Zwangsverheiratung in Berlin: Viel Wissen, wenig Ressourcen | ABC-Z

Die Zahlen aus der Polizeilichen Kriminalstatistik bilden dabei jedoch nur einen Bruchteil der Realität ab. Abfragen des Berliner Arbeitskreises gegen Zwangsverheiratung verzeichneten für 2017 insgesamt 570 bekannte Fälle und für 2022 496 Fälle von versuchter oder erfolgter Zwangsverheiratung. Befragt wurden dazu über 1.000 Einrichtungen aus Jugendhilfe, Frauenprojekten, Polizei, Bildungseinrichtungen und Flüchtlingsunterkünften.
Berlin verfügt über ein breites Netz an Hilfs- und Beratungsangeboten. Dazu gehören die senatsgeförderte Kriseneinrichtung Papatya, die jungen Frauen in akuter Gefahr anonymen Schutz bietet, sowie deren Onlineberatung Sibel. Ergänzend gibt es Projekte wie die Beratungsstellen von Elişi Evi e. V., TIO e. V. oder HÎNBÛN, die insbesondere Frauen mit Migrationsgeschichte unterstützen. Seit 2024 existiert zudem eine spezialisierte Fachberatungsstelle zu Menschenhandel und Ausbeutung von Minderjährigen sowie ein Ergänzungsblatt zum Thema Zwangsverheiratung in den Notfallplänen für Berliner Schulen.
Nun hat der Senat im Juni zudem eine Studie zur Erfassung von Zwangsverheiratungen in Berlin in Auftrag gegeben. Ziel ist es, ein klareres Bild vom Ausmaß und den Ursachen des Problems zu gewinnen und Maßnahmen zu entwickeln, um Betroffene besser zu schützen. Für die Studie wird ein Budget in Höhe von maximal 75.000 Euro veranschlagt.
Präventionsarbeit braucht mehr Geld
Bahar Haghanipour hält das für falsch investiertes Geld: „Wir haben bereits viel Wissen und Erfahrung zu Ausmaß und Verhinderungsmöglichkeiten von Zwangsverheiratung“, sagt sie. „Die Projekte wissen, was sie zu tun haben. Sie scheitern in ihrer Arbeit zu oft an fehlenden Ressourcen.“
Das unterstreicht auch Ayse Köse von Elişi Evi e. V.: „Wir sind die Expertinnen, wir wissen, mit welchen Maßnahmen wir Betroffenen helfen können. Aber uns wird das Geld gekürzt“, sagt sie. Im neuen Doppelhaushalt sinkt ihre Fördersumme um zwei Prozent. Da die Mittel zweckgebunden sind, bleibt nur, beim Personal zu sparen.
Auch Projekte wie Papatya bräuchten mehr Kapazitäten, um in die Schulen zu gehen und Betroffene zu begleiten, meint Bahar Haghanipour. Angesichts des Kürzungshaushalts könnten die Projekte jedoch nicht mit mehr Geld rechnen. Deshalb wäre das Budget der Studie besser in der Präventionsarbeit investiert, meint die frauenpolitische Sprecherin. Für sie steht fest: „Wir haben kein Wissensproblem, sondern ein Umsetzungsproblem.“
















