Zu gefährlich – Venedig lässt berühmtes Wahrzeichen umbauen | ABC-Z
Venedig. Die beliebte Sehenswürdigkeit hat schon über Hundert Verletzte gefordert. Nun zieht die Stadt Konsequenzen – mit einer teuren Maßnahme.
Der spanische Architekt Santiago Calatrava ist für seine technisch spektakulären, futuristischen Bauwerke bekannt. In New York etwa entwarf er die neue U-Bahn-Station World Trade Center an der Stelle der Terroranschläge vom 11. September 2001. Allerdings hat er in den vergangenen Jahren wegen hoher Kostenvoranschläge und zahlreicher Baumängel mit seinen Auftraggebern mehrfach Ärger gehabt. Auch in Venedig, wo Calatrava die Glasbrücke „Ponte della Costituzione“ (Brücke der Verfassung) entworfen hatte.
Seit der Eröffnung 2008 macht die 80 Meter lange, futuristische Konstruktion, die den Bahnhof Santa Lucia mit dem Busbahnhof verbindet, der Stadt Venedig ständig Probleme. Denn: Ihre Glasstufen sind zu rutschig. In den 16 Jahren ihres Bestehens wurden 106 Unfälle gemeldet. Unzählige Menschen, die darauf ausgerutscht waren und sich verletzt hatten, haben über ihre Jahre Entschädigungsforderungen an die Stadt gestellt.
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Um gegen die gefährliche Brücke zu protestieren und die Rutschgefahr zu verbildlichen, hatten die Aktivisten der Bürgerbewegung Venessia.Com kürzlich ein Sit-in mit Skiern und Skistöcken organisiert. Die Stadtverwaltung zieht nun Konsequenzen und hat ein Architekturstudio mit dem Austausch der 284 Glasstufen beauftragt. Sie sollen durch Trachyt-Platten ersetzt werden.
Brückenstufen müssen für 1,4 Millionen Euro ausgetauscht werden
Für den Austausch will Venedig 1,4 Millionen Euro locker machen. Auch weitere Maßnahmen sollen ergriffen werden, um die Rutschgefahr auf der Brücke zu minimieren. Der Austausch wurde mit Calatrava abgestimmt. Der Architekt hatte bereits wenige Wochen nach der Einweihung am 11. September 2008 geraten, das Glas der Stufen durch Trachyt zu ersetzen, weil er die Gefahr seiner Brücke erkannt hatte.
Und die war nicht günstig gewesen: Die Kosten für die Brücke, die 2002 auf 6,7 Millionen Euro veranschlagt worden waren, kletterten schrittweise auf 11,3 Millionen Euro. Hinzu kamen noch 1,8 Millionen Euro für eine eierförmige Kabinenbahn, die Menschen mit Behinderung die Überquerung der Brücke ermöglichen soll. Der Brückenneubau war der erste in Venedig seit über 70 Jahren. Der aus Stahlrippen geformte Bogen über dem Canal Grande wirkt zwar elegant und leicht, aber sowohl der hohe Preis als auch die Instandhaltungskosten sorgten immer wieder für Diskussionen.
So wurde Calatrava 2019 von einem Rechnungshof in Venedig, der für die Kontrollen öffentlicher Ausgaben zuständig ist, zu einer Geldstrafe von 78.000 Euro verurteilt. Die hohen Instandhaltungskosten für die Brücke seien das Resultat einer fehlerhaften Planung, so der Vorwurf des Rechnungshofes. Der Gemeinde Venedig seien deshalb riesige Ausgaben entstanden, entschied das Gericht bei einem Berufungsprozess. Demnach hatten sich bereits 2011 erhebliche Mängel an den beiden Brückenlagern gezeigt, die sich um bis zu fünf Zentimeter verschoben hatten.
Stararchitekt in der Kritik: Bauwerke machen immer wieder Probleme
Venedig besaß bereits drei antike Brücken über den Canal Grande: die berühmte Rialtobrücke, die Ponte dell‘Accademia und die Scalzi-Brücke. Die Stadtverwaltung suchte lang nach einem geeigneten Namen für die neue Infrastruktur, die dann „Brücke der Verfassung“ getauft wurde. Von den Venezianern jedoch wird sie schlicht nach dem Architekten „Ponte di Calatrava“ genannt.
Sei es der Züricher Stadelhofen-Bahnhof, das Auditorium auf Teneriffa, das Milwaukee-Museum in Wisconsin, der Oriente-Bahnhof in Lissabon oder die Expo-Brücke in Sevilla: Viele von Catalatravas Bauten sind von Federn, Flügeln, Gerippen oder Blättern inspiriert. Seine schneeweißen Brücken und extravagant-geschwungenen Gebäude sind Ausdruck von Modernität, stehen aber immer wieder auch in der Kritik. Am Flughafen von Bilbao tropfte es durchs Dach. An der Oper in Valencia hatte man mit herabfallenden Dachplatten zu kämpfen. Dennoch erreicht Santiago Calatrava aus ästhetischer Sicht immer wieder jenen „Wow“-Effekt, der viele fasziniert.