Zölle – Trumps Lieblingswort und Brüssels Problem | ABC-Z
Die EU bereitet sich auf das kommende Jahr vor – und damit auf mögliche Konflikte mit ihren wichtigsten Handelspartnern. Europa fühlt sich gut gerüstet. Damit könnte sich Europas mächtigste Frau weiter profilieren.
Donald Trumps Lieblingswort stellt die EU vor gewaltige Probleme: Der gewählte US-Präsident hält “Zölle” für das schönste Wort im Wörterbuch. Im Interview mit dem US-Sender NBC News bezeichnete er Zölle kürzlich als ein sehr machtvolles Instrument – nicht nur, um wirtschaftliche Ziele zu erreichen.
Die EU betrachtet das als Drohung. In Brüssel ist die Sorge groß, dass Trump nach seinem Amtsantritt am 20. Januar höhere Zölle auf Einfuhren aus der EU verhängen wird – so, wie er das während seiner ersten Amtszeit getan hat.
Angst vor dem Zoll-Déjà-vu
2018 führte Washington Strafzölle auf Stahl- und Aluminiumimporte ein. Trump nutzte dafür eine Rechtsvorschrift, die Beschränkungen erlaubt, wenn Einfuhren die nationale Sicherheit der USA beeinträchtigen könnten.
Die EU reagierte mit Vergeltungszöllen auf Harley-Davidson-Motorräder, Bourbon-Whiskey und Jeans. Auch der transatlantische Streit wegen unzulässiger Beihilfen für Airbus und Boeing eskalierte.
2024 störte sich Trump am gewaltigen Handelsbilanzdefizit seines Landes gegenüber Europa: Die EU führt Waren im Wert von rund 150 Milliarden Euro mehr in die USA ein als von dort hierherkommen.
Der designierte US-Präsident fühlt sich von Europa nach eigenen Worten übervorteilt, er nennt das “eine Schande”. Dabei hat Trump besonders die deutsche Autoindustrie im Visier, von der Werke und Zulieferbetriebe in ganz Europa abhängen. In seiner ersten Amtszeit drohte er auch mit Auto-Strafzöllen, die aber nicht kamen.
EU nun besser gewappnet?
Was auch immer diesmal kommen mag – die EU ist nach Ansicht des Vorsitzenden des Handelsausschusses im EU-Parlament, Bernd Lange, inzwischen besser vorbereitet. Der SPD-Politiker verweist auf eine Task Force der EU-Kommission, die sektorübergreifend Maßnahmen vorbereitet.
“Mit der neuen Gesetzgebung können wir dem Ansinnen, mit Zöllen politischen Druck auszuüben, besser widerstehen”, sagt Lange. Denn die EU verfügt als Lehre aus schlechten Erfahrungen seit einem Jahr über ein Instrument, um sich schneller und wirksamer gegen Zwangsmaßnahmen zu wehren.
Eine Verordnung erlaubt es seitdem im Ernstfall, Ein- und Ausfuhren von Waren und Dienstleistungen zu beschränken, Patente auszusetzen, ausländische Direktinvestitionen zu stoppen und Unternehmen aus Nicht-EU-Ländern den Marktzugang zu verwehren, insbesondere wenn es um öffentliche Aufträge geht.
Gemeinsame Interessen
Wirtschaftspolitisch vernünftig wäre ein neuer transatlantischer Zollstreit nicht. Schließlich waren die USA im vergangenen Jahr der größte Abnehmer von EU-Produkten und hinter China der zweitgrößte Lieferant von Waren nach Europa.
Auch verfolgen Brüssel und Washington teilweise ähnliche Ziele, erklärt der Direktor des Österreichischen Instituts für Wirtschaftsforschung, Gabriel Felbermayr. Beide wollen zum Beispiel ihre Stahlhersteller gegen unfairen Wettbewerb schützen oder grüne Technologien fördern.
Felbermayr sieht deshalb neben dem Konfliktpotenzial “auch immer die Möglichkeit, gemeinsam mit den Amerikanern Dinge weiterzuentwickeln – auch mit einem Donald Trump, der ja in der Vergangenheit immer wieder gezeigt hat, dass er eigentlich Deals machen möchte.” In jedem Fall dürfte es mit Europas wichtigstem Handelspartner aber schwieriger werden.
Die Suche nach neuen Partnern
Gleichzeitig spitzt sich der Konflikt mit dem zweitwichtigsten Partner, China, zu. Ende Oktober verhängte die EU Ausgleichszölle auf von dort importierte Elektroautos. Beide Seiten verhandeln aber weiter über eine Lösung. Die EU wirft Peking vor, durch massive Beihilfen den Wettbewerb zu verzerren. Grundsätzlich will Brüssel Risiken durch zu große Abhängigkeit von China verringern.
Dafür sucht Europa neue Partner und Rohstofflieferanten und will gegenüber Peking Boden gutmachen – etwa in Lateinamerika, wo China die EU als wichtigsten Handelspartner abgelöst hat.
Am Nikolaustag schloss EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen nach fast 25 Jahren die Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen mit vier südamerikanischen Mercosur-Staaten ab. Sie würdigte die Vereinbarung als politische Notwendigkeit und als “klare Antwort auf Strömungen, die sich in Richtung von Isolierung und Fragmentierung bewegen”.
Ihre Behörde vereinbart Handelsabkommen mit Nicht-EU-Staaten. Dabei setzte sich von der Leyen in den vergangenen Monaten über Bedenken der beiden größten und durch Regierungskrisen geschwächten EU-Länder hinweg: Die E-Auto-Zölle kamen gegen deutschen Widerstand, die Mercosur-Vereinbarung gegen Frankreichs Protest.
Ursula von der Leyen festigte so ihre Stellung im innereuropäischen Machtgefüge und zeigte in der Handelspolitik, was sie schon angesichts von Corona-Pandemie und Ukrainekrieg bewiesen hatte: ihren Anspruch, die Kommission zum geopolitischen Akteur zu machen.