Zum Schulbeginn: Stadt lässt 520 Förderschüler im Regen stehen | ABC-Z
München – Eltern von 520 Grund- und Förderschülern wurden von der Stadt zu Beginn des Schuljahres buchstäblich im Regen stehen gelassen. Die Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG) hat es nicht geschafft, im Auftrag des Referats für Bildung und Sport (RBS) rechtzeitig genug Busunternehmen zu verpflichten, die die besonders auf Hilfe angewiesenen Schüler von ihrem Zuhause in die Förderschule und zurückfahren. Mindestens für die ersten zwei Wochen sollten die betroffenen Eltern den Transport selber organisieren, hieß es kurz vor Schulstart.
“Noch nie dagewesene Situation”: Eltern von Förderschülern sind sauer auf die Stadt
Der Gemeinsame Elternbeirat für die Münchner Förderzentren (GEB) hat darum Alarm geschlagen. Von einer “besonders gravierenden, noch nicht dagewesenen Situation” schreiben die Eltern in einer Mitteilung. Es geht um “Kinder mit besonders hohem Förderbedarf im Bereich der geistigen Entwicklung, Autismus oder anderen Einschränkungen”. Deren Förderschulen oder Heilpädagogische Tagesstätten sind oft weiter weg vom Wohnort, als es die regulären Grundschulen sind. In München gilt: Ist der Weg weiter als zwei Kilometer, haben die Kinder einen Anspruch darauf, gefahren zu werden.
Es sei “immer ein bisschen chaotisch” am Anfang des Schuljahres, sagt Wanda Jakob vom gemeinsamen Elternbeirat für die Münchner Förderzentren (GEB) zur AZ. Aber dieses Jahr sei es extrem. “Die Familien sind am Anschlag”. Es seien “viele Kinder mit hohem Förderbedarf betroffen”. Einige Eltern hätten sich in der Not sogar dazu entschieden, ihre Kinder erstmal nicht in die Schule zu schicken.
1454 Schüler sind auf Schulbus zur Förderschule angewiesen: Warum das dieses Jahr nicht geklappt hat
Wie konnte das überhaupt passieren, dass ausgerechnet Kinder (und Eltern), die besonders auf Hilfe angewiesen sind, von der Stadt so im Stich gelassen werden? Die MVG organisiert die Busse im Auftrag des Referats für Bildung und Sport. Wie das abläuft, ist im Münchner Schulbusorganisationsvertrag geregelt. Zunächst ermittelt das RBS, wie viele Schüler es gibt, die ein Anrecht auf Schulbustransport haben. Dann beauftragt es die MVG, den Transport zu organisieren; also per Ausschreibung Busunternehmen zu finden und die Streckenführungen einzuteilen. “Die MVG ist hier also als Dienstleister für das RBS zu verstehen”, schreibt das RBS auf AZ-Anfrage.
Für 1454 Schüler musste die MVG heuer den Schulbustransport zu sonderpädagogischen Förderzentren organisieren. Insgesamt sind es rund 3.500 Schüler, die einen Schulbus benötigen. Für 520 dieser Schüler gab es Ende August noch keine Busse.
Markt “recht ausgeschöpft”: Warum die MVG nicht genügend Schulbusse für Förderschüler organisiert hat
Die Organisatio hat dieses Jahr offenbar besonders schlecht funktioniert: Eine erste Ausschreibung sei laut MVG im März durchgeführt worden, “diese fiel allerdings aufgrund der wenigen Bieter und zu hohen Kosten für Begleitpersonen relativ dürftig aus”. Eine zweite Ausschreibung, bestehend aus den “nicht vergebenen Linien der ersten sowie dem restlichen Bedarf an Schulbussen” sei Anfang Juli veröffentlicht worden. Hier sei “der Markt aufgrund mangelnder Angebote sowie fehlender Kapazitäten recht ausgeschöpft” gewesen. Noch einmal wurden einige der Schulbuslinien nicht vergeben.
Kurz vor Schulstart in München: 520 Schüler ohne Schulbustransport
Dann kam der Schulstart und 520 Kinder drohten, buchstäblich auf der Strecke zu bleiben. Kurzfristig haben jetzt laut Wanda Jakob einige Schulen versucht, Kinder auf bestehende Buslinien zu setzen. “Und es sind wohl auch schon Taxis im Einsatz”, sagt Jakob. Eine erste Forderung der Eltern hat die Stadt laut Elternbeirat zunächst verweigert, am Donnerstag (19.9.) aber dann doch erfüllt: Eltern dürfen ihre Kinder im Taxi zur Förderschule schicken, die Stadt übernimmt die Kosten, bis es eine dauerhafte Lösung gibt.
96 Förderschüler sind laut RBS Stand Donnerstagabend noch nicht versorgt. Man arbeite “mit Hochdruck” an einer Lösung. Bereits für Montag rechnet das RBS damit, dass nur noch 50 Schüler nicht versorgt sein werden. Es sei gelungen, “innerhalb von 9 Tagen (seit Schuljahresstart), Lösungen für die Beförderung von 470 der ursprünglich nicht versorgten 520 Schüler*innen zu organisieren”, so eine Sprecherin des RBS.
Runder Tisch und Fragen im Stadtrat: Das Nachspiel des Münchner Schulbus-Chaos
Anfang kommender Woche gebe es außerdem einen runden Tisch mit allen Beteiligten, also dem RBS, der MVG, Schulleitungen, dem Elternbeirat und dem Behindertenbeirat.
Für dieses Jahr, aber auch für kommende Jahre wünschen sich die Eltern der Förderschulkinder von der Stadt, dass die Probleme “so rasch wie möglich und nachhaltig gelöst werden”, so Jakob.
Auf eine rasche Lösung drängt nun auch die ÖDP. Mit einem Eilantrag für die kommende Stadtratsvollversammlung verlangt sie von der Stadt, “schnellstmöglich” Maßnahmen zu ergreifen. “Hier wurde ein Planungsfehler gemacht, der auf dem Rücken der Schwächsten ausgetragen wird – das muss sofort behoben werden”, sagt ÖDP-Stadtrat Tobias Ruff.