Zahlen Google, Meta und Co. bald per Digitalsteuer für die Presseförderung? | ABC-Z

Berlin. Der Chef des Zeitschriftenverbands MVFP, Philipp Welte, fordert die Digitalsteuer für US-Konzerne und mehr Gerechtigkeit für Verlage.
Die deutsche Presselandschaft ist vielfältig – vom öffentlich-rechtlichen Angebot bis hin zu großen und kleinen privatwirtschaftlichen Verlagen und Medienhäusern mit ihren Webseiten, Zeitungen und Zeitschriften. Aber die Branche steht unter Druck. Der Wettbewerb durch Player aus den USA wie Meta, Amazon und Google wird verzerrt. Wir sprachen mit Philipp Welte, Vorstandsvorsitzender des „Medienverband der freien Presse“.
Herr Welte, Kulturstaatsminister Wolfram Weimer will eine zehnprozentige Digitalsteuer für große US-Tech-Konzerne erheben. Wie realistisch ist dieser Plan?
Philipp Welte: Wir empfehlen ein solches Instrument der Politik schon länger, weil ein signifikanter Teil der digitalen Wertschöpfung der europäischen Medienmärkte in den USA landet. Eine Handvoll US-amerikanischer Technologiekonzerne und ihre von der chinesischen Diktatur ins Leben gerufenen Klone drücken dem freien Internet die Luft ab. Dabei rauben sie dem unabhängigen Journalismus der Verlage sukzessive die Lebensgrundlage im Netz. Das ist ein gigantischer Kollateralschaden für Staat, Gesellschaft, für Wirtschaft wie Wissenschaft, und die Milliardengewinne der Plattformen sind dann auch noch weitgehend steuerfrei. Man muss nicht Einstein sein, um über eine sinnvolle Besteuerung oder vielleicht auch Zölle für den Import digitaler Dienstleistungen nachzudenken.
Wie sollten Mittel aus dieser Digitalsteuer den privatwirtschaftlichen Medienhäusern zufließen, die mit ihren Inhalten die großen Suchmaschinen füttern, ohne nennenswerte Gegenleistungen zu erhalten?
Welte: Eine unmittelbare Koppelung einer Digitalsteuer mit einer Förderung des professionellen Journalismus unabhängiger Medien ist in Deutschland rechtlich schwierig, aber auch nicht notwendig. Allerdings würde diese Steuer dem Bundeshaushalt einen größeren finanziellen Spielraum für eine Unterstützung der freien Presse schaffen. Wir sprechen mit den unterschiedlichen Bundesregierungen seit über zehn Jahren darüber, dass das ökonomische Fundament der einzigartig vielfältigen deutschen Verlagswelt bedroht ist. Aber außer Lippenbekenntnissen zur Bedeutung des unabhängigen Journalismus passiert: genau nichts. Das ist gefährlich in einer Situation, in der die Menschen überrollt werden von einer Flut an manipulativen, manipulierten und schlicht erlogenen Inhalten. Wir sind verlässlich informierender und deshalb systemrelevanter Teil der Infrastruktur unserer Demokratie. Aber was passiert denn mit der Pressefreiheit, wenn es die freie Presse nicht mehr gibt?
Reicht eine Digitalsteuer, um die marktbeherrschende Stellung der US-Konzerne zu brechen? Sie beschreiben die Verlage als die „Baumwollpflücker in den Plantagen der US-Tech-Konzerne“……
Welte: …oder Minenarbeiter in den Bergwerksstollen der digitalen US-Monopolisten. Solche Vergleiche klingen krass, aber sie beschreiben die realen Machtverhältnisse in der digitalen Welt. Die Wertschöpfung der mächtigsten Unternehmen der Welt funktioniert auf der Basis unserer digitalen Infrastruktur und unserer hochwertigen Inhalte.
Mit dieser Steuer setzt die Regierung ein Zeichen für mehr Gerechtigkeit in der digitalen Welt. Fakt ist, dass die gigantische Marktmacht dieser Unternehmen ein strukturelles und ordnungspolitisches Problem für die europäische Digitalökonomie ist – und zunehmend zur Gefahr für die kulturelle und politische Stabilität unserer Demokratie wird. In dieser Situation ist eine Besteuerung für digitale Monopole ein richtiger und wichtiger Schritt, solange die Erträge aus dieser Steuer zumindest mittelbar für die Unterstützung der freien Medien verwendet wird.
