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Zweite Staffel von Maxton Hall“ bei Prime Video | ABC-Z

Wer daran glaubt, dass Herzen nicht nur gebrochen, sondern aus dem Leib gerissen werden können; dass böse Mächte füreinander bestimmte junge Menschen bloß temporär entzweien können. Wer darüber hinaus glaubt, dass am Ende alles gut werden muss, der ist mit der zweiten Staffel der Young-Adult-Serie „Maxton Hall“ bei Amazon Prime nun wieder bedient.

Als im Mai des vergangenen Jahres der PR-Hype um Staffel eins einen Höhepunkt erreichte („in mehr als 120 Ländern und Territorien auf Platz 1 der Prime Video Charts“, „größte globale Zuschauerzahl eines nicht-amerikanischen Titels in der Startwoche in der Geschichte von Prime Video“), konnte man noch von Überraschung sprechen.

Eine Geschichte wie bei „Aschenputtel“

Eine Oberstufen-Schulgeschichte aus Deutschland, die in einer englischen Luftschloss-Privatschule und einem gesellschaftlichen Klassensystem spielt? Eine Story, in der wunderbare Mächte und eitle Manipulatoren im Clinch liegen wie bei „Aschenputtel“? In der die superschlaue, aus unterprivilegierter Familie stammende Ruby Bell (Harriet Herbig-Matten) wie weiland Samuel Richardsons Clarissa Harlowe die misshandelte Unschuld spielen muss, aber in puncto Resilienz und Selbstliebe alle überstrahlt? In der ein drogen- und alkoholbetäubter reicher Schnösel, der „Erbe“ James Beaufort (Damian Hardung), ihren Gegenpart gibt? Wo „hormongesteuert“ das Auf und Ab des Hassens und der „magischen“ Anziehung beider durchaus beschreibt?

„Maxton Hall“ ist eine durchkonstruierte Leidenschaftsgeschichte, gegen die Charles Dickens’ „Große Erwartungen“ oder Dorothy L. Sayers „Aufruhr in Oxford“ wirken wie jüngst erfunden. Der Erfolg des Retro-Kitsches überrascht nicht. Die Serie von Ceylan Yildirim (Chefautorin und Produzentin, Regie Martin Schreier, Kamera Martin Schlecht) macht im Young-Adult-Eskapismusgenre alles richtig und manches sogar richtig gut. Märchenfiguren brauchen Reduktion auf bestimmte Charakterzüge, Grundmotive und Emotionen, um Eindruck zu machen und als Projektionsauslöser zu wirken. Erfolgreiche Serien für junge Menschen brauchen zudem einen eigenständigen Look, eine ausgefeilte Playlist, eine hochwertige Produktion, Dialoge und Interaktionen, die zur Zielgruppe passen.

„Maxton Hall“, das auf einer Romantrilogie von Mona Kasten beruht, findet da den richtigen Weg und vor allem eine Balance zwischen Schmalz und der frohen Botschaft an die Jugend, dass Bildung zwar vielleicht nicht alles ist, aber alles nichts ohne Bildung. Dass Ruby Bell und James Beaufort, beide passend gespielt von Herbig-Matten und Hardung, wie Julia und Romeo nicht zueinander finden, weil „die Welt“ dazwischenfunkt, ist geschenkt. Und dass zum Ende der ersten Staffel der erste Sex der Hauptfiguren ein ausgedehnt betrachteter liebevoll-leidenschaftlicher Akt ist, bildet ein Gegenbild zur rechten Andrew-Tate-Mannosphäre, in der Partnerinnen erniedrigt werden.

Darüber hinaus siegt in „Maxton Hall“ immer wieder der Wunsch, zu wissen und zu gestalten über rücksichtslose Geldmacherei. Interessant ist in der zweiten Staffel die Entwicklung der Männlichkeitsvorstellungen James Beauforts, der, wie Colin Firth in „Stolz und Vorurteil“ (1995) als erotisches Symbol inszeniert wird und gegen Ende gar im schwarzen Rabenfedernkragen über goldener Lederjacke eine coole männliche Figur macht.

Keine Frau darf sich von toxischen Männern erniedrigen lassen

In der neuen Staffel wird James noch mehr geprüft. Sein märchengrausamer Vater Mortimer (Fedja van Huet) intrigiert gegen die „nicht standesgemäße“ Ruby, die sich erst einmal auf ihre Studienzulassung in Oxford konzentriert. Das ist eine der Botschaften von „Maxton Hall“: Keine Frau darf sich von toxischen Männern erniedrigen lassen. Freundschaft ist so viel wert wie Liebe, und Romantik gibt es nur auf Augenhöhe. Ältere Semester mögen Rubys und James’ neunmalkluge Off-Kommentare abschrecken, aber diese sind nicht für sie bestimmt, und im Kontext der Serie funktionieren sie. Neben Harry-Potter-Reminiszenzen (Quidditch ist hier Lacrosse) steht die sentimentale Erziehung des neuen Gentlemans. Kants moralischer Imperativ war Thema in der ersten Staffel, die zweite inszeniert Shakespeares „Sommernachtstraum“. Das taugt für Hochglanzbilder und Anknüpfungswerte. Wo Taylor Swifts „The Fate of Ophelia“ gerade Fans dazu bewegt, Museen zu stürmen und sich in Bildbetrachtung zu üben, leistet auch „Maxton Hall“ seinen Teil zur Kunstbetrachtungsübung.

Hinfallen, aufstehen, weitermachen: „Maxton Hall“ mit seiner Oxford-Begeisterung Ruby Bells und dem sich als fühlender Mann neu erschaffenden James Beaufort, mit einem feinen Freundescast, der Geborgenheit der Bell-Familie und dem unausweichlichen Niedergang der Gewaltherrschaft des Hauses Beaufort: Das ist Kitsch plus. Die dritte und letzte Staffel wird bereits gedreht.

Die ersten drei der sechs neuen Folgen Maxton Hall laufen seit Freitag bei Prime Video.

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