Geopolitik

Zollstreit: Wie Trump Mexikos Politik radikal umkrempelt | ABC-Z

Das Sicherheitskabinett der mexikanischen Regierung liefert die gewünschten Erfolgsmeldungen. Sicherheitsminister Omar García Harfuch fasste die Ergebnisse „Operation Nordgrenze“ Ende Februar zusammen: In den drei Wochen der Operation – gemeint ist der Einsatz von 10.000 zusätzlichen Sicherheitskräften an der US-Grenze – seien 54,9 Kilogramm Fentanyl und 705 Waffen beschlagnahmt worden.

Seit Beginn der Präsidentschaft von Claudia Sheinbaum am 1. Oktober konnten mehr als 13.000 Personen „wegen schwerwiegender Verbrechen verhaftet und 6582 Schusswaffen, 112,8 Tonnen Drogen, darunter 1260 Kilo und 1,3 Millionen Fentanyl-Pillen“ beschlagnahmt werden.

Der eigentliche Adressat dieser Meldungen ist allerdings nicht die mexikanische Bevölkerung, sondern US-Präsident Donald Trump. Der setzt Mexiko mit der Einführung von Strafzöllen unter Druck, um einen Kurswechsel in der Migrations- und Drogenpolitik zu erzwingen. Mexikos Präsidentin Sheinbaum reagiert darauf stets betont selbstbestimmt: „Niemand entscheidet für uns“.

Kurz nachdem die US-Zölle auf mexikanische Importe in Höhe von 25 Prozent Anfang der Woche in Kraft getreten waren, kündigte Sheinbaum an, am Sonntag Gegenmaßnahmen verhängen zu wollen. Dazu gehörten Zölle auf US-Waren und weitere Maßnahmen, „um die Interessen Mexikos zu verteidigen“. Details nannte sie nicht.

Die Art und Weise, mit der die Linkspolitikerin Mexikos öffentlich auf die Souveränität ihres Heimatlandes pocht, kommt laut Umfragen gut an. Eine Mehrheit der Mexikaner stützt den Kurs der verbalen Selbstbehauptung gegen die ständigen Attacken aus dem Weißen Haus.

Doch auf den zweiten Blick wird deutlich: Trump hat mit seiner Zollpolitik die mexikanische Regierung längst zu einigen bemerkenswerten Kurswechseln bewegt, die den mächtigen Nachbarn im Norden milde stimmen sollen.

So kündigte das mexikanische Wirtschaftsministerium die Verschärfung der Kontrolle von Importen aus China an. Mit Ausgleichszöllen und Anti-Dumping-Untersuchungen soll die nationale Industrie geschützt werden, deren Exporte wiederum in die USA gehen.

Zudem lieferte Mexiko 29 Drogenbosse in die USA aus, offiziell aus „Gründen der nationalen Sicherheit“. Um die nationale Sicherheit ging es auch bei der „Operation Nordgrenze“ bei der die mexikanischen Behörden neue Grenztunnel entdeckten, die von Mexiko in die USA führten.

Mexiko arbeitet bei der Abschiebung eng mit den USA zusammen und verschärft auch das eigene Grenzregime. Die Liste der Beispiele ließe sich beliebig fortführen – doch ob das genügt, ist angesichts der Unberechenbarkeit, mit der Trump seine Entscheidungen trifft, unklar. Das Inkrafttreten der Strafzölle hat es jedenfalls nicht verhindert.

Ex-Wirtschaftsminister Ildefonso Guajardo sagte dem Portal „Aristegui Noticias“, das Problem Mexikos sei, dass die Sheinbaum-Regierung akzeptierte, dass in den Verhandlungen keine Parameter festgelegt worden seien. „Er wird so viel herauspressen, wie er will, und ihnen nie das ganze Paket geben“, sagte Guajardo.

Ohne Parameter lasse sich nicht festlegen, wann Forderungen erfüllt worden sind und wann nicht. So brauche Trump mexikanische Erfolge nicht als Durchbruch zu akzeptieren, weil ja gar nicht festgelegt worden sei, was ein Erfolg sei.

