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Zahlt der FC Bayern München seinen Spielern zu viel Geld? | ABC-Z

In dieser Woche sollte Max Eberl über eine Sache sprechen, über die die meisten Menschen in Deutschland nicht wirklich sprechen wollen. Und weil selbst Eberl, der Sportvorstand des FC Bayern München, der sonst so gerne Pointen setzt, in dieser Sache wie die meisten Menschen ist, sprach er dann nicht wirklich über Geld, sondern über griechische Mythologie.

Die ungewollte Pointe: Das passte ganz gut, denn wer gerade über den FC Bayern München und das Geld spricht, der sollte auch über einen Mythos sprechen. Doch dazu später.

Es ist Dienstagmittag in München, als Eberl im Fußballstadion des FC-Bayern-Campus steht und im Anschluss an das Testspiel, das seine Mannschaft dort fünf Tage vor ihrem Bundesligastart in Wolfsburg an diesem Sonntag (15.30 Uhr im F.A.Z.-Liveticker zur Bundesliga und bei DAZN) gerade gewonnen hat, auf die Fragen der Reporterinnen und Reporter antwortet.

Eberl spricht dann über Sisyphos

Es geht mal wieder um Leon Goretzka, den Mittelfeldspieler, dem Eberl mitgeteilt hat, dass es wahrscheinlich ist, dass er wegen der Konkurrenz im Kader in den kommenden Wochen und Monaten kaum spielen wird. Und wenn es derzeit um Goretzka geht, dann geht es eben ums Geld – und um die Frage, die in diesem Sommer nicht nur unter den Reporterinnen und Reportern sehr intensiv diskutiert wird: Zahlt der reichste deutsche Fußballklub seinen Spielern zu viel?

„Über Geld spricht man in der Öffentlichkeit nicht so gerne“, sagt Max Eberl – und spricht dann eben über Sisyphos.

Es sei so, sagt er, dass er, der seit dem 1. März für den FC Bayern arbeitet, in Zusammenarbeit mit dem Sportdirektor Christoph Freund versuche, Dinge „zu verändern“. Es sei aber auch so, dass man diese Herausforderung nicht mit Sisyphos vergleichen könne, mit jener mythischen Figur, die in der Unterwelt als Strafe für verschiedenste Unverschämtheiten einen Felsbrocken einen steilen Hang hochrollen muss, wobei dieser Felsbrocken dann jedes Mal kurz vor dem Gipfel wieder herunterrollt, weswegen Sisyphos immer von vorne anfangen muss. Beim FC Bayern, sagt Max Eberl, sei der Felsbrocken „nicht ganz runtergerollt“.

Doch wer in diesem Sommer schon mit mehreren Menschen gesprochen hat, die einen Einblick in das Gehaltsgefüge des Kaders haben, der kann zu dem Schluss kommen, dass man die Situation in der Säbener Straße mit einer anderen Geschichte aus der griechischen Mythologie darstellen muss: mit der von König Midas.

„Der FC Bayern hat keinen Geldscheißer“

In der Geschichte schafft es Midas, dass er vor Dionysos, dem Gott des Weines, einen Wunsch vortragen darf. Er wünscht sich, dass alles, was er anfasst, zu Gold wird. Der Wunsch wird erfüllt. Und wenn ein verdienter Fußballspieler in den vergangenen Saisons in der Säbener Straße einen Vertrag beim FC Bayern unterschrieben hat, dann dürfte er sich ein wenig wie Midas gefühlt haben.

Zu diesen Spielern zählten Joshua Kimmich (Vertragsverlängerung: August 2021), Leon Goretzka (September 2021), Kingsley Coman (Januar 2022) und Serge Gnabry (Juli 2022). Sie alle sollen seitdem plötzlich deutlich mehr als 15 Millionen Euro pro Saison verdienen, manche vermutlich an die 20 Millionen Euro. Man sollte sich in solchen Fällen stets fragen, ob die Summen, die man sich in der Fußballbranche erzählt, selbst aus dem Reich der Mythologie stammen. Doch wenn das so wäre, dann hätte Uli Hoeneß den nächsten Satz wohl gar nicht gesagt: „Der FC Bayern hat keinen Geldscheißer.“

Es ist mittlerweile einen Monat her, seit Hoeneß im Stadion in Seligenporten – ein Ort, der aus der griechischen Mythologie sein könnte – saß und den Satz sagte. Und weil danach alle gleich diesen einen Satz analysierten und interpretierten, ging ein anderer Satz unter, der mindestens so aufschlussreich war: „Sie dürfen nicht vergessen: Jeder Spieler kostet nicht nur Ablösesumme, sondern auch Gehalt.“

Es lässt sich natürlich nicht sagen, wie viel Geld der FC Bayern genau für die Gehälter seiner Spieler ausgibt, es lässt sich aber ganz gut einschätzen. Seit dem Sommer 2019 dokumentiert die Deutschen Fußball Liga (DFL) die sogenannten Finanzkennzahlen der Klubs. In den Dokumenten, die auf der Internetseite der DFL abrufbar sind, findet sich auch der Punkt „Personalkosten“.

Oliver Kahn: „Alle waren sich einig“

Und wenngleich darunter nicht nur die Gehälter Spieler, sondern die Gehälter alle Mitarbeiter des Klubs fallen, erhält man dadurch eine gute Einschätzung. In der Saison 2022/23 – das sind die frischesten Daten – betrug der Personalaufwand des FC Bayern München 415,5 Millionen Euro. Eine Summe, die gleich ein wenig größer wirkt, wenn man weiß, dass es in der Saison 2018/19 noch 356,1 Millionen Euro waren.

