Zollabkommen trifft Italien strikt: Trump lässt Meloni im Regen stehen | ABC-Z

Italiens Premierministerin hatte bis zum Schluss gehofft, dass ihre Vermittlerrolle zwischen Brüssel und Washington den Zolldisput abmildern würde. Meloni hat sich geirrt – und ringt nach Auswegen.
US-Präsident Donald Trump feiert seinen Zolldeal mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen als den wichtigsten aller Zeiten. Eine seiner treuesten Verbündeten in der EU teilt diesen Enthusiasmus nicht: Italiens Premierministerin Giorgia Meloni hat allen Grund zur Enttäuschung. Lange Zeit konnte nichts ihre besondere Beziehung zu Trump trüben, auch nicht seine Kampfansage an die europäischen Wirtschaft. Nichts konnte ihre Loyalität ihm gegenüber schmälern.
Gleich, ob er mit Zöllen in Höhe von 50 Prozent drohte, oder die Europäer als Schmarotzer auf Kosten der USA bezeichnete: Kein Wort der Kritik kam über Melonis Lippen. Im Gegenzug lobte er sie immer wieder, nannte Meloni unlängst eine “sehr spezielle Person, die eine fantastische Arbeit leistet”. War diese vermeintliche Freundschaft nur ein Lippenbekenntnis? Die von Meloni erhoffte Gegengefälligkeit für ihre Loyalität ist jedenfalls ausgeblieben.
Melonis Loyalität bleibt unbelohnt
Meloni befürwortete einen Zolltarif von 10 Prozent und eine Senkung der 50 Prozent auf Aluminium- und Stahlexporte in die USA. In Apulien steht mit ILVA das größte Stahlwerk Europas. Es ist aber auch das marodeste. Was nun kam, ist ein Zollsatz von 15 Prozent, das Dreifache der bisher gültigen 4,8 Prozent, während die 50 Prozent auf Stahl und Aluminium vorerst bleiben.
Meloni versucht die Gemüter zu beruhigen. “Ich finde es positiv, dass man zu einer Vereinbarung gekommen ist”, hob sie schon am Montag hervor. “Ich war und bin weiter der Meinung, dass eine Zuspitzung der Handelsbeziehungen zwischen Europa und den USA zu katastrophalen Folgen geführt hätte.” Außerdem solle man nicht vergessen, “dass die Details noch zu definieren sind”. Auch die deutsche Bundesregierung will etwa mit Blick auf Stahl noch günstigere Konditionen nachverhandeln.
Italiens Politik und Wirtschaft fand kaum ein positives Wort zu der erzielten Einigung. Zu lesen ist von einer Demütigung der EU; von Trump, der Europa über den Tisch gezogen habe; von einem ungleichen Abkommen, das den USA mehr bringe als der EU.
Wichtiges Zielland für made in Italy
Ähnlich wie Deutschland ist Italiens Wirtschaft maßgeblich vom Export abhängig und die USA stechen als Handelspartner hervor. So lag der Exportwert der italienischen Ware Richtung USA 2024 laut Auswärtigem Amt bei 64,8 Milliarden Euro. Das sind etwas mehr als 10 Prozent des italienischen Gesamtexports.
Die wichtigsten Produkte, die Italien in die USA verkauft, sind in dieser Reihenfolge:
- Pharmaprodukte
- Bergbauprodukte
- Chemikalien
- verarbeitete Metalle
Weiter nehmen Landwirtschaft, Lebensmittel und Getränke eine besondere Stellung ein. Diese Branchen zählen zu den wichtigsten Aushängeschildern des Made in Italy und die USA sind ihr zweitwichtigster Exportmarkt. Der Ausfuhrwert der Agrar- und Lebensmittelprodukte liegt bei knapp 8 Milliarden Euro.
Mit großer Anspannung wartet auch die Weinbranche auf die Details des Zollabkommens. Die USA zählen zu ihren besten Kunden. 2024 wurde Wein in einem Gesamtwert von 1,9 Milliarden Euro in die Staaten verfrachtet. Der Vorsitzende des Italienischen Weinverbands UIV, Lamberto Frescobaldi, mahnt in einer Stellungnahme: “Sollte der Zolltarif auf 15 Prozent steigen, würde das ein Schaden von 460 Millionen Euro bedeuten.”
Loyal, aber nicht blauäugig
Die Regierung bittet einerseits um Geduld, trifft aber andererseits selbst schon Vorkehrungen. Zum Beispiel wurde noch vor dem Treffen zwischen Trump und von der Leyen beschlossen, der Agrar- und Lebensmittelbranche mit 1 Milliarde Euro unter die Arme zu greifen. Denn wenngleich ein Zoll von 10 Prozent stemmbar gewesen wäre, wie Meloni mehrmals versichert hatte: Schwierigkeiten hätte er vielen Unternehmen trotzdem bereitet.
Die übrigen Wirtschaftsbranchen sind ebenfalls in Aufruhr und fordern finanzielle Unterstützung. Der Vorsitzende des Industrieverbands Confindustria Emanuele Orsini sagte in einem TV-Interview: “Alles, was über einem Zolltarif von null Prozent liegt, ist für uns ein Problem. Die jetzt beschlossenen 15 Prozent könnten einen Schaden von 22,6 Milliarden Euro bedeuten.”
Meloni hat von Beginn ihrer Regierung darauf geachtet, zur EU eine konstruktive Beziehung aufzubauen. Und daran hält sie fest. Anstatt an dem Deal herumzumäkeln oder wie ihr Vize-Premier, Lega-Chef Matteo Salvini, von der Leyen zum Sündenbock auszurufen, berief Meloni am Dienstag einen kleinen Ministerrat ein. Zusammen mit ihren zwei Stellvertretern sowie dem Wirtschafts- und dem Verteidigungsminister wurde beschlossen, 14 Milliarden Euro Darlehen aus dem EU-Safe-Fonds zu beantragen.
Dieser mit bis zu 150 Milliarden Euro dotierte Fonds ist ein neues EU-Instrument, das jenen Staaten finanziell unter die Arme greifen soll, die in die technologische und industrielle Basis der europäischen Verteidigung investieren. Ursprünglich hatte sich Rom diesem Fonds gegenüber skeptisch gezeigt: Finanzminister Giancarlo Giorgetti, weil Italien sowieso schon eine monströse Staatsverschuldung hat. Salvini, weil er strikt gegen eine Aufrüstung ist, die uns “Deutschland und von der Leyen aufzwingen wollen”.
Doch die vorteilhaften Bedingungen, die das Darlehen vorsieht, und die Rückzahlung in 45 Jahren haben offenbar die Meinung geändert. Noch ausschlaggebender war aber wahrscheinlich das Zollabkommen. Das Darlehen für die Wiederaufrüstung spült Geld in die Staatskasse zur Unterstützung der italienischen Unternehmen. Das Zollabkommen dürfte den Unternehmen mehr Schwierigkeiten bereiten, als Italiens Regierung gewillt ist, öffentlich zuzugeben. Präziser: als die Regierungschefin gewillt ist, zuzugeben.
Meloni droht mit der Frage konfrontiert zu werden, ob ihre Vermittlungsrolle zwischen EU und USA wirklich etwas bewirkt hat? Wäre es nicht besser, jetzt da in Deutschland der konservative Bundeskanzler Friedrich Merz im Amt ist, sich enger mit ihm abzustimmen? Und, ja auch mit dem ihr nicht gerade sympathischen Emmanuel Macron? Berechenbarer als mit dem sprunghaften Trump wären diese Beziehungen allemal.