Der innenpolitische Druck auf Sheinbaum wächst derweil zusehend. Ex-Präsident Vicente Fox wirft ihr „fehlende Führung“ vor, die Opposition fordert, dass die linke Regierungspartei Moreno „endlich ihre Verbindungen zum Drogenhandel“ abbreche. Sheinbaum weist die Anschuldigungen zurück.

Ein schweres Erbe vom Vorgänger Lopez Obrador

Tatsächlich hat die Präsidentin die katastrophale Sicherheitslage von ihrem Parteifreund, Mentor und Vorgänger Andres Manuel Lopez Obrador geerbt. Und tut sich schwer, ihn öffentlich deswegen zu kritisieren. Linkspopulist Lopez Obrador (2018-2024) hatte sich für eine Strategie „Umarmen statt Schießen“ entschieden.

Das Ergebnis: Fast 200.000 Gewalttote, fast 50 Journalisten wurden ermordet. Trumps Vorwurf, die Kartelle hätten in Mexiko längst die Macht übernommen, ist nicht von der Hand zu weisen. Sheinbaum ändert jetzt die Sicherheitsstrategie. Das zeigt, dass sie die Zeichen der Zeit erkannt hat.

Vor allem die mexikanische Kirche drängt angesichts immer neuer Massaker auf eine Kehrtwende. Es ist wohl die einzige Organisation, die über ihre Pfarreien landesweit den Überblick hat, wie es um Gewalt und organisierte Kriminalität tatsächlich bestellt ist.

Die USA haben die mexikanischen Drogenkartelle zu terroristischen Organisationen erklärt hat – was einer Kriegserklärung gleichkommt. Sheinbaum hat der US-Drogenfahndung und den Militärs nun erweiterte Kompetenzen eingeräumt. Es ist das Eingeständnis, dass es Mexiko alleine nicht mehr schaffen kann.

Der Bischof stimmt Trump „voll und ganz“ zu

Der mexikanische Bischof Salvador Rangel, der landesweit Bekanntheit erlangte, weil er mit den Drogenkartellen eine Waffenruhe aushandelte, um die Menschen in seiner Heimatdiözese in der Unruheprovinz Guerreo zu schützen, stellte sich hinter die US-Maßnahmen.

„Ich stimme Herrn Trump, dem Präsidenten der Vereinigten Staaten, voll und ganz zu: Es ist Fentanyl, das viele Menschen in den Vereinigten Staaten tötet, mindestens 100.000 Menschen pro Jahr. Ob es uns gefällt oder nicht, Fentanyl wird in Mexiko und vor allem in Guerrero hergestellt“, sagte Rangel vor wenigen Tagen.

Dass ein möglicher Weg zu einer Beilegung des Zollstreits über die Drogen-Frage laufen könnte, deutet sich bereits an. US-Handelsminister Howard Lutnick sagte dem TV-Sender Fox Business, es handele sich nicht um einen Handelskrieg, sondern um einen Krieg gegen die Drogen.

Er sei zuversichtlich, dass die USA und Mexiko bald eine Einigung erzielen werden. Einen entsprechenden Kompromiss könnte Präsident Trump womöglich schon am Mittwoch verkünden, so Lutnick weiter. „Ich denke, er wird etwas mit ihnen ausarbeiten.“

Anlass zum Optimismus gibt, dass die Mexikaner während Trumps Amtszeit durchaus positive Erfahrungen mit den Ergebnissen des neu ausgehandelten nordamerikanischen Freihandelsabkommen zwischen Kanada, den USA und Mexiko gemacht haben.

Im Freihandelsraum USMCA (United States-Mexico-Canada Agreement) summierte sich der Gesamtwert des nordamerikanischen Handels zuletzt auf 1,5 Billionen Dollar. Mexiko und Kanada stiegen zu den wichtigsten Handelspartnern der USA auf und verwiesen China auf die Plätze.

Tobias Käufer ist Lateinamerika-Korrespondent. Im Auftrag von WELT berichtet er seit 2009 über die Entwicklungen in der Region.

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