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Zum Karriereende des Skispringers Daniel-André Tande: Mehr Angst als Freude – Sport | ABC-Z

Skispringen ist beides, Loslassen und Kontrollieren. Das Loslassen geschieht beim Absprung, wenn der Springer alles seinem Körper überlässt und dabei nicht denken sollte. In der Luft kann er dann den Rest korrigieren und kontrollieren und einen möglichst eleganten Telemark bei der Landung in den Schnee setzen. So wie es auch Daniel-André Tande viele Winter lang vorgeführt hat.

Der Norweger war seit vielen Jahren einer der besten Skispringer. Gut, es wurde zuletzt ein bisschen ruhiger um ihn, und doch, mit 30 Jahren hört er nun auf mit dem Springen, nur ein paar Wochen vor dem Saisonauftakt.

Es muss ein gravierendes Erlebnis gewesen sein, wenn ein solcher Skispringer jetzt aufgibt. Einer, der mit tadelloser Technik die Freuden des Gleitens durch die Luft genoss: dieses Dahinsegeln ohne wirkliche Tragflächen, sondern nur mit schmalen Brettern an den Füßen, ohne Motorkraft und Lenkung, nur mittels Korrekturen mit den Händen. Tatsächlich ist dies aber kein Rätsel. Denn Tande war ein erstklassiger Flieger mit brillantem Vermögen, doch er hat nicht nur seine Freude am Fliegen verloren, sondern auch sein Selbstvertrauen. Und damit eine der wichtigsten Stützen seines Erfolges, die ihn zu 13 Weltcupsiegen, zu einem dritten Gesamtrang bei der Vierschanzentournee und zu zweimal Platz drei im Gesamtweltcup getragen hatte.

Seit knapp drei Jahren überlässt er seinem Körper wohl die Steuerung in der Luft nicht mehr, er bremst ihn damit, darin liegt nun der Grund für seinen Rücktritt. „Ich habe immer noch mit den Nachwirkungen meines Sturzes 2021 in Planica zu kämpfen“, sagte Tande dem Sport-Informationsdienst, er habe erkannt, dass das Springen mittlerweile bei ihm mehr Angst als Freude auslöst. „Und ich hatte immer gesagt, dass es an einem solchen Punkt Zeit ist, auf Wiedersehen zu sagen.“

Nicht einmal mehr die WM im eigenen Land reizt ihn

Planica gilt als eine der heikelsten Schanzen. Doch 2021 war Tande noch einer der souveränsten Springer und vor allem auch Flieger. Dieses Segeln hatte ihn ja stark gemacht, es gibt starke Springer und es gibt eben starke Gleiter – jene, die sich anströmende Luft besonders gut zunutze machen; jene, die sich auf die Luft „legen“ können. Doch dann, kurz hinter dem Vorbau, wenn der Springer zum Flieger wird, büßte Tande plötzlich ein, was ihn trug. Seine Symmetrie, seine Ruhe in der Luft, sein Luftkissen.

Tande knickte ein, er verlor beim Aufprall das Bewusstsein, sein Körper überschlug sich mehrmals, trudelte herab und kam endlich irgendwo im Zielbereich zum Liegen.

Zuschauer standen damals keine auf den Rängen, es war die hohe Zeit von Corona, doch auch ohne Pandemie, wenn Zuschauer die Tribünen befüllt hätten, wären sie wohl augenblicklich verstummt. Genauso wie seitdem die kühnen Stimmen in Tande. Er hatte zwar auch nach dem Sturz im Weltcup noch Sprünge gezeigt, hatte sich mit eleganter Figur von den Bakken gestürzt. Aber es fehlten ihm die Präzision und wohl auch die Lust, dabei an die Grenze zu gehen, was er mit seiner besonders riskanten, nach vorn gekippten Fluglage einst perfekt beherrscht hatte.

Letztlich hatte Tande großes Glück, wohl auch deshalb sendet ihm sein Körper nun klare Zeichen dafür, diesen Sport besser aufzugeben. Erst am Nachmittag hatten die Ärzte damals ja Entwarnung gegeben, die Verletzungen waren sogar verhältnismäßig gering: ein Schlüsselbeinbruch, eine leichte Lungenverletzung und einige Prellungen. Der Schrecken aber, den er davongetragen hatte, reichte aus, um ihn schließlich ganz auszubremsen. Sogar die Weltmeisterschaft in diesem Winter in Trondheim, in seinem Heimatland Norwegen, reizt ihn als Aktiven nicht mehr.

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