Eine Digitalsteuer wird diese Marktmacht kaum brechen…
Welte: Richtig. Deshalb muss die Politik deutlich mehr tun, um die Verbreitung redaktioneller Medien über diese Plattformmonopole diskriminierungsfrei und ökonomisch fair zu gestalten. Es kann und darf nicht sein, dass die Reichweite unserer Medien auf diesen Plattformen von deren Willkür abhängen. In einem diskriminierungsfreien Wettbewerb muss allein die Gunst der Nutzer entscheiden.
Gegner der Digitalsteuer sagen: Zu teuer und viel zu bürokratisch…
Welte: Bei den Unternehmen, die diese Steuer wirklich betreffen soll, sprechen wir über Rundungsdifferenzen weit hinter dem Komma ihrer Monopolgewinne. Dass diese Megakonzerne jetzt Donald Trump vorschicken, um gegen den Vorstoß der Bundesregierung zu Feld zu ziehen, spricht eher für sie als dagegen.
Was haben Leserinnen und Leser der Verlage von der Digitalsteuer?
Welte: Sie haben etwas von dieser Besteuerung, wenn die Erträge nicht einfach im Bundeshaushalt verschwinden, sondern verursachungsgerecht eingesetzt werden. Wenn die Bundesregierung sie zur indirekten Gegenfinanzierung einer Senkung der Umsatzsteuer für digitale und gedruckte Presse-Angebote nutzen würde, hätten die Menschen in Deutschland die Sicherheit, dass es den verlässlichen Journalismus der Verlage auch in Zukunft geben wird.
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Sehen Sie noch eine Chance auf den Wegfall der Mehrwertsteuer auf Presseprodukte?
Welte: Wer sich in Legislative und Exekutive genau diese konkrete Relevanz der freien Presse als Bollwerk verlässlicher Information gegen Manipulation, Hass und Intoleranz in den sozialen Massenmedien bewusst macht, muss über Wege unserer ökonomischen Stabilisierung nachdenken. Zwei Drittel der noch knapp 36.000 festangestellten Redakteurinnen und Redakteure in Deutschland arbeiten für die Verlage – nicht für den öffentlich-rechtlichen Medienkomplex, nicht für Google, Meta oder TikTok.
Die Ampel hatte Presseförderung im Koalitionsvertrag und nicht geliefert. Wie hoch ist die Chance, dass Schwarz-Rot sich zu einer nennenswerten Förderung durchringt?
Welte: Angesichts von Zusagen aller drei Koalitionspartner war es durchaus überraschend, dass eine Umsatzsteuerreduzierung für die Presse nicht im Koalitionsvertrag steht. Das hindert die Koalition aber nicht, diese längst überfällige Unterstützung der freien Presse umzusetzen. Es ist Zeit, dass Worten endlich Taten folgen. Wir reden am Ende von moderaten Beträgen für die Haushalte von Bund und Ländern, und mit einer Digitalabgabe könnte diese Unterstützung der freien Presse sogar aufkommensneutral finanziert werden.
Wieviel Zeit bleibt den kleineren ihrer Mitgliedsunternehmen noch?
Welte: Es ist keine Frage der Größe – auf dem Medienfriedhof von Google liegen auch legendäre Konzerne, die jahrzehntelang unsere Branche geprägt hatten. Und auf der anderen Seite gibt es kleinere Fachverlage, die sehr gesund sind. Der Grad der Verletzbarkeit hängt von den jeweiligen Geschäftsmodellen ab. Wer stark von Werbeerlösen lebt, gerät maximal unter Druck, denn der Werbemarkt ist heute in der Hand der Tech-Plattformen.
Allein Google, Amazon und Meta haben über die Hälfte des 30 Milliarden Euro großen deutschen Werbemarktes einkassiert, während rund 1.200 deutsche Publikumszeitschriften in diesem Jahr keine 500 Millionen an Netto-Werbeerlösen realisieren werden. Und die in der analogen Welt stabilste Umsatzform, der direkte Verkauf journalistischer Inhalte an Leserinnen und Leser, ist in der digitalen Welt der ungezügelten Willkür der US-Tech-Riesen ausgeliefert. Die halten die Hand auf und verlangen einen Anteil an unseren Erlösen. Das ist digitaler Feudalismus, vor dem die Politik in Brüssel und Berlin bislang einfach die Augen verschließt.