Warum sind die Ausgaben seitdem so angestiegen? Die Antwort, die man in München immer wieder hört: wegen Lucas Hernández.

Der FC Bayern startet in dieser Saison erstmals seit Langem nicht als Meister.dpa

Es war eine Grenzverschiebung, als die Münchner im März 2019 das wichtigste Detail des Deals mit Hernández, dem Verteidiger von Atlético Madrid, veröffentlichten. Die Ablösesumme: 80 Millionen Euro, damals Bundesliga-Höchstwert. Doch weil eben nicht nur die Ablösesumme, sondern auch das Gehalt für einen neuen Spieler ungewöhnlich hoch gewesen sein soll (mindestens 15 Millionen Euro pro Saison), war das der Standard, den danach mehrere Spieler gefordert haben sollen. Übrigens: Der Mann, der den Hernández-Vertag verhandelt und damit den neuen Standard gesetzt hat, ist inzwischen nicht mehr da: Hasan Salihamidžić.

In dieser Woche hat der ehemalige Vorstandsvorsitzende Oliver Kahn seinen ehemaligen Mitstreiter Salihamidžić, aber auch sich selbst gegen die Kritik in der Gehaltsdiskussion verteidigt. Als Kahn im Interview mit dem „Kicker“ auf den Vorwurf angesprochen worden ist, dass die Arbeit für Max Eberl und Christoph Freund wegen der hohen Gehälter erschwert sei, antwortete er: „Die Gehälter wurden stets mit dem Finanzvorstand und dem Aufsichtsrat abgestimmt und freigegeben. Alle waren sich einig. Die Quote der Gehaltskosten für den Spielerkader im Verhältnis zum Umsatz lag wie in der Vergangenheit unter 50 Prozent. Diese Größe ist im Vergleich zu anderen europäischen Klubs, bei denen sie teilweise bei 80 Prozent und mehr liegt, ein Top-Wert. Jeder Klub, der in den letzten Jahren die Champions League gewann, hat weit höhere Gehaltskosten als der FC Bayern.“

Nicht nur Summen, sondern auch Kontext

Zahlt der FC Bayern München seinen Spielern dann doch nicht zu viel Geld?

Es gibt gute Gründe, warum man diese Summen mit Blick auf die sportliche Entwicklung manch eines Bayernspielers kritisieren kann. Es gibt aber auch gute Gründe, warum man die Summen nicht nur mit dem Wissen des Sommers 2024 bewerten sollte. Das Beispiel Goretzka: Als die Bayern den Vertrag verlängerten, war er einer der Spieler, die einen entscheidenden Anteil daran hatten, dass die Mannschaft unter dem Trainer Hansi Flick sieben Titel in 19 Monaten gewonnen hatte.

Oder die Beispiele Gnabry und Kimmich: Als die Bayern die Verträge verlängerten, hatten sowohl der eine als auch der andere, die den Klub nur eine kleine Ablösesumme kosteten, davor mehrere Saisons für ein Gehalt gespielt, das gemessen an ihrem Wert für die Mannschaft wenig war. Man darf nicht nur auf Summen, man muss auch auf den Kontext schauen.

Vielleicht ist der Grund, warum die Gehaltsdiskussion etwas seltsam ist, ohnehin ein anderer. Vielleicht geht es gar nicht nur darum, wie viel Geld der Klub seinen Spielern zahlt, sondern darum, wie die Führungskräfte dieses Klubs über dieses Geld sprechen. Etwa Herbert Hainer, der Präsident des FC Bayern München e.V. und Aufsichtsrat der FC Bayern München AG, der im September 2023 im F.A.S.-Interview über Harry Kane, der mit Boni mehr als 100 Millionen Euro Ablösesumme kosten könnte, sagte: „Aber eines möchte ich an dieser Stelle auch sagen.“ Er sagte dann: „Solche Summen werden die Ausnahme bleiben.“

Die Ausnahme? Das mag mit Blick auf die Ablösesummen stimmen, mit Blick auf die Gehälter stimmt das nicht. Das ist der Mythos. Und das ist der Grund, warum es dem FC Bayern schwerfällt, für einen Spieler wie Leon Goretzka einen neuen Klub zu finden: Es gibt, selbst in der englischen Premier League, nämlich nur sehr wenige, die sich so ein Gehalt leisten können und wollen.

Am Dienstag, an dem er auf dem FC-Bayern-Campus auf das Gehaltsgefüge angesprochen wird, sagt Max Eberl, dass sein Klub „kleinere Brötchen backen“ werde. Doch klappt das? Im Sommer 2024 dürfte Eberl schon in dem Sommer 2025 schauen, wenn die Verträge von Alphonso Davies, Joshua Kimmich und Leroy Sané auslaufen. Wenn der Sportvorstand es nicht schafft, diese Verträge während der Saison zu verlängern, können sie den Klub im kommenden Sommer ohne Ablösesumme verlassen.

Und natürlich dürfte Eberl nicht nur in den Sommer 2025 schauen, sondern vor allem schon in den Sommer 2026. Denn spätestens dann wird er keine kleineren Brötchen backen können. Es könnte sogar sein, dass er dann ein Gehalt bezahlen muss, das in der Geschichte des FC Bayern München noch nie bezahlt worden ist.

Im Sommer 2026 läuft der Vertrag des Spielers aus, der mit dem Ball so elegant umgehen kann wie Amor mit dem Liebespfeil, weswegen sich fast alle Fußballmanager in Europa längst in ihn verliebt haben – und, wenn ihre Klubs das denn können, wohl sehr, sehr, sehr viel Geld dafür ausgeben würden, dass Jamal Musiala dann für ihre Mannschaft spielt.

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