „We Build Ukraine“ äußerte sich bei einer Konferenz, die strategischen Rohstoffen gewidmet war.
Kritiker weisen jedoch darauf hin, dass für eine optimale Gewinnung kritischer Rohstoffe eine Koordinierung seitens der Regierung, ein stabiler regulatorischer Rahmen, eine für die Wirtschaft akzeptable Steuerpolitik und letztlich auch Investitionen erforderlich seien. Noch ist nicht abzusehen, ob die USA, wenn sie die Kontrolle über bestimmte Vorkommen kritischer Rohstoffe in der Ukraine erlangen, in der Lage sein werden, strukturelle Veränderungen anzustoßen.
Unterdessen berichten die Behörden in Kyjiw bereits über erste Schritte in diese Richtung und nennen konkrete Pläne: „Derzeit machen wir Daten zu diesen Mineralien öffentlich und haben viele regulatorische und rechtliche Maßnahmen erarbeitet“, sagte die stellvertretende Umweltministerin Olena Kramarenko. Das strategische Ziel bestehe darin, „die Ukraine in die Rohstoffstrategie der EU einzubeziehen“.
Doch das größte Hindernis für die Ausbeutung kritischer Rohstoffe in der Ukraine ist nach wie vor der Angriffskrieg Russlands. Es gibt keine genauen Angaben dazu, wie viele Vorkommen von Seltenerdmetallen unter russischer Kontrolle sind und wie viele sich gefährlich nahe am Kampfgebiet befinden.
Ukrainische Experten vermuten gegenüber der DW, dass Russland die Kontrolle über mindestens zwei Lithium-Vorkommen anstreben könnte. Von den vier bekannten Vorkommen im Lande sind nur noch zwei unter ukrainischer Kontrolle. Das Territorium in den ukrainischen Gebieten Saporischschja und Donezk, wo sich die anderen beiden Vorkommen befinden, ist derzeit von Russland besetzt.
Adaption aus dem Ukrainischen: Markian Ostaptschuk