Zeitenwende in Wolfsburg: Volkswagen kündigt Beschäftigungssicherung auf | ABC-Z
Zeitenwende in Wolfsburg
Volkswagen kündigt Beschäftigungssicherung auf
10.09.2024, 16:21 Uhr
Bis zum Ende des Jahrzehnts wollte Volkswagen auf betriebsbedingte Kündigungen verzichten. Die entsprechende Vereinbarung mit Arbeitnehmervertretern hat der Konzern nun aber gekündigt. Gleiches gilt für die Zusicherung an Azubis, übernommen zu werden. Alles soll nun neu verhandelt werden.
Der kriselnde Autohersteller Volkswagen hat eine Reihe von Tarifverträgen gekündigt, darunter den sogenannten Zukunftstarifvertrag zur Beschäftigungssicherung, der betriebsbedingte Kündigungen bis 2029 ausschließt. Das Unternehmen sehe sich aufgrund der aktuellen wirtschaftlichen Herausforderungen dazu gezwungen, erklärte Personalvorstand Gunnar Kilian. Die Beschäftigungssicherung war seit 1994 fortlaufend festgeschrieben worden. Die Kündigung “einer ganzen Palette an Tarifverträgen” durch den Volkswagen-Vorstand sei eingegangen, teilte IG Metall mit.
“Jetzt hat das Unternehmen also wahr gemacht, wovon wir seit Tagen ausgehen”, sagte Betriebsratschefin Daniela Cavallo. Zugleich bekräftigte sie ihren Widerstand gegen die Pläne. “Wir werden uns gegen diesen historischen Angriff auf unsere Arbeitsplätze erbittert zur Wehr setzen. Es wird mit uns keine betriebsbedingten Kündigungen geben.”
Wie Europas größter Autobauer weiter mitteilte, läuft der Vertrag damit Ende des Jahres aus. Sechs Monate später sind dann betriebsbedingte Kündigungen möglich, also ab Juli 2025. Ob es nun tatsächlich zu Kündigungen kommt, ist noch offen. Neben dem Vertrag zur Beschäftigungssicherung, der solche Kündigungen bisher ausschloss, seien auch mehrere andere Vereinbarungen gekündigt worden, darunter die Übernahmegarantie für Auszubildende und die Regelungen für Leiharbeit. So sollen künftig nur noch so viele junge Menschen ausgebildet werden, wie das Unternehmen benötige. Bei der Zeitarbeit sollen günstigere Konditionen erreicht werden.
Verhandlungen zum Erfolg verdammt?
Der Konzern will nun zügig mit Gewerkschaft und Betriebsrat über eine Neureglung verhandeln, wie Personalvorstand Kilian ankündigte. Ziel sei es, bis zum Auslaufen der Beschäftigungssicherung Mitte 2025 eine Anschlussregelung zu vereinbaren. “Die aktuelle Phase trägt zu einer Verunsicherung bei. Dieser können wir entgegenwirken, wenn wir zeitnah zukunftssichere Perspektiven für unser Unternehmen schaffen”, sagte Kilian laut Mitteilung weiter. Die eigentlich erst ab Oktober geplanten Tarifverhandlungen zum VW-Entgelttarif sollen vorgezogen und auf die jetzt gekündigten Verträge erweitert werden. Das hatte die IG Metall zuvor angeboten.
Sollte es bis Juni 2025 nicht gelingen, eine Einigung zu erzielen, drohen Volkswagen deutliche Kostensteigerungen. IG-Metall-Verhandlungsführer Thorsten Gröger sagte, die neu entstehenden Kosten könnten an der Milliardengrenze kratzen. Grund dafür sei, dass im Fall der Kündigung der Tarifverträge der Vertrag wieder in Kraft trete, der vor 1994 gegolten hatte. Dieser sieht unter anderem eine längere Arbeitszeit bei vollem Lohnausgleich, zusätzliche Pausen oder höhere Zuschläge für Mehr- und Samstagsarbeit vor. In diesem Fall würde Volkswagen gegenüber dem Wettbewerb massiv zurückfallen, erklärte das Unternehmen dazu.
Volkswagen hatte vergangene Woche angekündigt, den Sparkurs drastisch zu verschärfen und die seit drei Jahrzehnten geltende Beschäftigungssicherung aufzukündigen. Auch das Schließen von Werken steht im Raum. Der Betriebsrat wirft dem Management schwere Fehler vor. Arbeitnehmervertreter brachten bereits eine Vier-Tage-Woche ins Spiel.