Bundestagswahl 2025: Lohnt sich taktisches Wählen bei der Bundestagswahl? | ABC-Z

Im früheren Drei- bis Vierparteiensystem der Bundesrepublik sei taktisches Wählen – besonders im Sinne des Stimmensplittings – noch relativ einfach gewesen, sagt Politikwissenschaftlerin Münch. Vor allem im konservativen Lager teilten traditionell viele Menschen ihre Stimmen auf: Die Erststimme ging dann an die CDU, die Zweitstimme an die FDP. Sinnvoll war das aus Sicht der damaligen Wähler auch, weil in den Achtziger- und Neunzigerjahren vor Wahlen oft klare Koalitionsaussagen getroffen wurden.
„Bei der anstehenden Bundestagswahl ist es ungleich schwieriger, in Koalitionen zu denken, weil wir mindestens drei, wenn nicht sogar vier Parteien haben, von denen wir wissen, dass sie den Einzug in den Bundestag eventuell schaffen, eventuell aber auch nicht“, sagt Münch. Selbst wenn man davon ausgeht, dass die derzeitigen Umfragen die Wählerstimmung gut abbilden, ist die genaue Zusammensetzung des künftigen Bundestags völlig unklar. „Man weiß im Grunde nicht, ob es für eine Zweierkoalition reichen oder ein Dreierbündnis zwingend wird. Daran scheitert dieses Koalitionsplanungswählen schon ein bisschen.“
Hinzu kommt, dass bei der bevorstehenden Bundestagswahl zum ersten (und wahrscheinlich letzten) Mal das neue Wahlrecht greift. Dieses soll die Größe des Bundestags reduzieren. Sogenannte Überhang- und Ausgleichsmandate wird es nicht mehr geben. Entscheidend für die Stärke einer Partei im Parlament ist nur noch ihr Zweitstimmenergebnis – und zwar auch dann, wenn sie über die Erststimme mehr Direktmandate geholt hat. In der Praxis bedeutet das: Erhält eine Partei mehr Direktmandate als Zweitstimmen, kommen nicht alle direkt gewählten Kandidaten in den Bundestag. Damit verfallen faktisch auch die Erststimmen jener Wähler, die einen Kandidaten unterstützt haben, der seinen Wahlkreis zwar gewonnen hat, am Ende aber nicht in den Bundestag einzieht.
Solche Szenarien fürchtet derzeit vor allem die Union, die in ihrer Kampagne dazu aufruft, sie „mit beiden Stimmen“ zu unterstützen. „Tatsächlich trifft das neue Wahlrecht vor allem die CDU in Baden-Württemberg und die CSU in Bayern. Die Union hat daher noch mehr als in der Vergangenheit ein großes Interesse daran, den Leuten einzuschärfen, dass die Zweitstimme so wichtig ist“, sagt Münch.