Wirtschaft

Zocken macht krank – und einige reich. In Südkorea wird über Gefahren diskutiert – Wirtschaft | ABC-Z

Lee Sang-hyeok aus Seoul ist das beste Argument für alle in Südkorea, die ständiges Computerspielen nicht als Gesundheitsrisiko sehen, sondern als Karrierechance. Natürlich daddelte Lee sehr viel, als er mit 15 sein Faible für das Online-Videospiel League of Legends (LoL) entdeckte, bei dem sich zwei Fünferteams mit diversen Fantasy-Charakteren bekämpfen. Andere Eltern hätten ihm wohl Strafspaziergänge verordnet. Lee Sang-hyeoks alleinerziehender Vater hingegen war einverstanden, als der Junge mit 17 die Schule abbrechen wollte, um Computerspiel-Profi zu werden. Und heute? Ist Lee, 28, Künstlername Faker, der vergötterte Superstar des elektronischen Sports, viermaliger LoL-Weltmeister, Multimillionär, ein Held seines Landes.

Trotzdem debattiert man im Tigerstaat gerade darüber, ob Computerspielen krankhaft sein kann. Nächstes Jahr wird die Revision jener Standards fällig, nach denen sich Südkoreas Statistikamt richtet, wenn es Gesundheitsdaten sammelt. Normalerweise passt das Amt die Standards denen der Weltgesundheitsorganisation WHO an. Und die deutet es seit 2019 als psychische Störung, wenn das Spielen „trotz negativer Konsequenzen“ wichtiger wird als alles andere. Die WHO stellt klar, dass Computerspielsucht laut Forschung nur wenige, besonders entrückte Gamer betreffe. Aber in Südkorea macht schon diese vorsichtige Einordnung viele nervös.

Die Nation ist Vorreiter beim Ausbau des Breitbandinternets, gemeinschaftliches Computerspielen gehört deshalb zur Kultur des Landes wie das Skifahren im Alpenland Österreich. Rund 20 000 PC-Bangs gibt es in Südkorea, also Internetcafés, in denen man sich zum virtuellen Feierabendsport treffen kann. Profiteams rekrutieren ihre Spieler aus Massen von Talenten.

Vor allem aber macht Südkoreas Gaming-Industrie Milliardenumsätze und ist eine Säule der Export-Wirtschaft. Die Firmen der Branche fanden den WHO-Vorstoß von Anfang an schlecht. Das Kulturministerium ist auf ihrer Seite, die Oppositionspolitikerin Kang Yu-jung von der Demokratischen Partei ebenfalls. Im Parlament schlug Kang eine Reform vor, nach der Südkorea sich nicht mehr so streng an internationale Gesundheitsstandards halten muss. Denn: „Wird Spielsucht als Krankheit eingestuft, schrumpft die Spielindustrie in zwei Jahren voraussichtlich um etwa 8,8 Billionen Won (5,93 Milliarden Euro).“

Städte haben erkannt, dass Prävention nötig ist

Das klingt übertrieben. Außerdem: Heiligt das Geld eine mögliche Seelennot? Das Gesundheitsministerium unterstützt jedenfalls die WHO-Linie – zumal diese zu der Politik passt, welche Südkoreas Behörden längst verfolgen. Internetsucht ist deren Thema, ein Leiden, das sich auch in zwanghaftem Computerzocken ausdrücken kann. Staat und Städte investieren in Prävention und Therapiezentren, damit die Menschen lernen, auch mal nicht aufs Smartphone zu schauen. Selbst der berühmte Faker kennt das Problem. Als Lee Sang-hyeok im November mit dem Team T1 seinen vierten WM-Titel gewonnen hatte, sagte er: „Ich bin ziemlich suchtanfällig.“ Der Großmeister des Online-Gamings räumte ein, dass er zu oft auf Youtube und Tiktok versumpfe.

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